Lehmann, Rudolf: Deutsche Poetik. München, 1908.ple_142.001 ple_142.003 ple_142.012 ple_142.038 1) ple_142.041
Friedrich Spielhagen, Beiträge zur Theorie und Technik des Romans, Leipzig ple_142.042 1883. Neue Beiträge zur Theorie und Technik der Epik und Dramatik, Leipzig 1898. ple_142.001 ple_142.003 ple_142.012 ple_142.038 1) ple_142.041
Friedrich Spielhagen, Beiträge zur Theorie und Technik des Romans, Leipzig ple_142.042 1883. Neue Beiträge zur Theorie und Technik der Epik und Dramatik, Leipzig 1898. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0156" n="142"/><lb n="ple_142.001"/> was in vielen Jahrzehnten über diesen Gegenstand geschrieben ist, zeigt <lb n="ple_142.002"/> sich von dieser Überlieferung nicht frei.<note xml:id="ple_142_1" place="foot" n="1)"><lb n="ple_142.041"/><hi rendition="#k">Friedrich Spielhagen,</hi> Beiträge zur Theorie und Technik des Romans, Leipzig <lb n="ple_142.042"/> 1883. Neue Beiträge zur Theorie und Technik der Epik und Dramatik, Leipzig 1898.</note> </p> <p><lb n="ple_142.003"/> Nun stimmen freilich alle diese Ästhetiker darin überein, daß die <lb n="ple_142.004"/> volkstümliche Epopöe, antike und altdeutsche zusammengenommen, eine <lb n="ple_142.005"/> geschichtlich abgeschlossene Erscheinung sei, die unter modernen Verhältnissen <lb n="ple_142.006"/> sich nicht wiederholen könne. Man sollte daher meinen, daß <lb n="ple_142.007"/> mit den von dort abgeleiteten Gesetzen der Weiterentwicklung der epischen <lb n="ple_142.008"/> Poesie und ihrer Technik nicht vorgegriffen werde, daß die moderne Dichtung <lb n="ple_142.009"/> durch sie weder beherrscht noch erklärt werden könne. Dennoch <lb n="ple_142.010"/> haben jene Anschauungen mannigfache Verwirrung und Trübung in der <lb n="ple_142.011"/> Theorie, ja zum Teil auch in der dichterischen Praxis hervorgebracht.</p> <p><lb n="ple_142.012"/> Die Grundzüge, welche die Lehre vom Wesen des Epos, wie sie <lb n="ple_142.013"/> sich unter den geschilderten Einflüssen gebildet hat, beherrschen und die <lb n="ple_142.014"/> ihren Begründern wie den meisten ihrer späteren Vertreter gemeinsam <lb n="ple_142.015"/> sind, treten zuerst und mit systematischer Klarheit in Wilhelm von Humboldts <lb n="ple_142.016"/> schon mehrfach angeführter Abhandlung über Hermann und <lb n="ple_142.017"/> Dorothea hervor — bis heute der umfassendste und am tiefsten angelegte <lb n="ple_142.018"/> Versuch, das Wesen der epischen Dichtung in seinen letzten Grundzügen <lb n="ple_142.019"/> zu klären. Humboldt unterscheidet (a. a. O. S. 228 ff.) zwei große <lb n="ple_142.020"/> Klassen ästhetischer Zustände oder Stimmungen: „den Zustand allgemeiner <lb n="ple_142.021"/> Beschauung und den einer bestimmten Empfindung“. Auf den zweiten <lb n="ple_142.022"/> führt er die lyrische und die dramatische Poesie zurück; beide gehen <lb n="ple_142.023"/> darauf aus, subjektive Empfindungen oder Mitempfindungen beim Hörer <lb n="ple_142.024"/> oder Zuschauer zu erregen. Die <hi rendition="#g">beschauende</hi> Stimmung des Gemüts <lb n="ple_142.025"/> dagegen ist davon abhängig, daß es sich „zu einer gewissen Höhe über <lb n="ple_142.026"/> seinen Gegenstand erhebt und ihn von da aus gleichsam beherrscht“. <lb n="ple_142.027"/> Diese Höhe der Betrachtung aber kann nur dadurch hervorgebracht werden, <lb n="ple_142.028"/> daß der Blick beständig vom Einzelnen auf das Ganze, den allgemeinen <lb n="ple_142.029"/> Zusammenhang der Dichtung, gerichtet wird. „Aus der Totalität seiner <lb n="ple_142.030"/> Darstellungen muß die Ruhe, die der Epiker bewirkt, hervorgehen, und <lb n="ple_142.031"/> diese Totalität ist also das zweite Erfordernis seiner Gattung.“ Der <lb n="ple_142.032"/> epische Dichter muß unseren Blick „so viel umfassend und allgemein, als <lb n="ple_142.033"/> nur immer möglich, machen, ihn immer auf die ganze Lage der Menschheit <lb n="ple_142.034"/> in der Natur richten“. Andrerseits verlangt das Gemüt in dem Zustand <lb n="ple_142.035"/> der Beschauung ausgeprägteste Gegenständlichkeit; wenn das Objekt <lb n="ple_142.036"/> uns beherrschen soll, so muß es in Gestalt und Bewegung anschauliches <lb n="ple_142.037"/> Leben sein: „Die höchste Objektivität fordert die lebendigste Sinnlichkeit.“</p> <p><lb n="ple_142.038"/> „Objektivität, Parteilosigkeit und Umfang (Totalität der Ansicht) sind <lb n="ple_142.039"/> die Hauptmerkmale der beschauenden Stimmung“, und aus ihnen fließen <lb n="ple_142.040"/> daher die Gesetze der epischen Poesie. In der Tat sind es diese drei </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [142/0156]
