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Lehmann, Rudolf: Deutsche Poetik. München, 1908.

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nicht einordnen, und auch sonst tritt in einer Reihe von Einzelheiten die Diskrepanz ple_218.002
hervor. Auffallend namentlich ist es, wie oft die komischen Beispiele, die Lipps aus dem ple_218.003
Leben anführt, gar nicht komisch wirken. Dennoch wird man das Buch nicht aus der ple_218.004
Hand legen ohne das Gefühl, daß hier wie auch bei Groos Elemente und Ansätze zum ple_218.005
Verständnis des Problems gegeben sind, die jede ernsthafte Untersuchung zu berücksichtigen ple_218.006
hat.

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Alle diese Erklärungsversuche gehen darauf aus, das Wesen des Komischen ple_218.008
in seinen verschiedenen Erscheinungen auf einen gleichartigen ple_218.009
psychologischen Vorgang oder eine ebenso einheitlich bestimmte objektive ple_218.010
Eigenschaft zurückzuführen. Sie alle setzen voraus, daß es eine solche ple_218.011
einheitliche Grundlage des Komischen gebe, in welcher Gestalt es sich ple_218.012
auch darstellen möge. Allein diese Voraussetzung hat sich bisher nicht ple_218.013
bestätigt. Keiner der eingeschlagenen Wege hat zur Lösung des Problems ple_218.014
geführt, so mancher wertvolle Beitrag im einzelnen auch zu Tage gefördert ple_218.015
ist. Das Lächerliche zeigt sich uns nach wie vor in einer Reihe heterogener ple_218.016
Erscheinungen, unter verschiedenen Bedingungen auftauchend und durch ple_218.017
verschiedene Ursachen hervorgerufen. Diese Erscheinungen lassen sich auf ple_218.018
eine Anzahl von Grundformen zurückführen, und für einzelne derselben ple_218.019
hat einer oder der andere der angeführten Denker eine einleuchtende Lösung ple_218.020
gefunden. Daher ist es begreiflich, wenn er in solchen Fällen das Gesamtwesen ple_218.021
der Komik aufgedeckt zu haben meint; allein berechtigt ist ple_218.022
dieses Verfahren nicht, da es offenbar die Spezies für die Gattung setzt und ple_218.023
um des Begriffs willen den Tatsachen Gewalt antut. Die wissenschaftliche ple_218.024
Methode verlangt, daß die einzelnen Klassen von Erscheinungen zunächst ple_218.025
einzeln beschrieben und erklärt werden: ergibt sich dabei die erwünschte ple_218.026
Einheit, um so besser; ergibt sie sich nicht, so müssen wir eben bei der ple_218.027
Verschiedenheit stehen bleiben. Denn an sich ist es nicht einzusehen, ple_218.028
warum jene Einheit als Grundlage überhaupt vorhanden sein muß. Die ple_218.029
Arten der komischen Wirkungen könnten sehr wohl auf verschiedenen ple_218.030
psychologischen oder ästhetischen Vorgängen beruhen, und was sich zu ple_218.031
einer systematischen Einheit nicht untereinander fügen will, das könnte ple_218.032
doch nebeneinander seine Richtigkeit haben. Versuchen wir es daher, ple_218.033
für die einzelnen Typen des Lächerlichen, wie sie sich dem unbefangenen ple_218.034
Blick darstellen, ein Verständnis zu gewinnen. Wir werden dabei unserer ple_218.035
Aufgabe gemäß die komischen Wirkungen, wie sie in der Dichtkunst ple_218.036
hervortreten, in erster Reihe ins Auge fassen, allein wir müssen die unmittelbaren ple_218.037
Erfahrungen des Lebens zu Hilfe rufen, soweit sie uns durch ple_218.038
fruchtbare Analogien das Wesen der ästhetischen Vorgänge zu erschließen ple_218.039
vermögen.

