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Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778.

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Erbarmung und Liebe von uns ab. Den Früch-
ten des Feldes und der Gärten verleihe gedeilichen
Wachsthum, daß wir, was zu unserer und andern
Nahrung dienet, reichlich einerndten. Den Noth-
leidenden, Dürftigen, Kranken und Sterbenden
erfreue deine Hülfe zu rechter Zeit, damit er sage
von deiner Güte und dich rühme ewiglich. Herr
sey uns gnädig und segne uns. Dein Amlitz leuchte
über uns von nun an bis in Ewigkeit. Amen.

Am Fest der Erscheinung der Weisen
aus Morgenland vor dem neugebornen
Erlöser Jesu.

Nein Herr Jesu! wir würden nicht sehen, was zu
unserm Frieden dienet, wenn uns nicht das
Licht erleuchtete, das du uns in deinem göttlich geof-
fenbarten Worte gegönnet hast. Finsterniß und
Zweifel beunruhigte den geschärftesten Verstand der
Weisesten unter den Heiden, und wie konnte der
Wille, zu unverletztem Dienst der Tugend, und
muthigen Kampf gegen das Böse, bey so großer
Unwissenheit, heilig belebt seyn. Wie unglücklich
ist der Mensch, der dich nicht kennet, von Gott ge-
machet zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heili-
gung und zur Erlösung. Er fühlet nur eine tödtende
Furcht des Gewissens, und doch siehet er seine Ge-
brechen und Sünden nicht so, wie er sie kennen
muß, daß er zu redlicher Buße geleitet werde. Er
hat etwa Hoffnung auf Gnade, weil der Nichter
aller Welt gütig ist, und überall die Merkmale
väterlicher Liebe ausbreitet; aber nichts gewisses,
nichts zuversichtliches kann sein Herz hoffen, das
ihn gegen alle Anfechtungen und Unruhe sicher

stellte.

Erbarmung und Liebe von uns ab. Den Früch-
ten des Feldes und der Gärten verleihe gedeilichen
Wachsthum, daß wir, was zu unſerer und andern
Nahrung dienet, reichlich einerndten. Den Noth-
leidenden, Dürftigen, Kranken und Sterbenden
erfreue deine Hülfe zu rechter Zeit, damit er ſage
von deiner Güte und dich rühme ewiglich. Herr
ſey uns gnädig und ſegne uns. Dein Amlitz leuchte
über uns von nun an bis in Ewigkeit. Amen.

Am Feſt der Erſcheinung der Weiſen
aus Morgenland vor dem neugebornen
Erlöſer Jeſu.

Nein Herr Jeſu! wir würden nicht ſehen, was zu
unſerm Frieden dienet, wenn uns nicht das
Licht erleuchtete, das du uns in deinem göttlich geof-
fenbarten Worte gegönnet haſt. Finſterniß und
Zweifel beunruhigte den geſchärfteſten Verſtand der
Weiſeſten unter den Heiden, und wie konnte der
Wille, zu unverletztem Dienſt der Tugend, und
muthigen Kampf gegen das Böſe, bey ſo großer
Unwiſſenheit, heilig belebt ſeyn. Wie unglücklich
iſt der Menſch, der dich nicht kennet, von Gott ge-
machet zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heili-
gung und zur Erlöſung. Er fühlet nur eine tödtende
Furcht des Gewiſſens, und doch ſiehet er ſeine Ge-
brechen und Sünden nicht ſo, wie er ſie kennen
muß, daß er zu redlicher Buße geleitet werde. Er
hat etwa Hoffnung auf Gnade, weil der Nichter
aller Welt gütig iſt, und überall die Merkmale
väterlicher Liebe ausbreitet; aber nichts gewiſſes,
nichts zuverſichtliches kann ſein Herz hoffen, das
ihn gegen alle Anfechtungen und Unruhe ſicher

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[95/0097] Erbarmung und Liebe von uns ab. Den Früch- ten des Feldes und der Gärten verleihe gedeilichen Wachsthum, daß wir, was zu unſerer und andern Nahrung dienet, reichlich einerndten. Den Noth- leidenden, Dürftigen, Kranken und Sterbenden erfreue deine Hülfe zu rechter Zeit, damit er ſage von deiner Güte und dich rühme ewiglich. Herr ſey uns gnädig und ſegne uns. Dein Amlitz leuchte über uns von nun an bis in Ewigkeit. Amen. Am Feſt der Erſcheinung der Weiſen aus Morgenland vor dem neugebornen Erlöſer Jeſu. Nein Herr Jeſu! wir würden nicht ſehen, was zu unſerm Frieden dienet, wenn uns nicht das Licht erleuchtete, das du uns in deinem göttlich geof- fenbarten Worte gegönnet haſt. Finſterniß und Zweifel beunruhigte den geſchärfteſten Verſtand der Weiſeſten unter den Heiden, und wie konnte der Wille, zu unverletztem Dienſt der Tugend, und muthigen Kampf gegen das Böſe, bey ſo großer Unwiſſenheit, heilig belebt ſeyn. Wie unglücklich iſt der Menſch, der dich nicht kennet, von Gott ge- machet zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heili- gung und zur Erlöſung. Er fühlet nur eine tödtende Furcht des Gewiſſens, und doch ſiehet er ſeine Ge- brechen und Sünden nicht ſo, wie er ſie kennen muß, daß er zu redlicher Buße geleitet werde. Er hat etwa Hoffnung auf Gnade, weil der Nichter aller Welt gütig iſt, und überall die Merkmale väterlicher Liebe ausbreitet; aber nichts gewiſſes, nichts zuverſichtliches kann ſein Herz hoffen, das ihn gegen alle Anfechtungen und Unruhe ſicher ſtellte.

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_sammlung_1778/97>, abgerufen am 18.06.2024.