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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Das gewaltleidende Reich Gottes.
lieder gesungen, und ihr wolltet nicht trauern.
Johannes ist kommen, aß nicht und trank nicht;
So sagen sie: Er hat den Teufel. Des Men-
schen Sohn ist kommen; Der isset und trinket;
So sagen sie: Siehe! Wie ist der Mensch ein
Fresser und ein Weinsaufer, der Zöllner und
Sünder Geselle! Und die Weisheit muß sich
rechtfertigen lassen von ihren Kindern. Da
fieng Er an die Städte zu schelten, in welchen
am meisten seiner Thaten geschehen waren, und
hatten sich doch nicht gebessert: Wehe dir, Cho-
tazin! Wehe dir, Bethsaida! Wären solche Tha-
ten zu Tyro und Sydon geschehen, als bey euch
geschehen sind; Sie hätten vor Zeiten im Sack und
in der Asche Buße gethan. Doch, Ich sage euch:
Es wird Tyro und Sydon am jüngsten Gericht er-
träglicher ergehen, denn euch. -- Und du, Ca-
pernaum, die du bist erhaben bis an den Him-
mel! Du wirst bis in die Hölle hinunter gestos-
sen werden. Denn so zu Sodoma die Thaten
geschehen wären, die bey dir geschehen sind, so
stünde sie noch heutigen Tages. Doch, Ich sa-
ge euch: Es wird der Sodomer Land erträg-
licher ergehen, am jüngsten Gerichte, denn dir.

Ich habe diese Stelle ganz hergesetzt, weil sie, wie
mich dünkt, in Einem Odem, Einem Sinn und Geiste
ansgesprochen ward; Weil sie besonders über das et-
was dunkle, oft mißverstandene Anfangswort -- das

Him-
K 3

Das gewaltleidende Reich Gottes.
lieder geſungen, und ihr wolltet nicht trauern.
Johannes iſt kommen, aß nicht und trank nicht;
So ſagen ſie: Er hat den Teufel. Des Men-
ſchen Sohn iſt kommen; Der iſſet und trinket;
So ſagen ſie: Siehe! Wie iſt der Menſch ein
Freſſer und ein Weinſaufer, der Zöllner und
Sünder Geſelle! Und die Weisheit muß ſich
rechtfertigen laſſen von ihren Kindern. Da
fieng Er an die Städte zu ſchelten, in welchen
am meiſten ſeiner Thaten geſchehen waren, und
hatten ſich doch nicht gebeſſert: Wehe dir, Cho-
tazin! Wehe dir, Bethſaida! Wären ſolche Tha-
ten zu Tyro und Sydon geſchehen, als bey euch
geſchehen ſind; Sie hätten vor Zeiten im Sack und
in der Aſche Buße gethan. Doch, Ich ſage euch:
Es wird Tyro und Sydon am jüngſten Gericht er-
träglicher ergehen, denn euch. — Und du, Ca-
pernaum, die du biſt erhaben bis an den Him-
mel! Du wirſt bis in die Hölle hinunter geſtoſ-
ſen werden. Denn ſo zu Sodoma die Thaten
geſchehen wären, die bey dir geſchehen ſind, ſo
ſtünde ſie noch heutigen Tages. Doch, Ich ſa-
ge euch: Es wird der Sodomer Land erträg-
licher ergehen, am jüngſten Gerichte, denn dir.

Ich habe dieſe Stelle ganz hergeſetzt, weil ſie, wie
mich dünkt, in Einem Odem, Einem Sinn und Geiſte
ansgeſprochen ward; Weil ſie beſonders über das et-
was dunkle, oft mißverſtandene Anfangswort — das

Him-
K 3
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[149[169]/0177] Das gewaltleidende Reich Gottes. lieder geſungen, und ihr wolltet nicht trauern. Johannes iſt kommen, aß nicht und trank nicht; So ſagen ſie: Er hat den Teufel. Des Men- ſchen Sohn iſt kommen; Der iſſet und trinket; So ſagen ſie: Siehe! Wie iſt der Menſch ein Freſſer und ein Weinſaufer, der Zöllner und Sünder Geſelle! Und die Weisheit muß ſich rechtfertigen laſſen von ihren Kindern. Da fieng Er an die Städte zu ſchelten, in welchen am meiſten ſeiner Thaten geſchehen waren, und hatten ſich doch nicht gebeſſert: Wehe dir, Cho- tazin! Wehe dir, Bethſaida! Wären ſolche Tha- ten zu Tyro und Sydon geſchehen, als bey euch geſchehen ſind; Sie hätten vor Zeiten im Sack und in der Aſche Buße gethan. Doch, Ich ſage euch: Es wird Tyro und Sydon am jüngſten Gericht er- träglicher ergehen, denn euch. — Und du, Ca- pernaum, die du biſt erhaben bis an den Him- mel! Du wirſt bis in die Hölle hinunter geſtoſ- ſen werden. Denn ſo zu Sodoma die Thaten geſchehen wären, die bey dir geſchehen ſind, ſo ſtünde ſie noch heutigen Tages. Doch, Ich ſa- ge euch: Es wird der Sodomer Land erträg- licher ergehen, am jüngſten Gerichte, denn dir. Ich habe dieſe Stelle ganz hergeſetzt, weil ſie, wie mich dünkt, in Einem Odem, Einem Sinn und Geiſte ansgeſprochen ward; Weil ſie beſonders über das et- was dunkle, oft mißverſtandene Anfangswort — das Him- K 3

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 149[169]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/177>, abgerufen am 01.09.2024.