Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Matthäus I.
alles in Ihm sich findet, was in allen guten, grossen, ein-
zelnen Menschen zerstreuet sich fand -- und das sowohl
in Ansehung seines Charakters, als seines Schicksals
-- der wird kein Wort mehr drüber verlicren -- Ob ge-
wisse Stellen nur accommodirt oder angewandt seyn? --
Denn das ist auffallend, und dem Freunde der Wahrheit
unendlich wichtig: Daß Alles Gute, Göttliche, Grosse,
was von Menschen und von Gott gesagt werden
kann, von Ihm und Ihm allein, zugleich gesagt wer-
den kann. Dieser Gedanke verdiente wohl ein besonde-
res Buch, und vielleicht ist nichts, das dem Sucher
der Wahrheit mehr Freude und Gewißheit brächte, als
Versuche -- Was sich alles von Christo sagen lasse? Al-
les auf Ihn allein zugleich anwenden lasse? Alles sich
in Ihm vereinige?

Man durchgehe, zum Beyspiel, einmal alle hundert
und funfzig Psalmen, und ziehe alles aus, was der Dich-
ter von sich, (in so fern er nicht als Sünder spricht)
von seinen Schicksalen, seinen Hofnungen sagt --
Man stelle alles zusammen, was er von dem guten Cha-
rakter und Schicksalen anderer sagt. Was er von
Gott und über Gott sagt -- alles, alles -- läßt sich,
nach der Aehnlichkeit dessen, was das Neue Testament
ausdrücklich von Ihm behauptet, von Christus sagen --
Sonst von keinem Könige, keinem Helden, keinem Se-
her, keinem Weisen -- kurz, weder von irgend einem
Gott, noch irgend einem Menschen. Alles, alles zu-
sammen und zugleich,
was sich von Christus, wenn
die evangelische Geschichte wahr ist, sagen lässt.

Nur

Matthäus I.
alles in Ihm ſich findet, was in allen guten, groſſen, ein-
zelnen Menſchen zerſtreuet ſich fand — und das ſowohl
in Anſehung ſeines Charakters, als ſeines Schickſals
— der wird kein Wort mehr drüber verlicren — Ob ge-
wiſſe Stellen nur accommodirt oder angewandt ſeyn? —
Denn das iſt auffallend, und dem Freunde der Wahrheit
unendlich wichtig: Daß Alles Gute, Göttliche, Groſſe,
was von Menſchen und von Gott geſagt werden
kann, von Ihm und Ihm allein, zugleich geſagt wer-
den kann. Dieſer Gedanke verdiente wohl ein beſonde-
res Buch, und vielleicht iſt nichts, das dem Sucher
der Wahrheit mehr Freude und Gewißheit brächte, als
Verſuche — Was ſich alles von Chriſto ſagen laſſe? Al-
les auf Ihn allein zugleich anwenden laſſe? Alles ſich
in Ihm vereinige?

Man durchgehe, zum Beyſpiel, einmal alle hundert
und funfzig Pſalmen, und ziehe alles aus, was der Dich-
ter von ſich, (in ſo fern er nicht als Sünder ſpricht)
von ſeinen Schickſalen, ſeinen Hofnungen ſagt —
Man ſtelle alles zuſammen, was er von dem guten Cha-
rakter und Schickſalen anderer ſagt. Was er von
Gott und über Gott ſagt — alles, alles — läßt ſich,
nach der Aehnlichkeit deſſen, was das Neue Teſtament
ausdrücklich von Ihm behauptet, von Chriſtus ſagen —
Sonſt von keinem Könige, keinem Helden, keinem Se-
her, keinem Weiſen — kurz, weder von irgend einem
Gott, noch irgend einem Menſchen. Alles, alles zu-
ſammen und zugleich,
was ſich von Chriſtus, wenn
die evangeliſche Geſchichte wahr iſt, ſagen läſſt.

