Lehmann, Rudolf: Deutsche Poetik. München, 1908.ple_015.001 ple_015.003 ple_015.009 3. Die wissenschaftliche Poetik der Gegenwart. Als die metaphysische ple_015.010 ple_015.030 1) ple_015.041 An Inquiry into the original of our ideas of beauty and virtue. London 1720. 2) ple_015.042
A philosophical inquiry into the origin of our ideas of the sublime and the ple_015.043 beautiful. London 1756. ple_015.001 ple_015.003 ple_015.009 3. Die wissenschaftliche Poetik der Gegenwart. Als die metaphysische ple_015.010 ple_015.030 1) ple_015.041 An Inquiry into the original of our ideas of beauty and virtue. London 1720. 2) ple_015.042
A philosophical inquiry into the origin of our ideas of the sublime and the ple_015.043 beautiful. London 1756. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0029" n="15"/><lb n="ple_015.001"/> wiewohl es an geistreichen Lichtern nicht fehlt, nur selten tief und führt <lb n="ple_015.002"/> noch seltener zu einer zureichenden Erklärung der poetischen Schöpfungen.</p> <p><lb n="ple_015.003"/> So ergibt es sich denn als eine innere Notwendigkeit, daß die wissenschaftliche <lb n="ple_015.004"/> Poetik zu einem einwandfreieren Verfahren, einer reineren Methode <lb n="ple_015.005"/> fortschreiten mußte. Und diese Methode konnte, nach allem vorhergehenden <lb n="ple_015.006"/> ist das klar, nur eine im strengeren Sinne des Worts empirische <lb n="ple_015.007"/> sein. Sie mußte auf einer unbefangenen, von Spekulation nicht getrübten <lb n="ple_015.008"/> untersuchenden Betrachtung des Tatsächlichen beruhen.</p> </div> <div n="3"> <head> <lb n="ple_015.009"/> <hi rendition="#b">3. Die wissenschaftliche Poetik der Gegenwart.</hi> </head> <p> Als die metaphysische <lb n="ple_015.010"/> Spekulation allmählich in Mißkredit kam und an ihrer Stelle die <lb n="ple_015.011"/> naturwissenschaftliche und geschichtliche Empirie immer entschiedener die <lb n="ple_015.012"/> Herrschaft über das wissenschaftliche Denken antrat, da war es auch um die <lb n="ple_015.013"/> Geltung der großen ästhetischen Systeme geschehen. An die Stelle der <lb n="ple_015.014"/> „Ästhetik von oben“ mußte die „Ästhetik von unten“ treten, an die Stelle des <lb n="ple_015.015"/> Dogmatismus und der Spekulation die Erfahrung, an die Stelle der Metaphysik <lb n="ple_015.016"/> als Deuterin der ästhetischen Erscheinungen die <hi rendition="#g">Psychologie.</hi> Kunst <lb n="ple_015.017"/> und Poesie werden nun, in ihrem allgemeinen Wesen wie in ihren einzelnen <lb n="ple_015.018"/> Schöpfungen, nicht mehr durch ein begrifflich abgeleitetes Sollen bestimmt <lb n="ple_015.019"/> und aus allgemeinen Zwecken ethischer Art abgeleitet; sie werden vielmehr <lb n="ple_015.020"/> als Lebensäußerungen des menschlichen Geistes gefaßt, seinen empirisch <lb n="ple_015.021"/> erkennbaren Anlagen und Bedürfnissen entsprungen und den Gesetzen <lb n="ple_015.022"/> des Seelenlebens unterworfen, daher nur aus der Erkenntnis dieser <lb n="ple_015.023"/> Gesetze, aus dem Einblick in die Kräfte und Vorgänge des Seelenlebens <lb n="ple_015.024"/> verständlich. Wie alle künstlerischen, so sind auch die dichterischen Wirkungen <lb n="ple_015.025"/> nicht aus absoluten und ein für allemal vorgeschriebenen Eigenschaften <lb n="ple_015.026"/> des Kunstwerks an sich, sondern aus der Natur der menschlichen <lb n="ple_015.027"/> Seele zu erklären. Die Gesetze der Kunst sind psychologische Gesetze, <lb n="ple_015.028"/> die geschichtliche Entwicklung der Poesie beruht auf den Entwicklungsgesetzen <lb n="ple_015.029"/> des menschlichen Geistes.</p> <p><lb n="ple_015.030"/> Die Anfänge einer solchen Betrachtungsart der ästhetischen Vorgänge <lb n="ple_015.031"/> liegen weit zurück: sie erscheinen zuerst um die Mitte des 18. Jahrhunderts <lb n="ple_015.032"/> in England. Schon <hi rendition="#g">Hutcheson</hi><note xml:id="ple_015_1" place="foot" n="1)"><lb n="ple_015.041"/> An Inquiry into the original of our ideas of beauty and virtue. London 1720.</note> hatte auf einen „inneren Sinn“ als die <lb n="ple_015.033"/> Quelle unserer Ideen vom Schönen wie vom Guten hingewiesen, d. h. er <lb n="ple_015.034"/> hatte einen psychischen Ursprung für diese Ideen festgestellt und dadurch <lb n="ple_015.035"/> die Möglichkeit einer psychologischen Analyse angebahnt. <hi rendition="#g">Burke</hi><note xml:id="ple_015_2" place="foot" n="2)"><lb n="ple_015.042"/> A philosophical inquiry into the origin of our ideas of the sublime and the <lb n="ple_015.043"/> beautiful. London 1756.</note> <lb n="ple_015.036"/> nahm eine solche Analyse an den Grundbegriffen des <hi rendition="#g">Schönen</hi> und des <lb n="ple_015.037"/> <hi rendition="#g">Erhabenen</hi> vor und führte beide auf bestimmte Seelenzustände des betrachtenden <lb n="ple_015.038"/> Menschen zurück. <hi rendition="#g">Home</hi> endlich unternahm es, mit freilich <lb n="ple_015.039"/> sehr unvollkommener Systematik, „den empfindenden Teil der Menschennatur <lb n="ple_015.040"/> zu untersuchen und durch Erforschung der angenehmen und unangenehmen </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0029]
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wiewohl es an geistreichen Lichtern nicht fehlt, nur selten tief und führt ple_015.002
noch seltener zu einer zureichenden Erklärung der poetischen Schöpfungen.
