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Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774.

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nem heroischen Sklaven. Der großmüthige
und berühmteste König Cophetua warf ein
Auge auf die gefährliche und unbezweifelte
Bettlerin Zenelophon, er wars der mit Recht
sagen konnte: veni, vidi, vici, das heißt, in die
gemeine Sprache aufgelöst (o höchst niedrige
und gemeine Sprache
) er kam, sahe und über-
wand, er kam, eins, sah, zwey, überwand,
drey. Wer kam, der König, warum kam
er, zu sehen, warum sah er, zu überwin-
den, zu wem kam er, zur Bettlerin, was
sah er, die Bettlerin, wen überwand er,
die Bettlerin. Die Conclusion ist Sieg,
auf wessen Seite, auf der Bettlerin, die
Sklaverey ist beglückt, auf wessen Seite,
auf des Königs, die Catastrophe ist eine
Hochzeit, auf wessen Seite, auf der Bett-
lerin, nein! auf beyden Seiten zugleich. Jch
bin der König (so verlangt er das Gleichniß)
du bist die Bettlerin, (so verlangt es deine Lie-
benswürdigkeit.
) Soll ich deiner Zärtlichkeit
befehlen. Fast möchte ich. Soll ich sie
zwingen? ich könnte es. Soll ich sie zu er-
werben suchen? ich will. Was wirst du für
deine Lumpen eintauschen? Kleider, für dei-
nen Namen? Titel, für dich selbst? mich.
Also -- also in Erwartung deiner Antwort
profanire ich meine Lippen an deinen Füssen,
meine Augen an deinem holdseligen Gesichte
und mein Herz an alle deinen Gliedmassen.
Dein


nem heroiſchen Sklaven. Der großmuͤthige
und beruͤhmteſte Koͤnig Cophetua warf ein
Auge auf die gefaͤhrliche und unbezweifelte
Bettlerin Zenelophon, er wars der mit Recht
ſagen konnte: veni, vidi, vici, das heißt, in die
gemeine Sprache aufgeloͤſt (o hoͤchſt niedrige
und gemeine Sprache
) er kam, ſahe und uͤber-
wand, er kam, eins, ſah, zwey, uͤberwand,
drey. Wer kam, der Koͤnig, warum kam
er, zu ſehen, warum ſah er, zu uͤberwin-
den, zu wem kam er, zur Bettlerin, was
ſah er, die Bettlerin, wen uͤberwand er,
die Bettlerin. Die Concluſion iſt Sieg,
auf weſſen Seite, auf der Bettlerin, die
Sklaverey iſt begluͤckt, auf weſſen Seite,
auf des Koͤnigs, die Cataſtrophe iſt eine
Hochzeit, auf weſſen Seite, auf der Bett-
lerin, nein! auf beyden Seiten zugleich. Jch
bin der Koͤnig (ſo verlangt er das Gleichniß)
du biſt die Bettlerin, (ſo verlangt es deine Lie-
benswuͤrdigkeit.
) Soll ich deiner Zaͤrtlichkeit
befehlen. Faſt moͤchte ich. Soll ich ſie
zwingen? ich koͤnnte es. Soll ich ſie zu er-
werben ſuchen? ich will. Was wirſt du fuͤr
deine Lumpen eintauſchen? Kleider, fuͤr dei-
nen Namen? Titel, fuͤr dich ſelbſt? mich.
Alſo — alſo in Erwartung deiner Antwort
profanire ich meine Lippen an deinen Fuͤſſen,
meine Augen an deinem holdſeligen Geſichte
und mein Herz an alle deinen Gliedmaſſen.
Dein
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[95/0101] nem heroiſchen Sklaven. Der großmuͤthige und beruͤhmteſte Koͤnig Cophetua warf ein Auge auf die gefaͤhrliche und unbezweifelte Bettlerin Zenelophon, er wars der mit Recht ſagen konnte: veni, vidi, vici, das heißt, in die gemeine Sprache aufgeloͤſt (o hoͤchſt niedrige und gemeine Sprache) er kam, ſahe und uͤber- wand, er kam, eins, ſah, zwey, uͤberwand, drey. Wer kam, der Koͤnig, warum kam er, zu ſehen, warum ſah er, zu uͤberwin- den, zu wem kam er, zur Bettlerin, was ſah er, die Bettlerin, wen uͤberwand er, die Bettlerin. Die Concluſion iſt Sieg, auf weſſen Seite, auf der Bettlerin, die Sklaverey iſt begluͤckt, auf weſſen Seite, auf des Koͤnigs, die Cataſtrophe iſt eine Hochzeit, auf weſſen Seite, auf der Bett- lerin, nein! auf beyden Seiten zugleich. Jch bin der Koͤnig (ſo verlangt er das Gleichniß) du biſt die Bettlerin, (ſo verlangt es deine Lie- benswuͤrdigkeit.) Soll ich deiner Zaͤrtlichkeit befehlen. Faſt moͤchte ich. Soll ich ſie zwingen? ich koͤnnte es. Soll ich ſie zu er- werben ſuchen? ich will. Was wirſt du fuͤr deine Lumpen eintauſchen? Kleider, fuͤr dei- nen Namen? Titel, fuͤr dich ſelbſt? mich. Alſo — alſo in Erwartung deiner Antwort profanire ich meine Lippen an deinen Fuͤſſen, meine Augen an deinem holdſeligen Geſichte und mein Herz an alle deinen Gliedmaſſen. Dein

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Zitationshilfe: Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenz_anmerkungen_1774/101>, abgerufen am 21.11.2024.