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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus XII.
Zweck machen ist die grösste und allgemeinste al-
ler Tohrheiten.
Es ist kein Gesetz den Menschen ge-
geben, das nicht Mittel zur Glückseeligkeit sey. Wär's
anders, so wär's nicht die Weisheit, nicht die Güte, die
es gegeben hätte; Sondern Zwang und Tyranney. Der
Mensch, die Wohlfahrt des Menschen ist der Zweck al-
ler weisen und guten -- wie vielmehr aller göttlichen Ge-
setze. Wer diesen Geist der göttlichen Gesetze nicht kennt,
der wird immer im Aberglauben und ängstlichen Wesen
herumtappen. Es war eine Hauptabsicht unsers Herrn,
den Sclaven des Buchstabens den Geist der göttlichen
Geseze aufzuschliessen. Der Sabbath, und so jedes
göttliche Gesez, ist um des Menschen willen; Nicht
der Mensch um des Sabbaths,
um des Gesetzes
willen! Wie reinvernünftig sprach die ewige Weisheit in
Menschengestalt! Wer kann dich hassen, du selbstständi-
ge persönliche Vernunft, ohn' erst aller Vernunft zu flu-
chen? Wer hat je weiser gesprochen? Je bey einzelen
Gelegenheiten allgemeinere Aufschlüsse über den Geist der
Anstalten, Geseze und Thaten Gottes gegeben? --

Wie also soll der Sabbath mitgefeyrt werden? --
Wie erfüllen wir den Geist des Gesetzes vom Sabbathe,
von dessen buchstäblicher Gewalt uns Christus erlöset
hat? -- Wenn wir am Sabbathe Gutes thun. Kein
Sonntag gehe uns ohne irgend eine Gottgefällige gute
That vorüber! So laßt uns den Sonntag heiligen,
wie Christus den Sabbath. Er, der Sabbathschän-
der
hieß bey unerleuchteten engherzigen, von der Mensch-
lichkeit so fernen Menschen -- war in Gottes Augen

der

Matthäus XII.
Zweck machen iſt die gröſſte und allgemeinſte al-
ler Tohrheiten.
Es iſt kein Geſetz den Menſchen ge-
geben, das nicht Mittel zur Glückſeeligkeit ſey. Wär’s
anders, ſo wär’s nicht die Weisheit, nicht die Güte, die
es gegeben hätte; Sondern Zwang und Tyranney. Der
Menſch, die Wohlfahrt des Menſchen iſt der Zweck al-
ler weiſen und guten — wie vielmehr aller göttlichen Ge-
ſetze. Wer dieſen Geiſt der göttlichen Geſetze nicht kennt,
der wird immer im Aberglauben und ängſtlichen Weſen
herumtappen. Es war eine Hauptabſicht unſers Herrn,
den Sclaven des Buchſtabens den Geiſt der göttlichen
Geſeze aufzuſchlieſſen. Der Sabbath, und ſo jedes
göttliche Geſez, iſt um des Menſchen willen; Nicht
der Menſch um des Sabbaths,
um des Geſetzes
willen! Wie reinvernünftig ſprach die ewige Weisheit in
Menſchengeſtalt! Wer kann dich haſſen, du ſelbſtſtändi-
ge perſönliche Vernunft, ohn’ erſt aller Vernunft zu flu-
chen? Wer hat je weiſer geſprochen? Je bey einzelen
Gelegenheiten allgemeinere Aufſchlüſſe über den Geiſt der
Anſtalten, Geſeze und Thaten Gottes gegeben? —

Wie alſo ſoll der Sabbath mitgefeyrt werden? —
Wie erfüllen wir den Geiſt des Geſetzes vom Sabbathe,
von deſſen buchſtäblicher Gewalt uns Chriſtus erlöſet
hat? — Wenn wir am Sabbathe Gutes thun. Kein
Sonntag gehe uns ohne irgend eine Gottgefällige gute
That vorüber! So laßt uns den Sonntag heiligen,
wie Chriſtus den Sabbath. Er, der Sabbathſchän-
der
hieß bey unerleuchteten engherzigen, von der Menſch-
lichkeit ſo fernen Menſchen — war in Gottes Augen

der
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[158[178]/0186] Matthäus XII. Zweck machen iſt die gröſſte und allgemeinſte al- ler Tohrheiten. Es iſt kein Geſetz den Menſchen ge- geben, das nicht Mittel zur Glückſeeligkeit ſey. Wär’s anders, ſo wär’s nicht die Weisheit, nicht die Güte, die es gegeben hätte; Sondern Zwang und Tyranney. Der Menſch, die Wohlfahrt des Menſchen iſt der Zweck al- ler weiſen und guten — wie vielmehr aller göttlichen Ge- ſetze. Wer dieſen Geiſt der göttlichen Geſetze nicht kennt, der wird immer im Aberglauben und ängſtlichen Weſen herumtappen. Es war eine Hauptabſicht unſers Herrn, den Sclaven des Buchſtabens den Geiſt der göttlichen Geſeze aufzuſchlieſſen. Der Sabbath, und ſo jedes göttliche Geſez, iſt um des Menſchen willen; Nicht der Menſch um des Sabbaths, um des Geſetzes willen! Wie reinvernünftig ſprach die ewige Weisheit in Menſchengeſtalt! Wer kann dich haſſen, du ſelbſtſtändi- ge perſönliche Vernunft, ohn’ erſt aller Vernunft zu flu- chen? Wer hat je weiſer geſprochen? Je bey einzelen Gelegenheiten allgemeinere Aufſchlüſſe über den Geiſt der Anſtalten, Geſeze und Thaten Gottes gegeben? — Wie alſo ſoll der Sabbath mitgefeyrt werden? — Wie erfüllen wir den Geiſt des Geſetzes vom Sabbathe, von deſſen buchſtäblicher Gewalt uns Chriſtus erlöſet hat? — Wenn wir am Sabbathe Gutes thun. Kein Sonntag gehe uns ohne irgend eine Gottgefällige gute That vorüber! So laßt uns den Sonntag heiligen, wie Chriſtus den Sabbath. Er, der Sabbathſchän- der hieß bey unerleuchteten engherzigen, von der Menſch- lichkeit ſo fernen Menſchen — war in Gottes Augen der

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 158[178]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/186>, abgerufen am 27.11.2024.