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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus V.
schau nicht seitwärts, nicht zurück. Gieb mit der
leisesten Einfalt! So bald gegeben ist, weg von dem
Gegebenen deine Gedanken! Denk und thu geschwind
etwas ander! Calculire nicht mehr! Ein Wohlthun
hänge sich an's andere! Geben verdränge Geben und den
Gedanken an's Gegebene -- Gieb bisweilen, wenn du
kannst, so geheim, so leise, daß, wenn deine linke Hand
lauter Aug und Ohr wäre, daß sie nichts davon merk-
te, daß du sie zum Besten haben könntest! Ha! So
eines Gebers freut sich Gott im Himmel! Das giebt
Engeln Stoff zu einem Herzfrohen Gespräche, wo tau-
send unbezahlbare Anekdoten und liebliche Geschichten
zusammengetragen werden, daß eine Freudenthräne die
andere schlägt --

32.
Vater im Verborgenen.
Matth.
VI. 4.

Dein Vater, der ins Verborgene siehet, wird
dir's vergelten öffentlich. Er
selber mögte die Freu-
de haben, es zu erzählen und zu belohnen. Habe keine
Sorge, daß du so geheim Gutes thun könnest, daß
Er's nicht merke, obgleich Er, mögt' ich sagen, bis-
weilen so diskret ist, die Augen ein wenig wegzuwenden
und dir den Gedanken zu nehmen -- "Ich habe gege-
"ben." So gleich thut Er etwas für dich auf die Sei-
te, wenn du so in Einfalt und hinterrück's deiner selbst
was gegeben hast, wofür dir von keiner Menschen-Lippe
Dank wird -- Destomehr Dank von Ihm, dem Va-
ter, daß er sich von dem Danker stellen mögte, als wüßt'

Er

Matthäus V.
ſchau nicht ſeitwärts, nicht zurück. Gieb mit der
leiſeſten Einfalt! So bald gegeben iſt, weg von dem
Gegebenen deine Gedanken! Denk und thu geſchwind
etwas ander! Calculire nicht mehr! Ein Wohlthun
hänge ſich an’s andere! Geben verdränge Geben und den
Gedanken an’s Gegebene — Gieb bisweilen, wenn du
kannſt, ſo geheim, ſo leiſe, daß, wenn deine linke Hand
lauter Aug und Ohr wäre, daß ſie nichts davon merk-
te, daß du ſie zum Beſten haben könnteſt! Ha! So
eines Gebers freut ſich Gott im Himmel! Das giebt
Engeln Stoff zu einem Herzfrohen Geſpräche, wo tau-
ſend unbezahlbare Anekdoten und liebliche Geſchichten
zuſammengetragen werden, daß eine Freudenthräne die
andere ſchlägt —

32.
Vater im Verborgenen.
Matth.
VI. 4.

Dein Vater, der ins Verborgene ſiehet, wird
dir’s vergelten öffentlich. Er
ſelber mögte die Freu-
de haben, es zu erzählen und zu belohnen. Habe keine
Sorge, daß du ſo geheim Gutes thun könneſt, daß
Er’s nicht merke, obgleich Er, mögt’ ich ſagen, bis-
weilen ſo diskret iſt, die Augen ein wenig wegzuwenden
und dir den Gedanken zu nehmen — „Ich habe gege-
„ben.„ So gleich thut Er etwas für dich auf die Sei-
te, wenn du ſo in Einfalt und hinterrück’s deiner ſelbſt
was gegeben haſt, wofür dir von keiner Menſchen-Lippe
Dank wird — Deſtomehr Dank von Ihm, dem Va-
ter, daß er ſich von dem Danker ſtellen mögte, als wüßt’

Er
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[26[46]/0054] Matthäus V. ſchau nicht ſeitwärts, nicht zurück. Gieb mit der leiſeſten Einfalt! So bald gegeben iſt, weg von dem Gegebenen deine Gedanken! Denk und thu geſchwind etwas ander! Calculire nicht mehr! Ein Wohlthun hänge ſich an’s andere! Geben verdränge Geben und den Gedanken an’s Gegebene — Gieb bisweilen, wenn du kannſt, ſo geheim, ſo leiſe, daß, wenn deine linke Hand lauter Aug und Ohr wäre, daß ſie nichts davon merk- te, daß du ſie zum Beſten haben könnteſt! Ha! So eines Gebers freut ſich Gott im Himmel! Das giebt Engeln Stoff zu einem Herzfrohen Geſpräche, wo tau- ſend unbezahlbare Anekdoten und liebliche Geſchichten zuſammengetragen werden, daß eine Freudenthräne die andere ſchlägt — 32. Vater im Verborgenen. Dein Vater, der ins Verborgene ſiehet, wird dir’s vergelten öffentlich. Er ſelber mögte die Freu- de haben, es zu erzählen und zu belohnen. Habe keine Sorge, daß du ſo geheim Gutes thun könneſt, daß Er’s nicht merke, obgleich Er, mögt’ ich ſagen, bis- weilen ſo diskret iſt, die Augen ein wenig wegzuwenden und dir den Gedanken zu nehmen — „Ich habe gege- „ben.„ So gleich thut Er etwas für dich auf die Sei- te, wenn du ſo in Einfalt und hinterrück’s deiner ſelbſt was gegeben haſt, wofür dir von keiner Menſchen-Lippe Dank wird — Deſtomehr Dank von Ihm, dem Va- ter, daß er ſich von dem Danker ſtellen mögte, als wüßt’ Er

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 26[46]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/54>, abgerufen am 21.11.2024.