das nicht vielmehr Euch thun, o Ihr Klein- gläubigen. -- Es ist nur Unaufmerksamkeit auf das, was vor unsern Augen liegt. Unser Aug will nie still stehn und betrachten. Nie den Maßstab neh- men wollen wir, uns mit allem andern zu messen, was um uns und unter uns ist. O welche Quellen der Ruhe, der frohmüthigsten Zufriedenheit würden sich uns allenthalben eröffnen -- alles so herrlich! So unbe- schreiblich schön! So kraftvoll! So Lebensvoll alles! -- Das unbeträchtlichste, das dem Untergange so nahe, dem Feuer bestimmte -- so bald verwelkte, und zertretne Gras, so ein Innbegrif mannichfaltiger Kräfte, so ein unvergeßner Gegenstand der göttlichen Aufsicht -- -- Und du Mensch! König der Erde! Herr der Schöpfung! Du -- das größte -- so kleingläubig, so ängstlich du -- der alles mit Blicken der Freude ansehen, alles so froh und frey, wie der Herr, wie der Erbe des Hauses geniessen sollte. --
42. Heydnische Sorge.
Nach solchen Dingen trachten die Heyden.Matth. VI. 32. Der Jünger Christi ist froh und angstlos, wie sein Herr. Der Herr aller leblosen und lebenden Naturen ist sein Vater. Der hat nichts umsonst, hat alles für den Menschen erschaffen; Ihm alles unterwerfen -- alles, was ist, hat Beziehung auf alle seine wirkliche, oder mögliche, gegenwärtige und künftige Bedürfnisse. Wie mehr wir die Natur und den Reichthum ihrer Produkte mit unsern Bedürfnissen vergleichen, desto mehr müssen
wir
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Heydniſche Sorge.
das nicht vielmehr Euch thun, o Ihr Klein- gläubigen. — Es iſt nur Unaufmerkſamkeit auf das, was vor unſern Augen liegt. Unſer Aug will nie ſtill ſtehn und betrachten. Nie den Maßſtab neh- men wollen wir, uns mit allem andern zu meſſen, was um uns und unter uns iſt. O welche Quellen der Ruhe, der frohmüthigſten Zufriedenheit würden ſich uns allenthalben eröffnen — alles ſo herrlich! So unbe- ſchreiblich ſchön! So kraftvoll! So Lebensvoll alles! — Das unbeträchtlichſte, das dem Untergange ſo nahe, dem Feuer beſtimmte — ſo bald verwelkte, und zertretne Gras, ſo ein Innbegrif mannichfaltiger Kräfte, ſo ein unvergeßner Gegenſtand der göttlichen Aufſicht — — Und du Menſch! König der Erde! Herr der Schöpfung! Du — das größte — ſo kleingläubig, ſo ängſtlich du — der alles mit Blicken der Freude anſehen, alles ſo froh und frey, wie der Herr, wie der Erbe des Hauſes genieſſen ſollte. —
42. Heydniſche Sorge.
Nach ſolchen Dingen trachten die Heyden.Matth. VI. 32. Der Jünger Chriſti iſt froh und angſtlos, wie ſein Herr. Der Herr aller lebloſen und lebenden Naturen iſt ſein Vater. Der hat nichts umſonſt, hat alles für den Menſchen erſchaffen; Ihm alles unterwerfen — alles, was iſt, hat Beziehung auf alle ſeine wirkliche, oder mögliche, gegenwärtige und künftige Bedürfniſſe. Wie mehr wir die Natur und den Reichthum ihrer Produkte mit unſern Bedürfniſſen vergleichen, deſto mehr müſſen
wir
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[37[57]/0065]
Heydniſche Sorge.
das nicht vielmehr Euch thun, o Ihr Klein-
gläubigen. — Es iſt nur Unaufmerkſamkeit auf
das, was vor unſern Augen liegt. Unſer Aug will
nie ſtill ſtehn und betrachten. Nie den Maßſtab neh-
men wollen wir, uns mit allem andern zu meſſen,
was um uns und unter uns iſt. O welche Quellen der
Ruhe, der frohmüthigſten Zufriedenheit würden ſich uns
allenthalben eröffnen — alles ſo herrlich! So unbe-
ſchreiblich ſchön! So kraftvoll! So Lebensvoll alles! —
Das unbeträchtlichſte, das dem Untergange ſo nahe, dem
Feuer beſtimmte — ſo bald verwelkte, und zertretne
Gras, ſo ein Innbegrif mannichfaltiger Kräfte, ſo ein
unvergeßner Gegenſtand der göttlichen Aufſicht — —
Und du Menſch! König der Erde! Herr der Schöpfung!
Du — das größte — ſo kleingläubig, ſo ängſtlich du
— der alles mit Blicken der Freude anſehen, alles ſo
froh und frey, wie der Herr, wie der Erbe des Hauſes
genieſſen ſollte. —
42.
Heydniſche Sorge.
Nach ſolchen Dingen trachten die Heyden.
Der Jünger Chriſti iſt froh und angſtlos, wie ſein Herr.
Der Herr aller lebloſen und lebenden Naturen iſt ſein
Vater. Der hat nichts umſonſt, hat alles für den
Menſchen erſchaffen; Ihm alles unterwerfen — alles,
was iſt, hat Beziehung auf alle ſeine wirkliche, oder
mögliche, gegenwärtige und künftige Bedürfniſſe. Wie
mehr wir die Natur und den Reichthum ihrer Produkte
mit unſern Bedürfniſſen vergleichen, deſto mehr müſſen
wir
Matth. VI.
32.
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 37[57]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/65>, abgerufen am 16.02.2025.
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