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Lehmann, Rudolf: Deutsche Poetik. München, 1908.

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Angeschaute, durchgeführte Metapher würde, wie Th. A. Meyer S. 56 sehr ple_090.002
richtig bemerkt, ins drastisch Komische führen. [Annotation]

Man denke etwa an ple_090.003
Walther von der Vogelweides Gedicht: ple_090.004
Mir ist verspart der saelden tor, ple_090.005
da sten ich als ein weise vor, ple_090.006
mich hilfet nicht, swaz ich daran geklopfe.
[Annotation]

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Die Übertragung also, ebensowohl wie der ausgeführte Vergleich, trifft ple_090.008
immer nur einzelne Züge des Verglichenen. Dies aber sind zumeist gerade ple_090.009
solche, die an sich schon stark und anschaulich hervortreten und keiner ple_090.010
neuen Veranschaulichung bedürfen. [Annotation]

Wird die majestätische Schönheit ple_090.011
Kriemhilds tatsächlich sinnfälliger, wenn sie mit dem Monde oder der ple_090.012
Morgenröte verglichen wird? [Annotation] Ja, überaus oft werden Bilder zum Vergleich ple_090.013
herangezogen, die unserer sinnlichen Anschauung unzugänglich sind oder ple_090.014
jedenfalls ferner stehen als das Verglichene. [Annotation] Wieviele Hörer der Ilias hatten denn ple_090.015
wohl einen Löwen angreifen, [Annotation] welcher Leser des Nibelungenliedes hat jemals ple_090.016
zwei wilde Panther durch den Klee laufen sehen? [Annotation] Und ist "ein Gebild ple_090.017
aus Himmelshöhen" eine sinnfällige Anschauung? [Annotation] Gerade diese letzten ple_090.018
Beispiele zeigen uns deutlich, worauf es bei Vergleichen und Metaphern ple_090.019
ankommt. Nicht die Anschauung eines Vorgangs soll schärfer ausgeprägt, ple_090.020
sondern der Eindruck, den er macht, soll verstärkt werden und wird es ple_090.021
dadurch, daß die gleiche Empfindung von mehreren Seiten her, von ple_090.022
mehreren Bildern aus hervorgerufen wird. [Annotation] In der Tat in der Metapher ple_090.023
kommt uns das Bild als solches kaum halb zum Bewußtsein; nur der ple_090.024
Gefühlseindruck, die Stimmungsnüance prägt sich deutlich ein. [Annotation] Und von ple_090.025
dem ausgeführten Gleichnis urteilt Gerber sehr richtig, daß durch dasselbe ple_090.026
"zunächst weder ein ausschließlich rhetorisches noch ein bloß ästhetisches ple_090.027
Interesse befriedigt wird", daß es dagegen "je nach seiner Eigentümlichkeit ple_090.028
den Sinn der Rede unter den Einfluß einer gewissen Stimmung stellt" ple_090.029
(a. a. O. S. 110). Daher empfinden wir es zweifellos als Störung, wenn ple_090.030
Homer, worauf gleichfalls Gerber aufmerksam macht, bisweilen mit seinen ple_090.031
Vergleichen die Stimmung durchbricht, statt sie zu verstärken, indem er ple_090.032
sie nämlich aus einer allzu niedrigen Sphäre wählt, wenn er also die ple_090.033
Achäer mit Fliegen vergleicht, die sich auf die Kühe setzen. Diese "Naivetät" ple_090.034
macht uns vielleicht Vergnügen, aber wir empfinden sie trotz aller Anschaulichkeit ple_090.035
als eine ästhetische Schwäche. Dahingegen stört es die künstlerische ple_090.036
Wirkung durchaus nicht, wenn die Metapher oder selbst der Vergleich nicht ple_090.037
zu voller Anschaulichkeit gelangt, falls nur der Eindruck aufs Gefühl stark ple_090.038
und eindeutig ist. [Annotation] Eine der schönsten und wirkungsvollsten Metaphern ple_090.039
unserer deutschen Poesie enthalten die Worte Isabellas in der Braut von ple_090.040
Messina: ple_090.041
Ich rufe die Verwünschungen zurück, ple_090.042
Die ich im blinden Wahnsinn der Verzweiflung ple_090.043
Auf dein geliebtes Haupt herunterrief. ple_090.044
Eine Mutter kann des eignen Busens Kind,