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Eine solche Betrachtung zeigt uns nun zunächst, daß das, was die ple_218.041
Menschen als komisch empfinden, nicht zu allen Zeiten und unter allen ple_218.042
Umständen dasselbe ist, vielmehr sich mit der fortschreitenden geistigen ple_218.043
Entwicklung verändert. Primitive Völker und Zeiten werden durch andere

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nicht einordnen, und auch sonst tritt in einer Reihe von Einzelheiten die Diskrepanz ple_218.002
hervor. Auffallend namentlich ist es, wie oft die komischen Beispiele, die Lipps aus dem ple_218.003
Leben anführt, gar nicht komisch wirken. Dennoch wird man das Buch nicht aus der ple_218.004
Hand legen ohne das Gefühl, daß hier wie auch bei Groos Elemente und Ansätze zum ple_218.005
Verständnis des Problems gegeben sind, die jede ernsthafte Untersuchung zu berücksichtigen ple_218.006
hat.

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Alle diese Erklärungsversuche gehen darauf aus, das Wesen des Komischen ple_218.008
in seinen verschiedenen Erscheinungen auf einen gleichartigen ple_218.009
psychologischen Vorgang oder eine ebenso einheitlich bestimmte objektive ple_218.010
Eigenschaft zurückzuführen. Sie alle setzen voraus, daß es eine solche ple_218.011
einheitliche Grundlage des Komischen gebe, in welcher Gestalt es sich ple_218.012
auch darstellen möge. Allein diese Voraussetzung hat sich bisher nicht ple_218.013
bestätigt. Keiner der eingeschlagenen Wege hat zur Lösung des Problems ple_218.014
geführt, so mancher wertvolle Beitrag im einzelnen auch zu Tage gefördert ple_218.015
ist. Das Lächerliche zeigt sich uns nach wie vor in einer Reihe heterogener ple_218.016
Erscheinungen, unter verschiedenen Bedingungen auftauchend und durch ple_218.017
verschiedene Ursachen hervorgerufen. Diese Erscheinungen lassen sich auf ple_218.018
eine Anzahl von Grundformen zurückführen, und für einzelne derselben ple_218.019
hat einer oder der andere der angeführten Denker eine einleuchtende Lösung ple_218.020
gefunden. Daher ist es begreiflich, wenn er in solchen Fällen das Gesamtwesen ple_218.021
der Komik aufgedeckt zu haben meint; allein berechtigt ist ple_218.022
dieses Verfahren nicht, da es offenbar die Spezies für die Gattung setzt und ple_218.023
um des Begriffs willen den Tatsachen Gewalt antut. Die wissenschaftliche ple_218.024
Methode verlangt, daß die einzelnen Klassen von Erscheinungen zunächst ple_218.025
einzeln beschrieben und erklärt werden: ergibt sich dabei die erwünschte ple_218.026
Einheit, um so besser; ergibt sie sich nicht, so müssen wir eben bei der ple_218.027
Verschiedenheit stehen bleiben. Denn an sich ist es nicht einzusehen, ple_218.028
warum jene Einheit als Grundlage überhaupt vorhanden sein muß. Die ple_218.029
Arten der komischen Wirkungen könnten sehr wohl auf verschiedenen ple_218.030
psychologischen oder ästhetischen Vorgängen beruhen, und was sich zu ple_218.031
einer systematischen Einheit nicht untereinander fügen will, das könnte ple_218.032
doch nebeneinander seine Richtigkeit haben. Versuchen wir es daher, ple_218.033
für die einzelnen Typen des Lächerlichen, wie sie sich dem unbefangenen ple_218.034
Blick darstellen, ein Verständnis zu gewinnen. Wir werden dabei unserer ple_218.035
Aufgabe gemäß die komischen Wirkungen, wie sie in der Dichtkunst ple_218.036
hervortreten, in erster Reihe ins Auge fassen, allein wir müssen die unmittelbaren ple_218.037
Erfahrungen des Lebens zu Hilfe rufen, soweit sie uns durch ple_218.038
fruchtbare Analogien das Wesen der ästhetischen Vorgänge zu erschließen ple_218.039
vermögen.