Nur
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0036" n="8[28]"/><fw place="top" type="header">Matthäus <hi rendition="#aq">I.</hi></fw><lb/>
alles in Ihm &#x017F;ich findet, was in allen guten, gro&#x017F;&#x017F;en, ein-<lb/>
zelnen Men&#x017F;chen zer&#x017F;treuet &#x017F;ich fand &#x2014; und das &#x017F;owohl<lb/>
in An&#x017F;ehung &#x017F;eines <hi rendition="#fr">Charakters,</hi> als &#x017F;eines <hi rendition="#fr">Schick&#x017F;als</hi><lb/>
&#x2014; der wird kein Wort mehr drüber verlicren &#x2014; Ob ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e Stellen nur accommodirt oder angewandt &#x017F;eyn? &#x2014;<lb/>
Denn das i&#x017F;t auffallend, und dem Freunde der Wahrheit<lb/>
unendlich wichtig: Daß <hi rendition="#fr">Alles</hi> Gute, Göttliche, Gro&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
was von <hi rendition="#fr">Men&#x017F;chen</hi> und von <hi rendition="#fr">Gott</hi> ge&#x017F;agt werden<lb/>
kann, von <hi rendition="#fr">Ihm</hi> und Ihm <hi rendition="#fr">allein,</hi> zugleich ge&#x017F;agt wer-<lb/>
den kann. Die&#x017F;er Gedanke verdiente wohl ein be&#x017F;onde-<lb/>
res Buch, und vielleicht i&#x017F;t nichts, das dem <hi rendition="#fr">Sucher</hi><lb/>
der Wahrheit mehr Freude und Gewißheit brächte, als<lb/>
Ver&#x017F;uche &#x2014; Was &#x017F;ich alles von Chri&#x017F;to &#x017F;agen la&#x017F;&#x017F;e? Al-<lb/>
les auf Ihn allein zugleich anwenden la&#x017F;&#x017F;e? Alles &#x017F;ich<lb/>
in Ihm vereinige?</p><lb/>
            <p>Man durchgehe, zum Bey&#x017F;piel, einmal alle hundert<lb/>
und funfzig P&#x017F;almen, und ziehe alles aus, was der Dich-<lb/>
ter von <hi rendition="#fr">&#x017F;ich,</hi> (in &#x017F;o fern er nicht als <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Sünder</hi></hi> &#x017F;pricht)<lb/>
von &#x017F;einen <hi rendition="#fr">Schick&#x017F;alen,</hi> &#x017F;einen <hi rendition="#fr">Hofnungen</hi> &#x017F;agt &#x2014;<lb/>
Man &#x017F;telle alles zu&#x017F;ammen, was er von dem guten Cha-<lb/>
rakter und Schick&#x017F;alen anderer &#x017F;agt. Was er von<lb/><hi rendition="#fr">Gott</hi> und <hi rendition="#fr">über</hi> Gott &#x017F;agt &#x2014; alles, alles &#x2014; läßt &#x017F;ich,<lb/>
nach der Aehnlichkeit de&#x017F;&#x017F;en, was das Neue Te&#x017F;tament<lb/>
ausdrücklich von Ihm behauptet, von Chri&#x017F;tus &#x017F;agen &#x2014;<lb/>
Son&#x017F;t von keinem Könige, keinem Helden, keinem Se-<lb/>
her, keinem Wei&#x017F;en &#x2014; kurz, weder von irgend einem<lb/>
Gott, noch irgend einem Men&#x017F;chen. <hi rendition="#fr">Alles, alles zu-<lb/>
&#x017F;ammen und zugleich,</hi> was &#x017F;ich von <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tus,</hi> wenn<lb/>
die evangeli&#x017F;che Ge&#x017F;chichte wahr i&#x017F;t, &#x017F;agen lä&#x017F;&#x017F;t.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Nur</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8[28]/0036] Matthäus I. alles in Ihm ſich findet, was in allen guten, groſſen, ein- zelnen Menſchen zerſtreuet ſich fand — und das ſowohl in Anſehung ſeines Charakters, als ſeines Schickſals — der wird kein Wort mehr drüber verlicren — Ob ge- wiſſe Stellen nur accommodirt oder angewandt ſeyn? — Denn das iſt auffallend, und dem Freunde der Wahrheit unendlich wichtig: Daß Alles Gute, Göttliche, Groſſe, was von Menſchen und von Gott geſagt werden kann, von Ihm und Ihm allein, zugleich geſagt wer- den kann. Dieſer Gedanke verdiente wohl ein beſonde- res Buch, und vielleicht iſt nichts, das dem Sucher der Wahrheit mehr Freude und Gewißheit brächte, als Verſuche — Was ſich alles von Chriſto ſagen laſſe? Al- les auf Ihn allein zugleich anwenden laſſe? Alles ſich in Ihm vereinige? Man durchgehe, zum Beyſpiel, einmal alle hundert und funfzig Pſalmen, und ziehe alles aus, was der Dich- ter von ſich, (in ſo fern er nicht als Sünder ſpricht) von ſeinen Schickſalen, ſeinen Hofnungen ſagt — Man ſtelle alles zuſammen, was er von dem guten Cha- rakter und Schickſalen anderer ſagt. Was er von Gott und über Gott ſagt — alles, alles — läßt ſich, nach der Aehnlichkeit deſſen, was das Neue Teſtament ausdrücklich von Ihm behauptet, von Chriſtus ſagen — Sonſt von keinem Könige, keinem Helden, keinem Se- her, keinem Weiſen — kurz, weder von irgend einem Gott, noch irgend einem Menſchen. Alles, alles zu- ſammen und zugleich, was ſich von Chriſtus, wenn die evangeliſche Geſchichte wahr iſt, ſagen läſſt. Nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/36
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 8[28]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/36>, abgerufen am 23.11.2024.