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Angeschaute, durchgeführte Metapher würde, wie Th. A. Meyer S. 56 sehr ple_090.002
richtig bemerkt, ins drastisch Komische führen. [Annotation]

Man denke etwa an ple_090.003
Walther von der Vogelweides Gedicht: ple_090.004
Mir ist verspart der saelden tôr, ple_090.005
da stên ich als ein weise vôr, ple_090.006
mich hilfet nicht, swaz ich daran geklopfe.
[Annotation]

ple_090.007
Die Übertragung also, ebensowohl wie der ausgeführte Vergleich, trifft ple_090.008
immer nur einzelne Züge des Verglichenen. Dies aber sind zumeist gerade ple_090.009
solche, die an sich schon stark und anschaulich hervortreten und keiner ple_090.010
neuen Veranschaulichung bedürfen. [Annotation]

Wird die majestätische Schönheit ple_090.011
Kriemhilds tatsächlich sinnfälliger, wenn sie mit dem Monde oder der ple_090.012
Morgenröte verglichen wird? [Annotation] Ja, überaus oft werden Bilder zum Vergleich ple_090.013
herangezogen, die unserer sinnlichen Anschauung unzugänglich sind oder ple_090.014
jedenfalls ferner stehen als das Verglichene. [Annotation] Wieviele Hörer der Ilias hatten denn ple_090.015
wohl einen Löwen angreifen, [Annotation] welcher Leser des Nibelungenliedes hat jemals ple_090.016
zwei wilde Panther durch den Klee laufen sehen? [Annotation] Und ist „ein Gebild ple_090.017
aus Himmelshöhen“ eine sinnfällige Anschauung? [Annotation] Gerade diese letzten ple_090.018
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ankommt. Nicht die Anschauung eines Vorgangs soll schärfer ausgeprägt, ple_090.020
sondern der Eindruck, den er macht, soll verstärkt werden und wird es ple_090.021
dadurch, daß die gleiche Empfindung von mehreren Seiten her, von ple_090.022
mehreren Bildern aus hervorgerufen wird. [Annotation] In der Tat in der Metapher ple_090.023
kommt uns das Bild als solches kaum halb zum Bewußtsein; nur der ple_090.024
Gefühlseindruck, die Stimmungsnüance prägt sich deutlich ein. [Annotation] Und von ple_090.025
dem ausgeführten Gleichnis urteilt Gerber sehr richtig, daß durch dasselbe ple_090.026
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(a. a. O. S. 110). Daher empfinden wir es zweifellos als Störung, wenn ple_090.030
Homer, worauf gleichfalls Gerber aufmerksam macht, bisweilen mit seinen ple_090.031
Vergleichen die Stimmung durchbricht, statt sie zu verstärken, indem er ple_090.032
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zu voller Anschaulichkeit gelangt, falls nur der Eindruck aufs Gefühl stark ple_090.038
und eindeutig ist. [Annotation] Eine der schönsten und wirkungsvollsten Metaphern ple_090.039
unserer deutschen Poesie enthalten die Worte Isabellas in der Braut von ple_090.040
Messina: ple_090.041
Ich rufe die Verwünschungen zurück, ple_090.042
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[90/0104] ple_090.001 Angeschaute, durchgeführte Metapher würde, wie Th. A. Meyer S. 56 sehr ple_090.002 richtig bemerkt, ins drastisch Komische führen. Quellenangabe/Person: Th. A. Meyer; Werkannahme: Das Stilgesetz der Poesie, Leipzig 1901 Man denke etwa an ple_090.003 Walther von der Vogelweides Gedicht: ple_090.004 Mir ist verspart der saelden tôr, ple_090.005 da stên ich als ein weise vôr, ple_090.006 mich hilfet nicht, swaz ich daran geklopfe. evtl. Wortlaut genau überprüfen: unterschiedliche Versionen? Quellenangabe/Person: Walther v. d. Vogelweide; Quellenannahme? ple_090.007 Die Übertragung also, ebensowohl wie der ausgeführte Vergleich, trifft ple_090.008 immer nur einzelne Züge des Verglichenen. Dies aber sind zumeist gerade ple_090.009 solche, die an sich schon stark und anschaulich