Auf daß ihr aber wisset, daß des Menschen Sohn Macht habe die Sünden zu vergeben auf Er- den, sprach Er zu dem Gichtbrüchigen: Ich sage dir! Steh' auf! Hebe dein Bette auf, und gehe heim! Und alsobald stund er auf, nahm sein Bette und gieng hinaus vor allen; Also daß sie sich alle entsatzten, und sprachen: Solches ha- ben wir noch nie gesehen -- und Gott preisen, der den Menschen solche Gewalt gegeben.
Wer ward zu Jesus gebracht? Ein elender hülf- loser Mensch.
Was wollte Er bey Jesus? Sich von Ihm hel- fen lassen. Er fühlte sich elend fern von Ihm; Und glaubte sich glücklich nahe bey Ihm. Er über- wand Schwierigkeiten, und durchdrang viele Hindernis- se. Dies nennt Jesus Glauben. Es giebt so we- nig ächten Glauben ohne Hindernisse, als ächte Tugend.
Jesus giebt ihm, was er verlangt, und noch mehr, als er erwartete.
Er vergiebt ihm seine Sünden, versichert ihm -- die drückenden Folgen seiner Leidenschaften und Aus- schweifungen, welches dieselben immer seyn mögen, sollen aufgenhoben seyn.
Jesus handelte hier, wie überall, gegen und wi- der die Natur. All sein Thun ist Streit wider die schlimmen Effekte und Wirkungen der Natur. Seine Kraft regte sich willkührlich gegen die nothwendigen
Folgen
G 3
Gichtbrüchiger.
Auf daß ihr aber wiſſet, daß des Menſchen Sohn Macht habe die Sünden zu vergeben auf Er- den, ſprach Er zu dem Gichtbrüchigen: Ich ſage dir! Steh’ auf! Hebe dein Bette auf, und gehe heim! Und alſobald ſtund er auf, nahm ſein Bette und gieng hinaus vor allen; Alſo daß ſie ſich alle entſatzten, und ſprachen: Solches ha- ben wir noch nie geſehen — und Gott preiſen, der den Menſchen ſolche Gewalt gegeben.
Wer ward zu Jeſus gebracht? Ein elender hülf- loſer Menſch.
Was wollte Er bey Jeſus? Sich von Ihm hel- fen laſſen. Er fühlte ſich elend fern von Ihm; Und glaubte ſich glücklich nahe bey Ihm. Er über- wand Schwierigkeiten, und durchdrang viele Hinderniſ- ſe. Dies nennt Jeſus Glauben. Es giebt ſo we- nig ächten Glauben ohne Hinderniſſe, als ächte Tugend.
Jeſus giebt ihm, was er verlangt, und noch mehr, als er erwartete.
Er vergiebt ihm ſeine Sünden, verſichert ihm — die drückenden Folgen ſeiner Leidenſchaften und Aus- ſchweifungen, welches dieſelben immer ſeyn mögen, ſollen aufgẽhoben ſeyn.
Jeſus handelte hier, wie überall, gegen und wi- der die Natur. All ſein Thun iſt Streit wider die ſchlimmen Effekte und Wirkungen der Natur. Seine Kraft regte ſich willkührlich gegen die nothwendigen
Folgen
G 3
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[101[121]/0129]
Gichtbrüchiger.
Auf daß ihr aber wiſſet, daß des Menſchen Sohn
Macht habe die Sünden zu vergeben auf Er-
den, ſprach Er zu dem Gichtbrüchigen: Ich
ſage dir! Steh’ auf! Hebe dein Bette auf, und
gehe heim! Und alſobald ſtund er auf, nahm
ſein Bette und gieng hinaus vor allen; Alſo daß
ſie ſich alle entſatzten, und ſprachen: Solches ha-
ben wir noch nie geſehen — und Gott preiſen,
der den Menſchen ſolche Gewalt gegeben.
Wer ward zu Jeſus gebracht? Ein elender hülf-
loſer Menſch.
Was wollte Er bey Jeſus? Sich von Ihm hel-
fen laſſen. Er fühlte ſich elend fern von Ihm;
Und glaubte ſich glücklich nahe bey Ihm. Er über-
wand Schwierigkeiten, und durchdrang viele Hinderniſ-
ſe. Dies nennt Jeſus Glauben. Es giebt ſo we-
nig ächten Glauben ohne Hinderniſſe, als ächte
Tugend.
Jeſus giebt ihm, was er verlangt, und noch
mehr, als er erwartete.
Er vergiebt ihm ſeine Sünden, verſichert ihm —
die drückenden Folgen ſeiner Leidenſchaften und Aus-
ſchweifungen, welches dieſelben immer ſeyn mögen, ſollen
aufgẽhoben ſeyn.
Jeſus handelte hier, wie überall, gegen und wi-
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 101[121]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/129>, abgerufen am 21.11.2024.
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