von Jesus hörte, kam sie im Volke von hinten zu und rührte seine Kleider an; Denn Sie sprach: Wenn ich nur Sein Kleid mögte anrühren; So würde ich gesund. Und alsbald vertroknete der Brunn ihres Blutes. Und sie fühlte es am Lei- be, daß sie von ihrer Plage war gesund worden. Und Jesus spührete alsobald an Ihm selbst die Kraft, die von Ihm ausgegangen war, und wandte sich um zum Volk, und sprach: Wer hat meine Kleider angerührt? Und die Jünger spra- chen zu Ihm: Du siehest, daß Dich das Volk dringet, und du sprichst: Wer hat mich angerüh- ret? Und Er sahe sich um nach der, die das ge- than hatte -- das Weib aber fürchtete sich, und zitterte; Denn sie wuste, was an ihr geschehen war, kam und fiel vor Ihm nieder, und sagte Ihm die ganze Wahrheit. Er aber sprach zu ihr: Meine Tochter! Dein Glaube hat dich ge- sund gemacht. Gehe hin im Frieden und sey ge- sund von deiner Plage." -- Wer kann dies mit unbefangenem Gemüthe lesen und an der Wahrheit die- ser Geschichte zweiflen? Gerade diese Umständlichkeit allein schon, wie hat sie das Gepräge der Wahrheit? Und wer glaubt diese Geschichte, und freut sich nicht der immer überfliessenden Kraft Jesus? Und der Huld, die jeden Schrecken in Freude, jedes Zittern in Danksagung, jedes unheilbare Uebel in daurende Gesundheit verwan- deln kann! Ach! wer giebt uns Einfalt und Glauben? Wer nimmt hin unser Klügeln, und giebt uns wahre
Ver-
Matthäus XI.
von Jeſus hörte, kam ſie im Volke von hinten zu und rührte ſeine Kleider an; Denn Sie ſprach: Wenn ich nur Sein Kleid mögte anrühren; So würde ich geſund. Und alsbald vertroknete der Brunn ihres Blutes. Und ſie fühlte es am Lei- be, daß ſie von ihrer Plage war geſund worden. Und Jeſus ſpührete alſobald an Ihm ſelbſt die Kraft, die von Ihm ausgegangen war, und wandte ſich um zum Volk, und ſprach: Wer hat meine Kleider angerührt? Und die Jünger ſpra- chen zu Ihm: Du ſieheſt, daß Dich das Volk dringet, und du ſprichſt: Wer hat mich angerüh- ret? Und Er ſahe ſich um nach der, die das ge- than hatte — das Weib aber fürchtete ſich, und zitterte; Denn ſie wuſte, was an ihr geſchehen war, kam und fiel vor Ihm nieder, und ſagte Ihm die ganze Wahrheit. Er aber ſprach zu ihr: Meine Tochter! Dein Glaube hat dich ge- ſund gemacht. Gehe hin im Frieden und ſey ge- ſund von deiner Plage.„ — Wer kann dies mit unbefangenem Gemüthe leſen und an der Wahrheit die- ſer Geſchichte zweiflen? Gerade dieſe Umſtändlichkeit allein ſchon, wie hat ſie das Gepräge der Wahrheit? Und wer glaubt dieſe Geſchichte, und freut ſich nicht der immer überflieſſenden Kraft Jeſus? Und der Huld, die jeden Schrecken in Freude, jedes Zittern in Dankſagung, jedes unheilbare Uebel in daurende Geſundheit verwan- deln kann! Ach! wer giebt uns Einfalt und Glauben? Wer nimmt hin unſer Klügeln, und giebt uns wahre
Ver-
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[108[128]/0136]
Matthäus XI.
von Jeſus hörte, kam ſie im Volke von hinten zu
und rührte ſeine Kleider an; Denn Sie ſprach:
Wenn ich nur Sein Kleid mögte anrühren; So
würde ich geſund. Und alsbald vertroknete der
Brunn ihres Blutes. Und ſie fühlte es am Lei-
be, daß ſie von ihrer Plage war geſund worden.
Und Jeſus ſpührete alſobald an Ihm ſelbſt die
Kraft, die von Ihm ausgegangen war, und
wandte ſich um zum Volk, und ſprach: Wer hat
meine Kleider angerührt? Und die Jünger ſpra-
chen zu Ihm: Du ſieheſt, daß Dich das Volk
dringet, und du ſprichſt: Wer hat mich angerüh-
ret? Und Er ſahe ſich um nach der, die das ge-
than hatte — das Weib aber fürchtete ſich, und
zitterte; Denn ſie wuſte, was an ihr geſchehen
war, kam und fiel vor Ihm nieder, und ſagte
Ihm die ganze Wahrheit. Er aber ſprach zu
ihr: Meine Tochter! Dein Glaube hat dich ge-
ſund gemacht. Gehe hin im Frieden und ſey ge-
ſund von deiner Plage.„ — Wer kann dies mit
unbefangenem Gemüthe leſen und an der Wahrheit die-
ſer Geſchichte zweiflen? Gerade dieſe Umſtändlichkeit
allein ſchon, wie hat ſie das Gepräge der Wahrheit?
Und wer glaubt dieſe Geſchichte, und freut ſich nicht der
immer überflieſſenden Kraft Jeſus? Und der Huld, die
jeden Schrecken in Freude, jedes Zittern in Dankſagung,
jedes unheilbare Uebel in daurende Geſundheit verwan-
deln kann! Ach! wer giebt uns Einfalt und Glauben?
Wer nimmt hin unſer Klügeln, und giebt uns wahre
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 108[128]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/136>, abgerufen am 21.11.2024.
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