hervortreten und keiner ple_090.010 neuen Veranschaulichung bedürfen. Metapher wird hier mögl. als Unterkategorie der Vergleichung im weiteren Sinne, bzw. als Parallelkategorie des 'ausgeführten Vergleichs' (Vergleichung im engeren Sinn) verstanden; letzteres wurde annotiert. Wird die majestätische Schönheit ple_090.011 Kriemhilds tatsächlich sinnfälliger, wenn sie mit dem Monde oder der ple_090.012 Morgenröte verglichen wird? Quellenangabe/Werk: Nibelungenlied Nibelungenlied https://textgridrep.org/browse/-/browse/jn9v_0 Ja, überaus oft werden Bilder zum Vergleich ple_090.013 herangezogen, die unserer sinnlichen Anschauung unzugänglich sind oder ple_090.014 jedenfalls ferner stehen als das Verglichene. Hier wird vermutlich sowohl über die Metapher als auch den Vergleich gesprochen (Parallelkategorien) Wieviele Hörer der Ilias hatten denn ple_090.015 wohl einen Löwen angreifen, welcher Leser des Nibelungenliedes hat jemals ple_090.016 zwei wilde Panther durch den Klee laufen sehen? Quellenangabe/Werk: Nibelungenlied Nibelungenlied https://textgridrep.org/browse/-/browse/jn9v_0 Und ist „ein Gebild ple_090.017 aus Himmelshöhen“ eine sinnfällige Anschauung? Quellenannahme/Werk: Das Lied von der Glocke (Schiller) Friedrich Schiller: Das Lied von der Glocke https://textgridrep.org/browse/-/browse/tws0_0 Gerade diese letzten ple_090.018 Beispiele zeigen uns deutlich, worauf es bei Vergleichen und Metaphern ple_090.019 ankommt. Nicht die Anschauung eines Vorgangs soll schärfer ausgeprägt, ple_090.020 sondern der Eindruck, den er macht, soll verstärkt werden und wird es ple_090.021 dadurch, daß die gleiche Empfindung von mehreren Seiten her, von ple_090.022 mehreren Bildern aus hervorgerufen wird. In der Tat in der Metapher ple_090.023 kommt uns das Bild als solches kaum halb zum Bewußtsein; nur der ple_090.024 Gefühlseindruck, die Stimmungsnüance prägt sich deutlich ein. Und von ple_090.025 dem ausgeführten Gleichnis urteilt Gerber sehr richtig, daß durch dasselbe ple_090.026 „zunächst weder ein ausschließlich rhetorisches noch ein bloß ästhetisches ple_090.027 Interesse befriedigt wird“, daß es dagegen „je nach seiner Eigentümlichkeit ple_090.028 den Sinn der Rede unter den Einfluß einer gewissen Stimmung stellt“ ple_090.029 (a. a. O. S. 110). Daher empfinden wir es zweifellos als Störung, wenn ple_090.030 Homer, worauf gleichfalls Gerber aufmerksam macht, bisweilen mit seinen ple_090.031 Vergleichen die Stimmung durchbricht, statt sie zu verstärken, indem er ple_090.032 sie nämlich aus einer allzu niedrigen Sphäre wählt, wenn er also die ple_090.033 Achäer mit Fliegen vergleicht, die sich auf die Kühe setzen. Diese „Naivetät“ ple_090.034 macht uns vielleicht Vergnügen, aber wir empfinden sie trotz aller Anschaulichkeit ple_090.035 als eine ästhetische Schwäche. Dahingegen stört es die künstlerische ple_090.036 Wirkung durchaus nicht, wenn die Metapher oder selbst der Vergleich nicht ple_090.037 zu voller Anschaulichkeit gelangt, falls nur der Eindruck aufs Gefühl stark ple_090.038 und eindeutig ist. Eine der schönsten und wirkungsvollsten Metaphern ple_090.039 unserer deutschen Poesie enthalten die Worte Isabellas in der Braut von ple_090.040 Messina: ple_090.041 Ich rufe die Verwünschungen zurück, ple_090.042 Die ich im blinden Wahnsinn der Verzweiflung ple_090.043 Auf dein geliebtes Haupt herunterrief. ple_090.044 Eine Mutter kann des eignen Busens Kind,

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Zitationshilfe: Lehmann, Rudolf: Deutsche Poetik. München, 1908, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_poetik_1908/104>, abgerufen am 25.11.2024.