der, an den wir uns wenden, Willen und Macht ha- be, uns zur Befriedigung dieses Bedürfnisses behülflich zu seyn. Ohne diese beyde Empfindungen giebt es kei- ne vernünftige ächte Bitte. Alles, was diese beyde Empfindungen nicht in sich vereinigt, ist nicht Bitte -- hat höchstens nur den Schein einer Bitte.
Unter Millionen sogenannten Bitten, die man Gott täglich darzubringen meynt, ist kaum Eine -- die wahre Bitte ist -- Resultat, Erfolg, Wirkung eines wahren Bedürfnisses, eines innern Drangs, ver- bunden mit kindlicher Zuversicht in den festen, nie ver- änderlichen Willen und die immer gleiche, nie erschöpf- te, nie erschöpfbare Macht des Vaters im Himmel -- und das ist der wahre, der auffallende Grund von der äussersten Seltenheit entscheidender Gebeths Erhörungen.
So gar der Mensch, der nicht helfen will, aber zu helfen Macht hat, kann durch anhaltendes Bitten, das heißt durch Gefühl der Bedürfnisse und der Zu- versicht des andern erweicht werden, helfen zu wol- len. Den Bitten, den dringenden Bitten eines stark- gläubigen Menschen kann auch der Bösewicht nicht wi- derstehen. Auch der Richter, der sich vor Gott nicht fürchtet, und vor den Menschen nicht scheur, giebt endlich nach. Sollte dann Gott -- o du theu- res, mit keinen Thränen würdig aufzufassendes Got- teswort! -- Sollte dann Gott -- Gott -- seinem Lieblingen nicht Rettung schaffen? Der Allmäch- tige nicht können, was der Ohnmächtige? Der allerbeste
nicht
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Bitten.
der, an den wir uns wenden, Willen und Macht ha- be, uns zur Befriedigung dieſes Bedürfniſſes behülflich zu ſeyn. Ohne dieſe beyde Empfindungen giebt es kei- ne vernünftige ächte Bitte. Alles, was dieſe beyde Empfindungen nicht in ſich vereinigt, iſt nicht Bitte — hat höchſtens nur den Schein einer Bitte.
Unter Millionen ſogenannten Bitten, die man Gott täglich darzubringen meynt, iſt kaum Eine — die wahre Bitte iſt — Reſultat, Erfolg, Wirkung eines wahren Bedürfniſſes, eines innern Drangs, ver- bunden mit kindlicher Zuverſicht in den feſten, nie ver- änderlichen Willen und die immer gleiche, nie erſchöpf- te, nie erſchöpfbare Macht des Vaters im Himmel — und das iſt der wahre, der auffallende Grund von der äuſſerſten Seltenheit entſcheidender Gebeths Erhörungen.
So gar der Menſch, der nicht helfen will, aber zu helfen Macht hat, kann durch anhaltendes Bitten, das heißt durch Gefühl der Bedürfniſſe und der Zu- verſicht des andern erweicht werden, helfen zu wol- len. Den Bitten, den dringenden Bitten eines ſtark- gläubigen Menſchen kann auch der Böſewicht nicht wi- derſtehen. Auch der Richter, der ſich vor Gott nicht fürchtet, und vor den Menſchen nicht ſcheur, giebt endlich nach. Sollte dann Gott — o du theu- res, mit keinen Thränen würdig aufzufaſſendes Got- teswort! — Sollte dann Gott — Gott — ſeinem Lieblingen nicht Rettung ſchaffen? Der Allmäch- tige nicht können, was der Ohnmächtige? Der allerbeſte
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[49[69]/0077]
Bitten.
der, an den wir uns wenden, Willen und Macht ha-
be, uns zur Befriedigung dieſes Bedürfniſſes behülflich
zu ſeyn. Ohne dieſe beyde Empfindungen giebt es kei-
ne vernünftige ächte Bitte. Alles, was dieſe beyde
Empfindungen nicht in ſich vereinigt, iſt nicht Bitte
— hat höchſtens nur den Schein einer Bitte.
Unter Millionen ſogenannten Bitten, die man
Gott täglich darzubringen meynt, iſt kaum Eine —
die wahre Bitte iſt — Reſultat, Erfolg, Wirkung
eines wahren Bedürfniſſes, eines innern Drangs, ver-
bunden mit kindlicher Zuverſicht in den feſten, nie ver-
änderlichen Willen und die immer gleiche, nie erſchöpf-
te, nie erſchöpfbare Macht des Vaters im Himmel —
und das iſt der wahre, der auffallende Grund von der
äuſſerſten Seltenheit entſcheidender Gebeths Erhörungen.
So gar der Menſch, der nicht helfen will, aber
zu helfen Macht hat, kann durch anhaltendes Bitten,
das heißt durch Gefühl der Bedürfniſſe und der Zu-
verſicht des andern erweicht werden, helfen zu wol-
len. Den Bitten, den dringenden Bitten eines ſtark-
gläubigen Menſchen kann auch der Böſewicht nicht wi-
derſtehen. Auch der Richter, der ſich vor Gott
nicht fürchtet, und vor den Menſchen nicht ſcheur,
giebt endlich nach. Sollte dann Gott — o du theu-
res, mit keinen Thränen würdig aufzufaſſendes Got-
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 49[69]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/77>, abgerufen am 21.11.2024.
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