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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Amerika.
Neger arbeitet in dem Lande, wo er geboren ist, nicht mehr, als ihm
eben gutdünkt. Er erhält auf Jamaica für den Tag 1 sh bis 1 sh 6 d
Lohn, seine Leistung ist aber höchstens 6 d werth.

Es zeigt sich wohl in den letzten Jahren ein allmäliger Auf-
schwung, den die Fürsorge der Regierung und die strenge Hand-
habung der Ordnung mit sich gebracht hat. Aber die hier entschei-
denden Elemente, die Pflanzer, hängen zu sehr an den alten Ideen, ihnen
stecken noch immer die Zeiten der alten, mühelosen Sclavenwirth-
schaft im Kopfe. Das Land ist vor allem capitalarm, und Alles dreht
sich um kleine Verhältnisse. Da kann nur das Mutterland eingreifen, wie
durch Erbauung von Eisenbahnen, von denen heute 108 km in Be-
trieb, die von dem Hauptorte Kingston nach Westen und Norden
vordringen.

Von grossem Werthe ist ferner der 1872 begonnene und nach
vier Jahren vollendete Bewässerungscanal, welcher 49 km lang ist
und die Fluten des Rio Cobre über die Ebene von St. Catherine ver-
zweigt. Dieser Canal versorgt auch die ehemalige Hauptstadt Jamaicas,
Spanish Town, mit Wasser.

Von den zumeist an der Südküste befindlichen Häfen und Küsten-
orten Jamaicas nimmt nur Kingston, die Hauptstadt der Insel, und
das benachbarte Port Royal unser Interesse in Anspruch. Kingston
liegt, wie unser Plan zeigt, an einem über 7 Seemeilen von Ost nach
West langen und 11/2 bis 2 Seemeilen breiten Hafen, welcher durch
eine schmale, niedrige und sandige, beiläufig West gerichtete Land-
zunge, die Palisados, gebildet wird. Die Palisados sind mit niedrigem
Mangrovegebüsch bedeckt und theilweise mit Cocospalmen bepflanzt;
nahe an ihrem westlichen Ende liegt die Stadt Port Royal, ehemals
die bedeutendste Handelsstadt der Insel.

Aus den Zeiten, da England durch die unaufhörlichen Kriege
mit Frankreich und Spanien und der Maroonkriege wegen genöthigt
war, beträchtliche See- und Landstreitkräfte in Westindien zu halten,
deren Hauptstation Port Royal war, haben sich die Palisados eine
traurige Berühmtheit als Grabstätte für zahllose brave Seeleute und
Soldaten, welche vom gelben Fieber hinweggerafft wurden, bewahrt.

Port Royal, früher Cagway geheissen, ist heutzutage nur mehr
als Hauptstation der englischen Flottenabtheilung in Westindien von
Bedeutung; es befindet sich hier ein Seearsenal, ein Marine- und ein
Militärspital; südwestlich ausserhalb der Stadt, nahe der äussersten
Spitze der Palisados, steht das an seiner röthlichen Farbe schon von

Die atlantische Küste von Amerika.
Neger arbeitet in dem Lande, wo er geboren ist, nicht mehr, als ihm
eben gutdünkt. Er erhält auf Jamaica für den Tag 1 sh bis 1 sh 6 d
Lohn, seine Leistung ist aber höchstens 6 d werth.

Es zeigt sich wohl in den letzten Jahren ein allmäliger Auf-
schwung, den die Fürsorge der Regierung und die strenge Hand-
habung der Ordnung mit sich gebracht hat. Aber die hier entschei-
denden Elemente, die Pflanzer, hängen zu sehr an den alten Ideen, ihnen
stecken noch immer die Zeiten der alten, mühelosen Sclavenwirth-
schaft im Kopfe. Das Land ist vor allem capitalarm, und Alles dreht
sich um kleine Verhältnisse. Da kann nur das Mutterland eingreifen, wie
durch Erbauung von Eisenbahnen, von denen heute 108 km in Be-
trieb, die von dem Hauptorte Kingston nach Westen und Norden
vordringen.

Von grossem Werthe ist ferner der 1872 begonnene und nach
vier Jahren vollendete Bewässerungscanal, welcher 49 km lang ist
und die Fluten des Rio Cobre über die Ebene von St. Catherine ver-
zweigt. Dieser Canal versorgt auch die ehemalige Hauptstadt Jamaicas,
Spanish Town, mit Wasser.

