sunden Magen Abscheu erwecken würde, auf faule Eyer, auf Rattenschwänze und Raupen- pasteten; die schmecken ihm. Die edelste, be- scheidenste Schönheit, mit dem schmachtendsten Auge, groß und blau, mit der unschuldigsten empfindlichsten Seele, beherrscht den Sultan, -- bis sie gewonnen ist. Eine andere, majestäti- scher in ihrer Form, blendender von Colorit, blühende Svada auf ihren Lippen, und in ihrer Stimme das ganze liebliche Spiel bezaubernder Töne, eine wahre Muse, nur verführerischer, wird -- genossen, und vergessen. Endlich er- scheinet ein weibliches Ding, flüchtig, unbe- dachtsam, wild, witzig bis zur Unverschämtheit, lustig bis zum Tollen, viel Physiognomie wenig Schönheit, niedlicher als wohlgestaltet, Taille aber keine Figur; dieses Ding, als es den Sul- tan erblickt, fällt mit der plumpesten Schmeiche- ley, wie mit der Thüre ins Haus: Graces au ciel, voici une figure humaine! -- (Eine Schmeicheley, die nicht blos dieser Sultan, auch mancher deutscher Fürst, dann und wann etwas feiner, dann und wann aber auch wohl noch plumper, zu hören bekommen, und mit der unter zehnen neune, so gut wie der Sultan, vorlieb genommen, ohne die Beschimpfung, die sie wirk- lich enthält, zu fühlen.) Und so wie dieses Ein- gangscompliment, so das Uebrige -- Vous eres beaucoup mieux, qu'il n'appartient
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ſunden Magen Abſcheu erwecken wuͤrde, auf faule Eyer, auf Rattenſchwaͤnze und Raupen- paſteten; die ſchmecken ihm. Die edelſte, be- ſcheidenſte Schoͤnheit, mit dem ſchmachtendſten Auge, groß und blau, mit der unſchuldigſten empfindlichſten Seele, beherrſcht den Sultan, — bis ſie gewonnen iſt. Eine andere, majeſtaͤti- ſcher in ihrer Form, blendender von Colorit, bluͤhende Svada auf ihren Lippen, und in ihrer Stimme das ganze liebliche Spiel bezaubernder Toͤne, eine wahre Muſe, nur verfuͤhreriſcher, wird — genoſſen, und vergeſſen. Endlich er- ſcheinet ein weibliches Ding, fluͤchtig, unbe- dachtſam, wild, witzig bis zur Unverſchaͤmtheit, luſtig bis zum Tollen, viel Phyſiognomie wenig Schoͤnheit, niedlicher als wohlgeſtaltet, Taille aber keine Figur; dieſes Ding, als es den Sul- tan erblickt, faͤllt mit der plumpeſten Schmeiche- ley, wie mit der Thuͤre ins Haus: Graces au ciel, voici une figure humaine! — (Eine Schmeicheley, die nicht blos dieſer Sultan, auch mancher deutſcher Fuͤrſt, dann und wann etwas feiner, dann und wann aber auch wohl noch plumper, zu hoͤren bekommen, und mit der unter zehnen neune, ſo gut wie der Sultan, vorlieb genommen, ohne die Beſchimpfung, die ſie wirk- lich enthaͤlt, zu fuͤhlen.) Und ſo wie dieſes Ein- gangscompliment, ſo das Uebrige — Vous eres beaucoup mieux, qu’il n’appartient
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ſunden Magen Abſcheu erwecken wuͤrde, auf
faule Eyer, auf Rattenſchwaͤnze und Raupen-
paſteten; die ſchmecken ihm. Die edelſte, be-
ſcheidenſte Schoͤnheit, mit dem ſchmachtendſten
Auge, groß und blau, mit der unſchuldigſten
empfindlichſten Seele, beherrſcht den Sultan, —
bis ſie gewonnen iſt. Eine andere, majeſtaͤti-
ſcher in ihrer Form, blendender von Colorit,
bluͤhende Svada auf ihren Lippen, und in ihrer
Stimme das ganze liebliche Spiel bezaubernder
Toͤne, eine wahre Muſe, nur verfuͤhreriſcher,
wird — genoſſen, und vergeſſen. Endlich er-
ſcheinet ein weibliches Ding, fluͤchtig, unbe-
dachtſam, wild, witzig bis zur Unverſchaͤmtheit,
luſtig bis zum Tollen, viel Phyſiognomie wenig
Schoͤnheit, niedlicher als wohlgeſtaltet, Taille
aber keine Figur; dieſes Ding, als es den Sul-
tan erblickt, faͤllt mit der plumpeſten Schmeiche-
ley, wie mit der Thuͤre ins Haus: Graces au
ciel, voici une figure humaine! — (Eine
Schmeicheley, die nicht blos dieſer Sultan, auch
mancher deutſcher Fuͤrſt, dann und wann etwas
feiner, dann und wann aber auch wohl noch
plumper, zu hoͤren bekommen, und mit der unter
zehnen neune, ſo gut wie der Sultan, vorlieb
genommen, ohne die Beſchimpfung, die ſie wirk-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/273>, abgerufen am 22.11.2024.
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