Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Matthäus XVII.
Rechenschaft geben. Darum lasset uns nicht
mehr einer dem andern richten, sondern richtet
vielmehr
(euch selbst) daß niemand seinem Bruder
einen Anstoß oder Aergerniß darstelle. Ich weiß,
und bin es gewiß in dem Herrn Jesu,
(durch
Ihn und durch die Erleuchtung feines Geistes) --
daß Nicht's gemein ist an ihm selbst -- Grosser
Aufschluß, den wir dem Evangelium zu danken haben.
-- Alles ist gut -- Nichts ist an sich selbst verächtlich
oder gemein -- ohne dem, der es rechnet für ge-
mein -- demselben ist es gemein. So aber dein
Bruder über deine Weise betrübet wird, so wan-
delst du schon nicht nach der Liebe.
Wenn du et-
was issest, das du nach deinem freyern Gewissen essen
darfst, wodurch aber dein schwächerer Bruder gekränkt,
oder gar verführt wird, es auch zu essen, und damit
wider seine eigene Ueberzeugung zu handeln, und sich
Betrübniß und Angst zuzuziehen; So hast du die Pflich-
ten brüderlicher Liebe verletzt. Lieber! Verderbe den
nicht mit deiner Weise, um welches willen Chri-
stus gestorben ist.
(Um dieses einzigen Wortes wil-
len, wer mögte dem erhabenen Apostel nicht die Hände
küssen! Welch ein unbeschreiblicher Werth wird dadurch
auf jeden einzelnen Christen gelegt -- Kränke durch
nichts keinen Menschen, der in den Augen Christus
so theuer ist, daß Er sich für ihn und um seinetwillen
tödten ließ) darum schaffet, daß euer Schatz, euer
Gutes
(euere christliche Freyheit) nicht verlästert
werde;
(daß euere Gewissensfreyheit nicht in verach-

tende

Matthäus XVII.
Rechenſchaft geben. Darum laſſet uns nicht
mehr einer dem andern richten, ſondern richtet
vielmehr
(euch ſelbſt) daß niemand ſeinem Bruder
einen Anſtoß oder Aergerniß darſtelle. Ich weiß,
und bin es gewiß in dem Herrn Jeſu,
(durch
Ihn und durch die Erleuchtung feines Geiſtes) —
daß Nicht’s gemein iſt an ihm ſelbſt — Groſſer
Aufſchluß, den wir dem Evangelium zu danken haben.
— Alles iſt gut — Nichts iſt an ſich ſelbſt verächtlich
oder gemein — ohne dem, der es rechnet für ge-
mein — demſelben iſt es gemein. So aber dein
Bruder über deine Weiſe betrübet wird, ſo wan-
delſt du ſchon nicht nach der Liebe.
Wenn du et-
was iſſeſt, das du nach deinem freyern Gewiſſen eſſen
darfſt, wodurch aber dein ſchwächerer Bruder gekränkt,
oder gar verführt wird, es auch zu eſſen, und damit
wider ſeine eigene Ueberzeugung zu handeln, und ſich
Betrübniß und Angſt zuzuziehen; So haſt du die Pflich-
ten brüderlicher Liebe verletzt. Lieber! Verderbe den
nicht mit deiner Weiſe, um welches willen Chri-
ſtus geſtorben iſt.
(Um dieſes einzigen Wortes wil-
len, wer mögte dem erhabenen Apoſtel nicht die Hände
küſſen! Welch ein unbeſchreiblicher Werth wird dadurch
auf jeden einzelnen Chriſten gelegt — Kränke durch
nichts keinen Menſchen, der in den Augen Chriſtus
ſo theuer iſt, daß Er ſich für ihn und um ſeinetwillen
tödten ließ) darum ſchaffet, daß euer Schatz, euer
Gutes
(euere chriſtliche Freyheit) nicht verläſtert
werde;
(daß euere Gewiſſensfreyheit nicht in verach-

