Anmelden (DTAQ)

DWDS dlexDB CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

Matthäus XXVI.

Jesus aber sprach zu ihm: Mein Freund! War-
um bist du kommen? Da traten sie hinzu, leg-
ten die Hände an Jesum, und griffen Ihn.

Umsonst hatte der Schwehrbeladene einige Erleich-
terung bey seinen Freunden gesucht. Sie waren selbst
mit Bekümmerniß und Schlafe belastet, und ob sie
gleich mehrmals von Ihm erweckt wurden -- damit sie
wenigstens einige Minuten Zeugen und Theilnehmer an
seiner unbeschreiblichen Angst würden; So versanken sie
dennoch bald wieder unter der Last der Müdigkeit und
des Schmerzens...

Endlich hatte Er sich zur Ruhe durchgekämpft
-- Endlich hatte Er's dazu gebracht, dem nähesten
Leiden mit Gelassenheit, ja heldenhafter Heiterkeit ent-
gegen zu gehen -- Er hört das Geräusche der kom-
menden Schaar, deren Absicht und Vorhaben Ihm
nicht verborgen seyn konnte. Nun ist's Ihm zuerst
um die Sicherheit und Errettung seiner Jünger zu thun
-- Es sollte, auch in diesem Sinne, keiner von de-
nen, die Ihm der Vater gegeben hatte, verloh-
ren gehen. Der Hirt stand für die Schaafe -- "Es
&q;ist keine Zeit mehr zu schlafen! Lieben! Erwacht! Der
&q;Feind ist da! Der Verräther kommt! Ich werde den
&q;Händen der Heiden überliefert werden! Was Ich so
&q;oft vorgesagt habe, wird geschehen; Geschiehet! Er-
&q;wacht!"

Und Judas ist wirklich da; Da an der Spitze ei-
ner bewafneten Schaar. Das ausgesuchteste, ehrlose-

ste

Matthäus XXVI.

Jeſus aber ſprach zu ihm: Mein Freund! War-
um biſt du kommen? Da traten ſie hinzu, leg-
ten die Hände an Jeſum, und griffen Ihn.

Umſonſt hatte der Schwehrbeladene einige Erleich-
terung bey ſeinen Freunden geſucht. Sie waren ſelbſt
mit Bekümmerniß und Schlafe belaſtet, und ob ſie
gleich mehrmals von Ihm erweckt wurden — damit ſie
wenigſtens einige Minuten Zeugen und Theilnehmer an
ſeiner unbeſchreiblichen Angſt würden; So verſanken ſie
dennoch bald wieder unter der Laſt der Müdigkeit und
des Schmerzens...

Endlich hatte Er ſich zur Ruhe durchgekämpft
— Endlich hatte Er’s dazu gebracht, dem näheſten
Leiden mit Gelaſſenheit, ja heldenhafter Heiterkeit ent-
gegen zu gehen — Er hört das Geräuſche der kom-
menden Schaar, deren Abſicht und Vorhaben Ihm
nicht verborgen ſeyn konnte. Nun iſt’s Ihm zuerſt
um die Sicherheit und Errettung ſeiner Jünger zu thun
— Es ſollte, auch in dieſem Sinne, keiner von de-
nen, die Ihm der Vater gegeben hatte, verloh-
ren gehen. Der Hirt ſtand für die Schaafe — „Es
&q;iſt keine Zeit mehr zu ſchlafen! Lieben! Erwacht! Der
&q;Feind iſt da! Der Verräther kommt! Ich werde den
&q;Händen der Heiden überliefert werden! Was Ich ſo
&q;oft vorgeſagt habe, wird geſchehen; Geſchiehet! Er-
&q;wacht!„

Und Judas iſt wirklich da; Da an der Spitze ei-
ner bewafneten Schaar. Das ausgeſuchteſte, ehrloſe-

