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Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778.

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II.

Die Angst meines Herzens ist groß, siehe an mei-
nen Jammer und Elend. Herr, meines Le-
bens, Richter, gerechter und heiliger Richter, ver-
gieb mir alle meine Sünden. Groß ist ihre Zahl,
schrecklich ist vor dir ihr Verdienst. Willt du sie
mir zurechnen, so kann ich nicht bestehen, so muß
ewige Trübsal, Elend und Herzeleid über meine
Seele kommen. Ach was kann ich unter diesem
Jammer hoffen, da mich mein eigen Herze verdam-
met? Vater! ich hoffe darauf, daß du genädig bist,
mein Herz freuet sich, daß du gerne hilfest. Er
hat ja meine Schuld bezahlet, die Strafe meiner
Sünde über sich genommen und mir Gerechtigkeit
und den ewigen Frieden erworben; er, Jesus, dein
Sohn, mein Mittler und Bürge. Um seines Ver-
dienstes willen, gehe nicht mit mir ins Gerichte, wie
ich es verdiene. Um seines Blutes willen, vergos-
sen vor die sündigende Welt, errette mein Leben vom
Verderben und kröne mich mit ewiger Gnade und
Barmherzigkeit. Amen.

III.

Sey mir nur nicht schrecklich, Allmächtiger! sey
mir nur nicht schrecklich in dieser meiner Noth.
Zum Grabe und zur Verwesung eilet die nichtige
Hütte, die mein Geist bishero bewohnet hat. Vor
dich wird meine Seele gefordert, daß sie Rechnung
thue von dem ganzen Laufe meines Lebens hienieden.
Herr, ich weiß es, ich habe vielmals gesündiget
und übel gethan für dir. Was kann ich erwarten,
wenn du mich züchtigen willst nach den strengen For-
derungen deiner Gerechtigkeit? Ewiglich muß mich
deine Gegenwart schrecken, und mir das Bewußt-

seyn
II.

Die Angſt meines Herzens iſt groß, ſiehe an mei-
nen Jammer und Elend. Herr, meines Le-
bens, Richter, gerechter und heiliger Richter, ver-
gieb mir alle meine Sünden. Groß iſt ihre Zahl,
ſchrecklich iſt vor dir ihr Verdienſt. Willt du ſie
mir zurechnen, ſo kann ich nicht beſtehen, ſo muß
ewige Trübſal, Elend und Herzeleid über meine
Seele kommen. Ach was kann ich unter dieſem
Jammer hoffen, da mich mein eigen Herze verdam-
met? Vater! ich hoffe darauf, daß du genädig biſt,
mein Herz freuet ſich, daß du gerne hilfeſt. Er
hat ja meine Schuld bezahlet, die Strafe meiner
Sünde über ſich genommen und mir Gerechtigkeit
und den ewigen Frieden erworben; er, Jeſus, dein
Sohn, mein Mittler und Bürge. Um ſeines Ver-
dienſtes willen, gehe nicht mit mir ins Gerichte, wie
ich es verdiene. Um ſeines Blutes willen, vergoſ-
ſen vor die ſündigende Welt, errette mein Leben vom
Verderben und kröne mich mit ewiger Gnade und
Barmherzigkeit. Amen.

III.

Sey mir nur nicht ſchrecklich, Allmächtiger! ſey
mir nur nicht ſchrecklich in dieſer meiner Noth.
Zum Grabe und zur Verweſung eilet die nichtige
Hütte, die mein Geiſt bishero bewohnet hat. Vor
dich wird meine Seele gefordert, daß ſie Rechnung
thue von dem ganzen Laufe meines Lebens hienieden.
Herr, ich weiß es, ich habe vielmals geſündiget
und übel gethan für dir. Was kann ich erwarten,
wenn du mich züchtigen willſt nach den ſtrengen For-
derungen deiner Gerechtigkeit? Ewiglich muß mich
deine Gegenwart ſchrecken, und mir das Bewußt-

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[107/0109] II. Die Angſt meines Herzens iſt groß, ſiehe an mei- nen Jammer und Elend. Herr, meines Le- bens, Richter, gerechter und heiliger Richter, ver- gieb mir alle meine Sünden. Groß iſt ihre Zahl, ſchrecklich iſt vor dir ihr Verdienſt. Willt du ſie mir zurechnen, ſo kann ich nicht beſtehen, ſo muß ewige Trübſal, Elend und Herzeleid über meine Seele kommen. Ach was kann ich unter dieſem Jammer hoffen, da mich mein eigen Herze verdam- met? Vater! ich hoffe darauf, daß du genädig biſt, mein Herz freuet ſich, daß du gerne hilfeſt. Er hat ja meine Schuld bezahlet, die Strafe meiner Sünde über ſich genommen und mir Gerechtigkeit und den ewigen Frieden erworben; er, Jeſus, dein Sohn, mein Mittler und Bürge. Um ſeines Ver- dienſtes willen, gehe nicht mit mir ins Gerichte, wie ich es verdiene. Um ſeines Blutes willen, vergoſ- ſen vor die ſündigende Welt, errette mein Leben vom Verderben und kröne mich mit ewiger Gnade und Barmherzigkeit. Amen. III. Sey mir nur nicht ſchrecklich, Allmächtiger! ſey mir nur nicht ſchrecklich in dieſer meiner Noth. Zum Grabe und zur Verweſung eilet die nichtige Hütte, die mein Geiſt bishero bewohnet hat. Vor dich wird meine Seele gefordert, daß ſie Rechnung thue von dem ganzen Laufe meines Lebens hienieden. Herr, ich weiß es, ich habe vielmals geſündiget und übel gethan für dir. Was kann ich erwarten, wenn du mich züchtigen willſt nach den ſtrengen For- derungen deiner Gerechtigkeit? Ewiglich muß mich deine Gegenwart ſchrecken, und mir das Bewußt- ſeyn

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_sammlung_1778/109>, abgerufen am 26.06.2024.