Lehmann, Rudolf: Deutsche Poetik. München, 1908.ple_008.001 ple_008.015 ple_008.027 1) ple_008.041 Vgl. Justi, Winckelmann und seine Zeit. Teil 1. 2. Aufl. (Leipzig 1898, Bd. I ple_008.042 S. 211 ff.) 2) ple_008.043
Hauptwerk: Charakteristics of men, manners, opinions, times. London 1711. ple_008.001 ple_008.015 ple_008.027 1) ple_008.041 Vgl. Justi, Winckelmann und seine Zeit. Teil 1. 2. Aufl. (Leipzig 1898, Bd. I ple_008.042 S. 211 ff.) 2) ple_008.043
Hauptwerk: Charakteristics of men, manners, opinions, times. London 1711. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0022" n="8"/><lb n="ple_008.001"/> schon auf Winckelmanns ästhetische Begriffe einen tiefergehenden Einfluß <lb n="ple_008.002"/> gehabt hat.<note xml:id="ple_008_1" place="foot" n="1)"><lb n="ple_008.041"/> Vgl. <hi rendition="#k">Justi,</hi> Winckelmann und seine Zeit. Teil 1. 2. Aufl. (Leipzig 1898, Bd. I <lb n="ple_008.042"/> S. 211 ff.)</note> Auch für den englischen Philosophen<note xml:id="ple_008_2" place="foot" n="2)"><lb n="ple_008.043"/> Hauptwerk: Charakteristics of men, manners, opinions, times. London 1711.</note> war das Ideal der <lb n="ple_008.003"/> harmonischen Schönheit der eigentlich bestimmende Begriff, und auch hier <lb n="ple_008.004"/> war er an einem griechischen Vorbilde lebendig geworden. Aber dieses <lb n="ple_008.005"/> Vorbild war Plato, und die Probleme und Anschauungen, von denen <lb n="ple_008.006"/> Shaftesbury ausgeht, sind die der Metaphysik und der Ethik. Er sucht <lb n="ple_008.007"/> das Ideal der Harmonie in der Seele des Menschen und zugleich im <lb n="ple_008.008"/> Kosmos, dessen Abbild sie sein soll. So nimmt dieser Begriff, wiewohl <lb n="ple_008.009"/> er künstlerischer Natur ist, dennoch eine sittliche und metaphysische Bedeutung <lb n="ple_008.010"/> an; er führt über das bloße Formenideal hinaus zu einer Welt- <lb n="ple_008.011"/> und Lebensauffassung, die gleichwohl in innerlicher Übereinstimmung mit <lb n="ple_008.012"/> jener künstlerischen Anschauung steht. Die ideale Kunst, die Winckelmann <lb n="ple_008.013"/> schildert, erscheint nunmehr als die Verkörperung eines sittlichen Ideals, <lb n="ple_008.014"/> wie es Shaftesbury vorgezeichnet hat.</p> <p><lb n="ple_008.015"/> Wir können nun verfolgen, wie die Welt- und Kunstanschauung, die <lb n="ple_008.016"/> aus diesem doppelten Einfluß entspringt, bei Herder, Goethe und Schiller <lb n="ple_008.017"/> geklärte und zugleich mannigfach gesteigerte Gestalt annimmt. Es treten <lb n="ple_008.018"/> noch andere Einflüsse hinzu: Leibniz, Rousseau, Spinoza, Kant. Sie geben <lb n="ple_008.019"/> den schöpferischen Anschauungen der genannten drei Klassiker im einzelnen <lb n="ple_008.020"/> ein verschiedenes Gepräge, und auch persönliche Eigenart scheidet besonders <lb n="ple_008.021"/> die Anschauungsweise Herders und Goethes auf der einen, Schillers <lb n="ple_008.022"/> auf der anderen Seite. Aber über alle individuellen Abweichungen hinweg <lb n="ple_008.023"/> sehen wir deutlich die verbindende Einheit, und wir verfolgen zugleich, <lb n="ple_008.024"/> wie dieselbe zur Grundlage für eine neue Theorie der Dichtkunst wird, <lb n="ple_008.025"/> die zwar nicht systematisch abgeschlossen, aber doch in ihren wesentlichen <lb n="ple_008.026"/> Zügen klar bestimmt und entschieden formuliert wird.</p> <p><lb n="ple_008.027"/> Ihren prägnantesten Ausdruck fand die neue Poetik in den philosophischen <lb n="ple_008.028"/> Schriften <hi rendition="#g">Schillers.</hi> Einerseits lag seiner Art zu denken die <lb n="ple_008.029"/> abstrakte Spekulation über künstlerische Fragen näher als Goethes intuitivem <lb n="ple_008.030"/> Schöpfergeist. Andrerseits beschränkte sich sein Interesse fast ganz <lb n="ple_008.031"/> auf die Dichtung, während <hi rendition="#g">Goethes</hi> Blicke und Gedanken fast ebensosehr <lb n="ple_008.032"/> von der bildenden Kunst in Anspruch genommen waren. Daher liegt <lb n="ple_008.033"/> auch die Bedeutung dessen, was Goethe über Poesie gedacht und gesagt <lb n="ple_008.034"/> hat, wesentlich darin, daß er sie stets in ihrer Beziehung zum Ganzen der <lb n="ple_008.035"/> Kunst, ja zum Ganzen der Natur überhaupt sah, Gemeinsames und Trennendes <lb n="ple_008.036"/> mit gleicher Klarheit hervorhebend. Er sieht, die ewigen großen <lb n="ple_008.037"/> Grundtypen der Natur in aller Kunst und so auch in der Dichtung in <lb n="ple_008.038"/> immer neuer, immer gesteigerter Gestalt hervortreten. <hi rendition="#g">Schillers</hi> Originalität <lb n="ple_008.039"/> dagegen zeigt sich darin, daß er das so lange umstrittene Verhältnis von <lb n="ple_008.040"/> Schönheit und Sittlichkeit, Poesie und Moral in einer neuen und vertieften </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [8/0022]