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So ergibt es sich denn als eine innere Notwendigkeit, daß die wissenschaftliche ple_015.004
Poetik zu einem einwandfreieren Verfahren, einer reineren Methode ple_015.005
fortschreiten mußte. Und diese Methode konnte, nach allem vorhergehenden ple_015.006
ist das klar, nur eine im strengeren Sinne des Worts empirische ple_015.007
sein. Sie mußte auf einer unbefangenen, von Spekulation nicht getrübten ple_015.008
untersuchenden Betrachtung des Tatsächlichen beruhen.
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3. Die wissenschaftliche Poetik der Gegenwart. Als die metaphysische ple_015.010
Spekulation allmählich in Mißkredit kam und an ihrer Stelle die ple_015.011
naturwissenschaftliche und geschichtliche Empirie immer entschiedener die ple_015.012
Herrschaft über das wissenschaftliche Denken antrat, da war es auch um die ple_015.013
Geltung der großen ästhetischen Systeme geschehen. An die Stelle der ple_015.014
„Ästhetik von oben“ mußte die „Ästhetik von unten“ treten, an die Stelle des ple_015.015
Dogmatismus und der Spekulation die Erfahrung, an die Stelle der Metaphysik ple_015.016
als Deuterin der ästhetischen Erscheinungen die Psychologie. Kunst ple_015.017
und Poesie werden nun, in ihrem allgemeinen Wesen wie in ihren einzelnen ple_015.018
Schöpfungen, nicht mehr durch ein begrifflich abgeleitetes Sollen bestimmt ple_015.019
und aus allgemeinen Zwecken ethischer Art abgeleitet; sie werden vielmehr ple_015.020
als Lebensäußerungen des menschlichen Geistes gefaßt, seinen empirisch ple_015.021
erkennbaren Anlagen und Bedürfnissen entsprungen und den Gesetzen ple_015.022
des Seelenlebens unterworfen, daher nur aus der Erkenntnis dieser ple_015.023
Gesetze, aus dem Einblick in die Kräfte und Vorgänge des Seelenlebens ple_015.024
verständlich. Wie alle künstlerischen, so sind auch die dichterischen Wirkungen ple_015.025
nicht aus absoluten und ein für allemal vorgeschriebenen Eigenschaften ple_015.026
des Kunstwerks an sich, sondern aus der Natur der menschlichen ple_015.027
Seele zu erklären. Die Gesetze der Kunst sind psychologische Gesetze, ple_015.028
die geschichtliche Entwicklung der Poesie beruht auf den Entwicklungsgesetzen ple_015.029
des menschlichen Geistes.
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Die Anfänge einer solchen Betrachtungsart der ästhetischen Vorgänge ple_015.031
liegen weit zurück: sie erscheinen zuerst um die Mitte des 18. Jahrhunderts ple_015.032
in England. Schon Hutcheson 1) hatte auf einen „inneren Sinn“ als die ple_015.033
Quelle unserer Ideen vom Schönen wie vom Guten hingewiesen, d. h. er ple_015.034
hatte einen psychischen Ursprung für diese Ideen festgestellt und dadurch ple_015.035
die Möglichkeit einer psychologischen Analyse angebahnt. Burke 2) ple_015.036
nahm eine solche Analyse an den Grundbegriffen des Schönen und des ple_015.037
Erhabenen vor und führte beide auf bestimmte Seelenzustände des betrachtenden ple_015.038
Menschen zurück. Home endlich unternahm es, mit freilich ple_015.039
sehr unvollkommener Systematik, „den empfindenden Teil der Menschennatur ple_015.040
zu untersuchen und durch Erforschung der angenehmen und unangenehmen
1) ple_015.041
An Inquiry into the original of our ideas of beauty and virtue. London 1720.
2) ple_015.042
A philosophical inquiry into the origin of our ideas of the sublime and the ple_015.043
beautiful. London 1756.
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