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Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774.

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mit Recht befürchten müssen -- so wollen
wirs am andern Ende versuchen, auf das
Dach des französischen Gebäudes klettern
und unsere gesunde Vernunft und Empfin-
dung fragen.

Was haben uns die Primaner aus den
Jesuiterkollegien geliefert? Meister? Wir
wollen doch sehen. Die Jtaliener hatten ei-
nen Dante, die Engelländer Shakespearn,
die Deutschen Klopstock, welche das Thea-
ter schon aus ihrem eigenen Gesichtspunkt
ansahen, nicht durch Aristoteles Prisma.
Kein Naserümpfen, daß Dantens Epopee
hier vorkommt, ich sehe überall Theater drin,
bewegliches, Himmel und Hölle, den Mönchs-
zeitenanalog. Da keine Einschränkungen
von Ort und Zeit, und freylich, wenn man
uns auf der Erde keinen Platz vergönnen
will, müssen wir wohl in der Hölle spielen.
Was Shakespear und Klopstock in seinem
Bardiet gethan, wissen wir alle, die Fran-
zosen aber erschrecken vor allem solchen Un-
sinn, wie Voltaire wider den la Motte, der
im halben Rausch was herlallt, von dem er
selbst nicht Rechenschaft zu geben weiß: Le
Francois sont les premiers qui ont fait revivre
ces sages regles de Theatre, les autres peu-
ples -- Mais comme ce joug etoit juste et
que la raison triomphe enfin de tout
--

Man
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mit Recht befuͤrchten muͤſſen — ſo wollen
wirs am andern Ende verſuchen, auf das
Dach des franzoͤſiſchen Gebaͤudes klettern
und unſere geſunde Vernunft und Empfin-
dung fragen.

Was haben uns die Primaner aus den
Jeſuiterkollegien geliefert? Meiſter? Wir
wollen doch ſehen. Die Jtaliener hatten ei-
nen Dante, die Engellaͤnder Shakeſpearn,
die Deutſchen Klopſtock, welche das Thea-
ter ſchon aus ihrem eigenen Geſichtspunkt
anſahen, nicht durch Ariſtoteles Prisma.
Kein Naſeruͤmpfen, daß Dantens Epopee
hier vorkommt, ich ſehe uͤberall Theater drin,
bewegliches, Himmel und Hoͤlle, den Moͤnchs-
zeitenanalog. Da keine Einſchraͤnkungen
von Ort und Zeit, und freylich, wenn man
uns auf der Erde keinen Platz vergoͤnnen
will, muͤſſen wir wohl in der Hoͤlle ſpielen.
Was Shakeſpear und Klopſtock in ſeinem
Bardiet gethan, wiſſen wir alle, die Fran-
zoſen aber erſchrecken vor allem ſolchen Un-
ſinn, wie Voltaire wider den la Motte, der
im halben Rauſch was herlallt, von dem er
ſelbſt nicht Rechenſchaft zu geben weiß: Le
Francois ſont les premiers qui ont fait revivre
ces ſages regles de Theatre, les autres peu-
ples — Mais comme ce joug etoit juſte et
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Man
C 2
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[35/0041] mit Recht befuͤrchten muͤſſen — ſo wollen wirs am andern Ende verſuchen, auf das Dach des franzoͤſiſchen Gebaͤudes klettern und unſere geſunde Vernunft und Empfin- dung fragen. Was haben uns die Primaner aus den Jeſuiterkollegien geliefert? Meiſter? Wir wollen doch ſehen. Die Jtaliener hatten ei- nen Dante, die Engellaͤnder Shakeſpearn, die Deutſchen Klopſtock, welche das Thea- ter ſchon aus ihrem eigenen Geſichtspunkt anſahen, nicht durch Ariſtoteles Prisma. Kein Naſeruͤmpfen, daß Dantens Epopee hier vorkommt, ich ſehe uͤberall Theater drin, bewegliches, Himmel und Hoͤlle, den Moͤnchs- zeitenanalog. Da keine Einſchraͤnkungen von Ort und Zeit, und freylich, wenn man uns auf der Erde keinen Platz vergoͤnnen will, muͤſſen wir wohl in der Hoͤlle ſpielen. Was Shakeſpear und Klopſtock in ſeinem Bardiet gethan, wiſſen wir alle, die Fran- zoſen aber erſchrecken vor allem ſolchen Un- ſinn, wie Voltaire wider den la Motte, der im halben Rauſch was herlallt, von dem er ſelbſt nicht Rechenſchaft zu geben weiß: Le Francois ſont les premiers qui ont fait revivre ces ſages regles de Theatre, les autres peu- ples — Mais comme ce joug etoit juſte et que la raiſon triomphe enfin de tout — Man C 2

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Zitationshilfe: Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenz_anmerkungen_1774/41>, abgerufen am 21.11.2024.