Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774.doch noch zweifle ob ihr das Wort kennt) was unternehmen wollt, so sey es dieß. Keinen neuen Eid, behüte der Himmel, aber reiset ungesäumt in eine abgesonderte von allen Weltzerstreuungen nackte Einsiedeley, dort bleibt bis die zwölf himmlischen Zeichen ih- ren Umlauf vollendet haben. Wenn dieß strenge geeinsamte Leben auch das Anerbie- ten das ihr mir jetzt in der Hitze eures Bluts gethan habt nicht leid macht, wenn Frost und Hunger, hartes Bett und dünne Kleider die buntfärbige Blüthe eurer Liebe nicht abstreiffen, wenn sie diese Probe aus- hält und noch immer Liebe bleibt, dann nach Verlauf dieses Jahres komm -- und, bey dieser jungfräulichen Hand, die ich jetzt in die deinige schlage -- dann will ich die Deinige seyn. Bis dahin soll mein weh- müthiges Selbst in ein Trauerhaus ver- schlossen, die Thränen des Wehklagens auf das Andenken meines geliebten Vaters her- abregnen. Schlägst du mir aber diese For- derung ab, so reiß deine Hand los aus mei- ner und laß unsre Herzen sich fremde werden. König. Wenn ich dieß und noch mehr als dieß abzuschlagen fähig wäre, so sollte die schnelle Hand des Todes lieber gleich meine Augen zudrücken. Geh also nur fort von uns, Theure -- mein Herz bleibt in dei- ner Brust. Biron.
doch noch zweifle ob ihr das Wort kennt) was unternehmen wollt, ſo ſey es dieß. Keinen neuen Eid, behuͤte der Himmel, aber reiſet ungeſaͤumt in eine abgeſonderte von allen Weltzerſtreuungen nackte Einſiedeley, dort bleibt bis die zwoͤlf himmliſchen Zeichen ih- ren Umlauf vollendet haben. Wenn dieß ſtrenge geeinſamte Leben auch das Anerbie- ten das ihr mir jetzt in der Hitze eures Bluts gethan habt nicht leid macht, wenn Froſt und Hunger, hartes Bett und duͤnne Kleider die buntfaͤrbige Bluͤthe eurer Liebe nicht abſtreiffen, wenn ſie dieſe Probe aus- haͤlt und noch immer Liebe bleibt, dann nach Verlauf dieſes Jahres komm — und, bey dieſer jungfraͤulichen Hand, die ich jetzt in die deinige ſchlage — dann will ich die Deinige ſeyn. Bis dahin ſoll mein weh- muͤthiges Selbſt in ein Trauerhaus ver- ſchloſſen, die Thraͤnen des Wehklagens auf das Andenken meines geliebten Vaters her- abregnen. Schlaͤgſt du mir aber dieſe For- derung ab, ſo reiß deine Hand los aus mei- ner und laß unſre Herzen ſich fremde werden. Koͤnig. Wenn ich dieß und noch mehr als dieß abzuſchlagen faͤhig waͤre, ſo ſollte die ſchnelle Hand des Todes lieber gleich meine Augen zudruͤcken. Geh alſo nur fort von uns, Theure — mein Herz bleibt in dei- ner Bruſt. Biron.
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ungeſaͤumt in eine abgeſonderte von allen
Weltzerſtreuungen nackte Einſiedeley, dort
bleibt bis die zwoͤlf himmliſchen Zeichen ih-
ren Umlauf vollendet haben. Wenn dieß
ſtrenge geeinſamte Leben auch das Anerbie-
ten das ihr mir jetzt in der Hitze eures
Bluts gethan habt nicht leid macht, wenn
Froſt und Hunger, hartes Bett und duͤnne
Kleider die buntfaͤrbige Bluͤthe eurer Liebe
nicht abſtreiffen, wenn ſie dieſe Probe aus-
haͤlt und noch immer Liebe bleibt, dann
nach Verlauf dieſes Jahres komm — und,
bey dieſer jungfraͤulichen Hand, die ich jetzt
in die deinige ſchlage — dann will ich die
Deinige ſeyn. Bis dahin ſoll mein weh-
muͤthiges Selbſt in ein Trauerhaus ver-
ſchloſſen, die Thraͤnen des Wehklagens auf
das Andenken meines geliebten Vaters her-
abregnen. Schlaͤgſt du mir aber dieſe For-
derung ab, ſo reiß deine Hand los aus mei-
ner und laß unſre Herzen ſich fremde
werden.
Koͤnig. Wenn ich dieß und noch mehr
als dieß abzuſchlagen faͤhig waͤre, ſo ſollte
die ſchnelle Hand des Todes lieber gleich
meine Augen zudruͤcken. Geh alſo nur fort
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ner Bruſt.
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