Von den zumeist an der Südküste befindlichen Häfen und Küsten-
orten Jamaicas nimmt nur Kingston, die Hauptstadt der Insel, und
das benachbarte Port Royal unser Interesse in Anspruch. Kingston
liegt, wie unser Plan zeigt, an einem über 7 Seemeilen von Ost nach
West langen und 1½ bis 2 Seemeilen breiten Hafen, welcher durch
eine schmale, niedrige und sandige, beiläufig West gerichtete Land-
zunge, die Palisados, gebildet wird. Die Palisados sind mit niedrigem
Mangrovegebüsch bedeckt und theilweise mit Cocospalmen bepflanzt;
nahe an ihrem westlichen Ende liegt die Stadt Port Royal, ehemals
die bedeutendste Handelsstadt der Insel.

Aus den Zeiten, da England durch die unaufhörlichen Kriege
mit Frankreich und Spanien und der Maroonkriege wegen genöthigt
war, beträchtliche See- und Landstreitkräfte in Westindien zu halten,
deren Hauptstation Port Royal war, haben sich die Palisados eine
traurige Berühmtheit als Grabstätte für zahllose brave Seeleute und
Soldaten, welche vom gelben Fieber hinweggerafft wurden, bewahrt.

Port Royal, früher Cagway geheissen, ist heutzutage nur mehr
als Hauptstation der englischen Flottenabtheilung in Westindien von
Bedeutung; es befindet sich hier ein Seearsenal, ein Marine- und ein
Militärspital; südwestlich ausserhalb der Stadt, nahe der äussersten
Spitze der Palisados, steht das an seiner röthlichen Farbe schon von

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[190/0206] Die atlantische Küste von Amerika. Neger arbeitet in dem Lande, wo er geboren ist, nicht mehr, als ihm eben gutdünkt. Er erhält auf Jamaica für den Tag 1 sh bis 1 sh 6 d Lohn, seine Leistung ist aber höchstens 6 d werth. Es zeigt sich wohl in den letzten Jahren ein allmäliger Auf- schwung, den die Fürsorge der Regierung und die strenge Hand- habung der Ordnung mit sich gebracht hat. Aber die hier entschei- denden Elemente, die Pflanzer, hängen zu sehr an den alten Ideen, ihnen stecken noch immer die Zeiten der alten, mühelosen Sclavenwirth- schaft im Kopfe. Das Land ist vor allem capitalarm, und Alles dreht sich um kleine Verhältnisse. Da kann nur das Mutterland eingreifen, wie durch Erbauung von Eisenbahnen, von denen heute 108 km in Be- trieb, die von dem Hauptorte Kingston nach Westen und Norden vordringen. Von grossem Werthe ist ferner der 1872 begonnene und nach vier Jahren vollendete Bewässerungscanal, welcher 49 km lang ist und die Fluten des Rio Cobre über die Ebene von St. Catherine ver- zweigt. Dieser Canal versorgt auch die ehemalige Hauptstadt Jamaicas, Spanish Town, mit Wasser. Von den zumeist an der Südküste befindlichen Häfen und Küsten- orten Jamaicas nimmt nur Kingston, die Hauptstadt der Insel, und das benachbarte Port Royal unser Interesse in Anspruch. Kingston liegt, wie unser Plan zeigt, an einem über 7 Seemeilen von Ost nach West langen und 1½ bis 2 Seemeilen breiten Hafen, welcher durch eine schmale, niedrige und sandige, beiläufig West gerichtete Land- zunge, die Palisados, gebildet wird. Die Palisados sind mit niedrigem Mangrovegebüsch bedeckt und theilweise mit Cocospalmen bepflanzt; nahe an ihrem westlichen Ende liegt die Stadt Port Royal, ehemals die bedeutendste Handelsstadt der Insel. Aus den Zeiten, da England durch die unaufhörlichen Kriege mit Frankreich und Spanien und der Maroonkriege wegen genöthigt war, beträchtliche See- und Landstreitkräfte in Westindien zu halten, deren Hauptstation Port Royal war, haben sich die Palisados eine traurige Berühmtheit als Grabstätte für zahllose brave Seeleute und Soldaten, welche vom gelben Fieber hinweggerafft wurden, bewahrt. Port Royal, früher Cagway geheissen, ist heutzutage nur mehr als Hauptstation der englischen Flottenabtheilung in Westindien von Bedeutung; es befindet sich hier ein Seearsenal, ein Marine- und ein Militärspital; südwestlich ausserhalb der Stadt, nahe der äussersten Spitze der Palisados, steht das an seiner röthlichen Farbe schon von

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/206>, abgerufen am 23.11.2024.