ple_142.001
was in vielen Jahrzehnten über diesen Gegenstand geschrieben ist, zeigt ple_142.002
sich von dieser Überlieferung nicht frei. 1)
ple_142.003
Nun stimmen freilich alle diese Ästhetiker darin überein, daß die ple_142.004
volkstümliche Epopöe, antike und altdeutsche zusammengenommen, eine ple_142.005
geschichtlich abgeschlossene Erscheinung sei, die unter modernen Verhältnissen ple_142.006
sich nicht wiederholen könne. Man sollte daher meinen, daß ple_142.007
mit den von dort abgeleiteten Gesetzen der Weiterentwicklung der epischen ple_142.008
Poesie und ihrer Technik nicht vorgegriffen werde, daß die moderne Dichtung ple_142.009
durch sie weder beherrscht noch erklärt werden könne. Dennoch ple_142.010
haben jene Anschauungen mannigfache Verwirrung und Trübung in der ple_142.011
Theorie, ja zum Teil auch in der dichterischen Praxis hervorgebracht.
ple_142.012
Die Grundzüge, welche die Lehre vom Wesen des Epos, wie sie ple_142.013
sich unter den geschilderten Einflüssen gebildet hat, beherrschen und die ple_142.014
ihren Begründern wie den meisten ihrer späteren Vertreter gemeinsam ple_142.015
sind, treten zuerst und mit systematischer Klarheit in Wilhelm von Humboldts ple_142.016
schon mehrfach angeführter Abhandlung über Hermann und ple_142.017
Dorothea hervor — bis heute der umfassendste und am tiefsten angelegte ple_142.018
Versuch, das Wesen der epischen Dichtung in seinen letzten Grundzügen ple_142.019
zu klären. Humboldt unterscheidet (a. a. O. S. 228 ff.) zwei große ple_142.020
Klassen ästhetischer Zustände oder Stimmungen: „den Zustand allgemeiner ple_142.021
Beschauung und den einer bestimmten Empfindung“. Auf den zweiten ple_142.022
führt er die lyrische und die dramatische Poesie zurück; beide gehen ple_142.023
darauf aus, subjektive Empfindungen oder Mitempfindungen beim Hörer ple_142.024
oder Zuschauer zu erregen. Die beschauende Stimmung des Gemüts ple_142.025
dagegen ist davon abhängig, daß es sich „zu einer gewissen Höhe über ple_142.026
seinen Gegenstand erhebt und ihn von da aus gleichsam beherrscht“. ple_142.027
Diese Höhe der Betrachtung aber kann nur dadurch hervorgebracht werden, ple_142.028
daß der Blick beständig vom Einzelnen auf das Ganze, den allgemeinen ple_142.029
Zusammenhang der Dichtung, gerichtet wird. „Aus der Totalität seiner ple_142.030
Darstellungen muß die Ruhe, die der Epiker bewirkt, hervorgehen, und ple_142.031
diese Totalität ist also das zweite Erfordernis seiner Gattung.“ Der ple_142.032
epische Dichter muß unseren Blick „so viel umfassend und allgemein, als ple_142.033
nur immer möglich, machen, ihn immer auf die ganze Lage der Menschheit ple_142.034
in der Natur richten“. Andrerseits verlangt das Gemüt in dem Zustand ple_142.035
der Beschauung ausgeprägteste Gegenständlichkeit; wenn das Objekt ple_142.036
uns beherrschen soll, so muß es in Gestalt und Bewegung anschauliches ple_142.037
Leben sein: „Die höchste Objektivität fordert die lebendigste Sinnlichkeit.“
ple_142.038
„Objektivität, Parteilosigkeit und Umfang (Totalität der Ansicht) sind ple_142.039
die Hauptmerkmale der beschauenden Stimmung“, und aus ihnen fließen ple_142.040
daher die Gesetze der epischen Poesie. In der Tat sind es diese drei
1) ple_142.041
Friedrich Spielhagen, Beiträge zur Theorie und Technik des Romans, Leipzig ple_142.042
1883. Neue Beiträge zur Theorie und Technik der Epik und Dramatik, Leipzig 1898.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |