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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus XXV.

Bestimmte Ankündigung eines allgemeinen, öffent-
lichen, peremtorischen Gerichtstages, wo dieselbe Per-
son, die damahls noch in schwacher irrdischer Gestalt
herumwandelte, sich unläugbar und allmächtig als den
Beherrscher der Welt zeigen, wo das Schicksak aller
Guten und aller Bösen durch Sie unwiederruflich ent-
schieden werden soll. Eben derjenige, der als Menschen-
sohn
lebte und starb und sich diesen verächtlichen Namen
im erhabensten Sinne beylegte, wird sich auf die herr-
lichste, glänzendeste Art als Gottessohn, als den be-
vollmächtigsten Stellvertreter Gottes zeigen, und in die-
ser Gestalt Belohnungen und Strafen austheilen, und
die Knoten und Verwirrungen dieses Lebens auflösen.
Alsdenn wird die allgemeine Sönderung der Menschen
erfolgen. Gute werden zu Guten, und Böse zu Bösen
gestellt werden. Jeder wird mit demjenigen verbunden
werden, dem er am ähnlichsten war. Sanftmuth, De-
muth, Unschuld wird aus der drückenden Nähe des Has-
ses, des Stolzes, des Eigensinns weggehoben und in
die erquickende seelige Nähe der gleichgesinnten versetzt --
werden. Der Haß, der Stolz, die Leidenschaft wird
sich zu seines gleichen verbannt, und dadurch allein schon
fürchterlich bestraft sehen. Und alle Welten, alle hö-
heren, reinen Mächte werden Zeugen von dieser öffentli-
chen Entscheidung und Sönderung seyn.

2. Dann wird der König, (der gleiche der sich
im 31. v. Menschensohn nannte) denen zu sei-
ner Rechten sagen: Kommet her, ihr Gebene-
deyte meines Vaters, ererbet das Reich, das

euch
Matthäus XXV.

Beſtimmte Ankündigung eines allgemeinen, öffent-
lichen, peremtoriſchen Gerichtstages, wo dieſelbe Per-
ſon, die damahls noch in ſchwacher irrdiſcher Geſtalt
herumwandelte, ſich unläugbar und allmächtig als den
Beherrſcher der Welt zeigen, wo das Schickſak aller
Guten und aller Böſen durch Sie unwiederruflich ent-
ſchieden werden ſoll. Eben derjenige, der als Menſchen-
ſohn
lebte und ſtarb und ſich dieſen verächtlichen Namen
im erhabenſten Sinne beylegte, wird ſich auf die herr-
lichſte, glänzendeſte Art als Gottesſohn, als den be-
vollmächtigſten Stellvertreter Gottes zeigen, und in die-
ſer Geſtalt Belohnungen und Strafen austheilen, und
die Knoten und Verwirrungen dieſes Lebens auflöſen.
Alsdenn wird die allgemeine Sönderung der Menſchen
erfolgen. Gute werden zu Guten, und Böſe zu Böſen
geſtellt werden. Jeder wird mit demjenigen verbunden
werden, dem er am ähnlichſten war. Sanftmuth, De-
muth, Unſchuld wird aus der drückenden Nähe des Haſ-
ſes, des Stolzes, des Eigenſinns weggehoben und in
die erquickende ſeelige Nähe der gleichgeſinnten verſetzt —
werden. Der Haß, der Stolz, die Leidenſchaft wird
ſich zu ſeines gleichen verbannt, und dadurch allein ſchon
fürchterlich beſtraft ſehen. Und alle Welten, alle hö-
heren, reinen Mächte werden Zeugen von dieſer öffentli-
chen Entſcheidung und Sönderung ſeyn.

2. Dann wird der König, (der gleiche der ſich
im 31. v. Menſchenſohn nannte) denen zu ſei-
ner Rechten ſagen: Kommet her, ihr Gebene-
deyte meines Vaters, ererbet das Reich, das

euch
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[434[454]/0462] Matthäus XXV. Beſtimmte Ankündigung eines allgemeinen, öffent- lichen, peremtoriſchen Gerichtstages, wo dieſelbe Per- ſon, die damahls noch in ſchwacher irrdiſcher Geſtalt herumwandelte, ſich unläugbar und allmächtig als den Beherrſcher der Welt zeigen, wo das Schickſak aller Guten und aller Böſen durch Sie unwiederruflich ent- ſchieden werden ſoll. Eben derjenige, der als Menſchen- ſohn lebte und ſtarb und ſich dieſen verächtlichen Namen im erhabenſten Sinne beylegte, wird ſich auf die herr- lichſte, glänzendeſte Art als Gottesſohn, als den be- vollmächtigſten Stellvertreter Gottes zeigen, und in die- ſer Geſtalt Belohnungen und Strafen austheilen, und die Knoten und Verwirrungen dieſes Lebens auflöſen. Alsdenn wird die allgemeine Sönderung der Menſchen erfolgen. Gute werden zu Guten, und Böſe zu Böſen geſtellt werden. Jeder wird mit demjenigen verbunden werden, dem er am ähnlichſten war. Sanftmuth, De- muth, Unſchuld wird aus der drückenden Nähe des Haſ- ſes, des Stolzes, des Eigenſinns weggehoben und in die erquickende ſeelige Nähe der gleichgeſinnten verſetzt — werden. Der Haß, der Stolz, die Leidenſchaft wird ſich zu ſeines gleichen verbannt, und dadurch allein ſchon fürchterlich beſtraft ſehen. Und alle Welten, alle hö- heren, reinen Mächte werden Zeugen von dieſer öffentli- chen Entſcheidung und Sönderung ſeyn. 2. Dann wird der König, (der gleiche der ſich im 31. v. Menſchenſohn nannte) denen zu ſei- ner Rechten ſagen: Kommet her, ihr Gebene- deyte meines Vaters, ererbet das Reich, das euch

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 434[454]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/462>, abgerufen am 27.07.2024.