ſte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0496" n="468[488]"/>
              <fw place="top" type="header">Matthäus <hi rendition="#aq">XXVI.</hi></fw><lb/> <hi rendition="#fr">Je&#x017F;us aber &#x017F;prach zu ihm: Mein Freund! War-<lb/>
um bi&#x017F;t du kommen? Da traten &#x017F;ie hinzu, leg-<lb/>
ten die Hände an Je&#x017F;um, und griffen Ihn.</hi> </p><lb/>
            <p>Um&#x017F;on&#x017F;t hatte der Schwehrbeladene einige Erleich-<lb/>
terung bey &#x017F;einen Freunden ge&#x017F;ucht. Sie waren &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
mit Bekümmerniß und Schlafe bela&#x017F;tet, und ob &#x017F;ie<lb/>
gleich mehrmals von Ihm erweckt wurden &#x2014; damit &#x017F;ie<lb/>
wenig&#x017F;tens einige Minuten Zeugen und Theilnehmer an<lb/>
&#x017F;einer unbe&#x017F;chreiblichen Ang&#x017F;t würden; So ver&#x017F;anken &#x017F;ie<lb/>
dennoch bald wieder unter der La&#x017F;t der Müdigkeit und<lb/>
des Schmerzens...</p><lb/>
            <p>Endlich hatte Er &#x017F;ich zur Ruhe durchgekämpft<lb/>
&#x2014; Endlich hatte Er&#x2019;s dazu gebracht, dem nähe&#x017F;ten<lb/>
Leiden mit Gela&#x017F;&#x017F;enheit, ja heldenhafter Heiterkeit ent-<lb/>
gegen zu gehen &#x2014; Er hört das Geräu&#x017F;che der kom-<lb/>
menden Schaar, deren Ab&#x017F;icht und Vorhaben Ihm<lb/>
nicht verborgen &#x017F;eyn konnte. Nun i&#x017F;t&#x2019;s Ihm zuer&#x017F;t<lb/>
um die Sicherheit und Errettung &#x017F;einer Jünger zu thun<lb/>
&#x2014; <hi rendition="#fr">Es &#x017F;ollte,</hi> auch in die&#x017F;em Sinne, <hi rendition="#fr">keiner von de-<lb/>
nen, die Ihm der Vater gegeben hatte, verloh-<lb/>
ren gehen.</hi> Der Hirt &#x017F;tand für die Schaafe &#x2014; &#x201E;Es<lb/>
&amp;q;i&#x017F;t keine Zeit mehr zu &#x017F;chlafen! Lieben! Erwacht! Der<lb/>
&amp;q;Feind i&#x017F;t da! Der Verräther kommt! Ich werde den<lb/>
&amp;q;Händen der Heiden überliefert werden! Was Ich &#x017F;o<lb/>
&amp;q;oft vorge&#x017F;agt habe, wird ge&#x017F;chehen; Ge&#x017F;chiehet! Er-<lb/>
&amp;q;wacht!&#x201E;</p><lb/>
            <p>Und <hi rendition="#fr">Judas</hi> i&#x017F;t wirklich da; Da an der Spitze ei-<lb/>
ner bewafneten Schaar. Das ausge&#x017F;uchte&#x017F;te, ehrlo&#x017F;e-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;te</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[468[488]/0496] Matthäus XXVI. Jeſus aber ſprach zu ihm: Mein Freund! War- um biſt du kommen? Da traten ſie hinzu, leg- ten die Hände an Jeſum, und griffen Ihn. Umſonſt hatte der Schwehrbeladene einige Erleich- terung bey ſeinen Freunden geſucht. Sie waren ſelbſt mit Bekümmerniß und Schlafe belaſtet, und ob ſie gleich mehrmals von Ihm erweckt wurden — damit ſie wenigſtens einige Minuten Zeugen und Theilnehmer an ſeiner unbeſchreiblichen Angſt würden; So verſanken ſie dennoch bald wieder unter der Laſt der Müdigkeit und des Schmerzens... Endlich hatte Er ſich zur Ruhe durchgekämpft — Endlich hatte Er’s dazu gebracht, dem näheſten Leiden mit Gelaſſenheit, ja heldenhafter Heiterkeit ent- gegen zu gehen — Er hört das Geräuſche der kom- menden Schaar, deren Abſicht und Vorhaben Ihm nicht verborgen ſeyn konnte. Nun iſt’s Ihm zuerſt um die Sicherheit und Errettung ſeiner Jünger zu thun — Es ſollte, auch in dieſem Sinne, keiner von de- nen, die Ihm der Vater gegeben hatte, verloh- ren gehen. Der Hirt ſtand für die Schaafe — „Es &q;iſt keine Zeit mehr zu ſchlafen! Lieben! Erwacht! Der &q;Feind iſt da! Der Verräther kommt! Ich werde den &q;Händen der Heiden überliefert werden! Was Ich ſo &q;oft vorgeſagt habe, wird geſchehen; Geſchiehet! Er- &q;wacht!„ Und Judas iſt wirklich da; Da an der Spitze ei- ner bewafneten Schaar. Das ausgeſuchteſte, ehrloſe- ſte

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): Distributed under the Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0 License.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription

Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/496
Zitationshilfe:	Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 468[488]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/496>, abgerufen am 27.07.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.