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Eine solche Betrachtung zeigt uns nun zunächst, daß das, was die ple_218.041
Menschen als komisch empfinden, nicht zu allen Zeiten und unter allen ple_218.042
Umständen dasselbe ist, vielmehr sich mit der fortschreitenden geistigen ple_218.043
Entwicklung verändert. Primitive Völker und Zeiten werden durch andere

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[218/0232] ple_218.001 nicht einordnen, und auch sonst tritt in einer Reihe von Einzelheiten die Diskrepanz ple_218.002 hervor. Auffallend namentlich ist es, wie oft die komischen Beispiele, die Lipps aus dem ple_218.003 Leben anführt, gar nicht komisch wirken. Dennoch wird man das Buch nicht aus der ple_218.004 Hand legen ohne das Gefühl, daß hier wie auch bei Groos Elemente und Ansätze zum ple_218.005 Verständnis des Problems gegeben sind, die jede ernsthafte Untersuchung zu berücksichtigen ple_218.006 hat. ple_218.007 Alle diese Erklärungsversuche gehen darauf aus, das Wesen des Komischen ple_218.008 in seinen verschiedenen Erscheinungen auf einen gleichartigen ple_218.009 psychologischen Vorgang oder eine ebenso einheitlich bestimmte objektive ple_218.010 Eigenschaft zurückzuführen. Sie alle setzen voraus, daß es eine solche ple_218.011 einheitliche Grundlage des Komischen gebe, in welcher Gestalt es sich ple_218.012 auch darstellen möge. Allein diese Voraussetzung hat sich bisher nicht ple_218.013 bestätigt. Keiner der eingeschlagenen Wege hat zur Lösung des Problems ple_218.014 geführt, so mancher wertvolle Beitrag im einzelnen auch zu Tage gefördert ple_218.015 ist. Das Lächerliche zeigt sich uns nach wie vor in einer Reihe heterogener ple_218.016 Erscheinungen, unter verschiedenen Bedingungen auftauchend und durch ple_218.017 verschiedene Ursachen hervorgerufen. Diese Erscheinungen lassen sich auf ple_218.018 eine Anzahl von Grundformen zurückführen, und für einzelne derselben ple_218.019 hat einer oder der andere der angeführten Denker eine einleuchtende Lösung ple_218.020 gefunden. Daher ist es begreiflich, wenn er in solchen Fällen das Gesamtwesen ple_218.021 der Komik aufgedeckt zu haben meint; allein berechtigt ist ple_218.022 dieses Verfahren nicht, da es offenbar die Spezies für die Gattung setzt und ple_218.023 um des Begriffs willen den Tatsachen Gewalt antut. Die wissenschaftliche ple_218.024 Methode verlangt, daß die einzelnen Klassen von Erscheinungen zunächst ple_218.025 einzeln beschrieben und erklärt werden: ergibt sich dabei die erwünschte ple_218.026 Einheit, um so besser; ergibt sie sich nicht, so müssen wir eben bei der ple_218.027 Verschiedenheit stehen bleiben. Denn an sich ist es nicht einzusehen, ple_218.028 warum jene Einheit als Grundlage überhaupt vorhanden sein muß. Die ple_218.029 Arten der komischen Wirkungen könnten sehr wohl auf verschiedenen ple_218.030 psychologischen oder ästhetischen Vorgängen beruhen, und was sich zu ple_218.031 einer systematischen Einheit nicht untereinander fügen will, das könnte ple_218.032 doch nebeneinander seine Richtigkeit haben. Versuchen wir es daher, ple_218.033 für die einzelnen Typen des Lächerlichen, wie sie sich dem unbefangenen ple_218.034 Blick darstellen, ein Verständnis zu gewinnen. Wir werden dabei unserer ple_218.035 Aufgabe gemäß die komischen Wirkungen, wie sie in der Dichtkunst ple_218.036 hervortreten, in erster Reihe ins Auge fassen, allein wir müssen die unmittelbaren ple_218.037 Erfahrungen des Lebens zu Hilfe rufen, soweit sie uns durch ple_218.038 fruchtbare Analogien das Wesen der ästhetischen Vorgänge zu erschließen ple_218.039 vermögen. ple_218.040 Eine solche Betrachtung zeigt uns nun zunächst, daß das, was die ple_218.041 Menschen als komisch empfinden, nicht zu allen Zeiten und unter allen ple_218.042 Umständen dasselbe ist, vielmehr sich mit der fortschreitenden geistigen ple_218.043 Entwicklung verändert. Primitive Völker und Zeiten werden durch andere

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Zitationshilfe: Lehmann, Rudolf: Deutsche Poetik. München, 1908, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_poetik_1908/232>, abgerufen am 21.11.2024.