tende
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0278" n="250[270]"/><fw place="top" type="header">Matthäus <hi rendition="#aq">XVII.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Rechen&#x017F;chaft geben. Darum la&#x017F;&#x017F;et uns nicht<lb/>
mehr einer dem andern richten, &#x017F;ondern richtet<lb/>
vielmehr</hi> (euch &#x017F;elb&#x017F;t) <hi rendition="#fr">daß niemand &#x017F;einem Bruder<lb/>
einen An&#x017F;toß oder Aergerniß dar&#x017F;telle. Ich weiß,<lb/>
und bin es gewiß in dem Herrn Je&#x017F;u,</hi> (durch<lb/>
Ihn und durch die Erleuchtung feines Gei&#x017F;tes) &#x2014;<lb/><hi rendition="#fr">daß Nicht&#x2019;s gemein i&#x017F;t an ihm &#x017F;elb&#x017F;t</hi> &#x2014; Gro&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Auf&#x017F;chluß, den wir dem Evangelium zu danken haben.<lb/>
&#x2014; Alles i&#x017F;t gut &#x2014; Nichts i&#x017F;t an &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t verächtlich<lb/>
oder gemein &#x2014; <hi rendition="#fr">ohne dem, der es rechnet für ge-<lb/>
mein &#x2014; dem&#x017F;elben i&#x017F;t es gemein. So aber dein<lb/>
Bruder über deine Wei&#x017F;e betrübet wird, &#x017F;o wan-<lb/>
del&#x017F;t du &#x017F;chon nicht nach der Liebe.</hi> Wenn du et-<lb/>
was i&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t, das du nach deinem freyern Gewi&#x017F;&#x017F;en e&#x017F;&#x017F;en<lb/>
darf&#x017F;t, wodurch aber dein &#x017F;chwächerer Bruder gekränkt,<lb/>
oder gar verführt wird, es auch zu e&#x017F;&#x017F;en, und damit<lb/>
wider &#x017F;eine eigene Ueberzeugung zu handeln, und &#x017F;ich<lb/>
Betrübniß und Ang&#x017F;t zuzuziehen; So ha&#x017F;t du die Pflich-<lb/>
ten brüderlicher Liebe verletzt. <hi rendition="#fr">Lieber! Verderbe den<lb/>
nicht mit deiner Wei&#x017F;e, um welches willen Chri-<lb/>
&#x017F;tus ge&#x017F;torben i&#x017F;t.</hi> (Um die&#x017F;es einzigen Wortes wil-<lb/>
len, wer mögte dem erhabenen Apo&#x017F;tel nicht die Hände<lb/>&#x017F;&#x017F;en! Welch ein unbe&#x017F;chreiblicher Werth wird dadurch<lb/>
auf jeden einzelnen Chri&#x017F;ten gelegt &#x2014; Kränke durch<lb/>
nichts keinen Men&#x017F;chen, der in den Augen <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tus</hi><lb/>
&#x017F;o theuer i&#x017F;t, daß Er &#x017F;ich für ihn und um &#x017F;einetwillen<lb/>
tödten ließ) <hi rendition="#fr">darum &#x017F;chaffet, daß euer Schatz, euer<lb/>
Gutes</hi> (euere chri&#x017F;tliche Freyheit) <hi rendition="#fr">nicht verlä&#x017F;tert<lb/>
werde;</hi> (daß euere Gewi&#x017F;&#x017F;ensfreyheit nicht in verach-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tende</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[250[270]/0278] Matthäus XVII. Rechenſchaft geben. Darum laſſet uns nicht mehr einer dem andern richten, ſondern richtet vielmehr (euch ſelbſt) daß niemand ſeinem Bruder einen Anſtoß oder Aergerniß darſtelle. Ich weiß, und bin es gewiß in dem Herrn Jeſu, (durch Ihn und durch die Erleuchtung feines Geiſtes) — daß Nicht’s gemein iſt an ihm ſelbſt — Groſſer Aufſchluß, den wir dem Evangelium zu danken haben. — Alles iſt gut — Nichts iſt an ſich ſelbſt verächtlich oder gemein — ohne dem, der es rechnet für ge- mein — demſelben iſt es gemein. So aber dein Bruder über deine Weiſe betrübet wird, ſo wan- delſt du ſchon nicht nach der Liebe. Wenn du et- was iſſeſt, das du nach deinem freyern Gewiſſen eſſen darfſt, wodurch aber dein ſchwächerer Bruder gekränkt, oder gar verführt wird, es auch zu eſſen, und damit wider ſeine eigene Ueberzeugung zu handeln, und ſich Betrübniß und Angſt zuzuziehen; So haſt du die Pflich- ten brüderlicher Liebe verletzt. Lieber! Verderbe den nicht mit deiner Weiſe, um welches willen Chri- ſtus geſtorben iſt. (Um dieſes einzigen Wortes wil- len, wer mögte dem erhabenen Apoſtel nicht die Hände küſſen! Welch ein unbeſchreiblicher Werth wird dadurch auf jeden einzelnen Chriſten gelegt — Kränke durch nichts keinen Menſchen, der in den Augen Chriſtus ſo theuer iſt, daß Er ſich für ihn und um ſeinetwillen tödten ließ) darum ſchaffet, daß euer Schatz, euer Gutes (euere chriſtliche Freyheit) nicht verläſtert werde; (daß euere Gewiſſensfreyheit nicht in verach- tende

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/278
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 250[270]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/278>, abgerufen am 27.07.2024.