Stücke keine eitlere Frau jemals gesehen haben. Ihre Höflinge stellten sich daher alle in sie ver- liebt, und bedienten sich gegen Ihro Majestät, mit allem Anscheine des Ernstes, des Styls der lächerlichsten Galanterie. Als Raleigh in Un- gnade fiel, schrieb er an seinen Freund Cecil einen Brief, ohne Zweifel damit er ihn weisen sollte, in welchem ihm die Königinn eine Venus, eine Diane, und ich weiß nicht was, war. Gleichwohl war diese Göttinn damals schon sechzig Jahr alt. Fünf Jahr darauf führte Heinrich Unton, ihr Abgesandter in Frankreich, die nehmliche Sprache mit ihr. Kurz, Cor- neille ist hinlänglich berechtiget gewesen, ihr alle die verliebte Schwachheit beyzulegen, durch die er das zärtliche Weib mit der stolzen Königinn in einen so interessanten Streit bringet.
Eben so wenig hat er den Charakter des Essex verstellet, oder verfälschet. Essex, sagt Vol- taire, war der Held gar nicht, zu dem ihn Cor- neille macht: er hat nie etwas merkwürdiges ge- than. Aber, wenn er es nicht war, so glaubte er es doch zu seyn. Die Vernichtung der spani- schen Flotte, die Eroberung von Cadix, an der ihn Voltaire wenig oder gar kein Theil läßt, hielt er so sehr für sein Werk, daß er es durch- aus nicht leiden wollte, wenn sich jemand die ge- ringste Ehre davon anmaßte. Er erbot sich, es
mit
Stuͤcke keine eitlere Frau jemals geſehen haben. Ihre Hoͤflinge ſtellten ſich daher alle in ſie ver- liebt, und bedienten ſich gegen Ihro Majeſtaͤt, mit allem Anſcheine des Ernſtes, des Styls der laͤcherlichſten Galanterie. Als Raleigh in Un- gnade fiel, ſchrieb er an ſeinen Freund Cecil einen Brief, ohne Zweifel damit er ihn weiſen ſollte, in welchem ihm die Koͤniginn eine Venus, eine Diane, und ich weiß nicht was, war. Gleichwohl war dieſe Goͤttinn damals ſchon ſechzig Jahr alt. Fuͤnf Jahr darauf fuͤhrte Heinrich Unton, ihr Abgeſandter in Frankreich, die nehmliche Sprache mit ihr. Kurz, Cor- neille iſt hinlaͤnglich berechtiget geweſen, ihr alle die verliebte Schwachheit beyzulegen, durch die er das zaͤrtliche Weib mit der ſtolzen Koͤniginn in einen ſo intereſſanten Streit bringet.
Eben ſo wenig hat er den Charakter des Eſſex verſtellet, oder verfaͤlſchet. Eſſex, ſagt Vol- taire, war der Held gar nicht, zu dem ihn Cor- neille macht: er hat nie etwas merkwuͤrdiges ge- than. Aber, wenn er es nicht war, ſo glaubte er es doch zu ſeyn. Die Vernichtung der ſpani- ſchen Flotte, die Eroberung von Cadix, an der ihn Voltaire wenig oder gar kein Theil laͤßt, hielt er ſo ſehr fuͤr ſein Werk, daß er es durch- aus nicht leiden wollte, wenn ſich jemand die ge- ringſte Ehre davon anmaßte. Er erbot ſich, es
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Stuͤcke keine eitlere Frau jemals geſehen haben.
Ihre Hoͤflinge ſtellten ſich daher alle in ſie ver-
liebt, und bedienten ſich gegen Ihro Majeſtaͤt,
mit allem Anſcheine des Ernſtes, des Styls der
laͤcherlichſten Galanterie. Als Raleigh in Un-
gnade fiel, ſchrieb er an ſeinen Freund Cecil
einen Brief, ohne Zweifel damit er ihn weiſen
ſollte, in welchem ihm die Koͤniginn eine Venus,
eine Diane, und ich weiß nicht was, war.
Gleichwohl war dieſe Goͤttinn damals ſchon
ſechzig Jahr alt. Fuͤnf Jahr darauf fuͤhrte
Heinrich Unton, ihr Abgeſandter in Frankreich,
die nehmliche Sprache mit ihr. Kurz, Cor-
neille iſt hinlaͤnglich berechtiget geweſen, ihr alle
die verliebte Schwachheit beyzulegen, durch die
er das zaͤrtliche Weib mit der ſtolzen Koͤniginn
in einen ſo intereſſanten Streit bringet.
Eben ſo wenig hat er den Charakter des Eſſex
verſtellet, oder verfaͤlſchet. Eſſex, ſagt Vol-
taire, war der Held gar nicht, zu dem ihn Cor-
neille macht: er hat nie etwas merkwuͤrdiges ge-
than. Aber, wenn er es nicht war, ſo glaubte
er es doch zu ſeyn. Die Vernichtung der ſpani-
ſchen Flotte, die Eroberung von Cadix, an der
ihn Voltaire wenig oder gar kein Theil laͤßt,
hielt er ſo ſehr fuͤr ſein Werk, daß er es durch-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/194>, abgerufen am 21.11.2024.
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