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schon auf Winckelmanns ästhetische Begriffe einen tiefergehenden Einfluß ple_008.002
gehabt hat. 1) Auch für den englischen Philosophen 2) war das Ideal der ple_008.003
harmonischen Schönheit der eigentlich bestimmende Begriff, und auch hier ple_008.004
war er an einem griechischen Vorbilde lebendig geworden. Aber dieses ple_008.005
Vorbild war Plato, und die Probleme und Anschauungen, von denen ple_008.006
Shaftesbury ausgeht, sind die der Metaphysik und der Ethik. Er sucht ple_008.007
das Ideal der Harmonie in der Seele des Menschen und zugleich im ple_008.008
Kosmos, dessen Abbild sie sein soll. So nimmt dieser Begriff, wiewohl ple_008.009
er künstlerischer Natur ist, dennoch eine sittliche und metaphysische Bedeutung ple_008.010
an; er führt über das bloße Formenideal hinaus zu einer Welt- ple_008.011
und Lebensauffassung, die gleichwohl in innerlicher Übereinstimmung mit ple_008.012
jener künstlerischen Anschauung steht. Die ideale Kunst, die Winckelmann ple_008.013
schildert, erscheint nunmehr als die Verkörperung eines sittlichen Ideals, ple_008.014
wie es Shaftesbury vorgezeichnet hat.
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Wir können nun verfolgen, wie die Welt- und Kunstanschauung, die ple_008.016
aus diesem doppelten Einfluß entspringt, bei Herder, Goethe und Schiller ple_008.017
geklärte und zugleich mannigfach gesteigerte Gestalt annimmt. Es treten ple_008.018
noch andere Einflüsse hinzu: Leibniz, Rousseau, Spinoza, Kant. Sie geben ple_008.019
den schöpferischen Anschauungen der genannten drei Klassiker im einzelnen ple_008.020
ein verschiedenes Gepräge, und auch persönliche Eigenart scheidet besonders ple_008.021
die Anschauungsweise Herders und Goethes auf der einen, Schillers ple_008.022
auf der anderen Seite. Aber über alle individuellen Abweichungen hinweg ple_008.023
sehen wir deutlich die verbindende Einheit, und wir verfolgen zugleich, ple_008.024
wie dieselbe zur Grundlage für eine neue Theorie der Dichtkunst wird, ple_008.025
die zwar nicht systematisch abgeschlossen, aber doch in ihren wesentlichen ple_008.026
Zügen klar bestimmt und entschieden formuliert wird.
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Ihren prägnantesten Ausdruck fand die neue Poetik in den philosophischen ple_008.028
Schriften Schillers. Einerseits lag seiner Art zu denken die ple_008.029
abstrakte Spekulation über künstlerische Fragen näher als Goethes intuitivem ple_008.030
Schöpfergeist. Andrerseits beschränkte sich sein Interesse fast ganz ple_008.031
auf die Dichtung, während Goethes Blicke und Gedanken fast ebensosehr ple_008.032
von der bildenden Kunst in Anspruch genommen waren. Daher liegt ple_008.033
auch die Bedeutung dessen, was Goethe über Poesie gedacht und gesagt ple_008.034
hat, wesentlich darin, daß er sie stets in ihrer Beziehung zum Ganzen der ple_008.035
Kunst, ja zum Ganzen der Natur überhaupt sah, Gemeinsames und Trennendes ple_008.036
mit gleicher Klarheit hervorhebend. Er sieht, die ewigen großen ple_008.037
Grundtypen der Natur in aller Kunst und so auch in der Dichtung in ple_008.038
immer neuer, immer gesteigerter Gestalt hervortreten. Schillers Originalität ple_008.039
dagegen zeigt sich darin, daß er das so lange umstrittene Verhältnis von ple_008.040
Schönheit und Sittlichkeit, Poesie und Moral in einer neuen und vertieften
1) ple_008.041
Vgl. Justi, Winckelmann und seine Zeit. Teil 1. 2. Aufl. (Leipzig 1898, Bd. I ple_008.042
S. 211 ff.)
2) ple_008.043
Hauptwerk: Charakteristics of men, manners, opinions, times. London 1711.
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