"hat mit diesem Fehler, diesem Mangel von "Kunst und Genie, einen andern Fehler ver- "bessern wollen, den er in der erstern Ausgabe "seines Stückes begangen hatte. Aegisth rief "da: Ach, Polydor, mein Vater! Und dieser "Polydor war eben der Mann, dem Merope ih- "ren Sohn anvertrauet hatte. Bey dem Na- "men Polydor hätte die Königinn gar nicht mehr "zweifeln müssen, daß Aegisth ihr Sohn sey; "und das Stück wäre aus gewesen. Nun ist "dieser Fehler zwar weggeschaft; aber seine "Stelle hat ein noch weit gröberer eingenom- "men." Es ist wahr, in der ersten Ausgabe nennt Aegisth den Polydor seinen Vater; aber in den nachherigen Ausgaben ist von gar keinem Vater mehr die Rede. Die Königinn stutzt blos bey dem Namen Polydor, der den Aegisth gewarnet habe, ja keinen Fuß in das Messeni- sche Gebiete zu setzen. Sie giebt auch ihr Vor- haben darum nicht auf; sie fodert blos nähere Erklärung; und ehe sie diese erhalten kann, kömmt der König dazu. Der König läßt den Aegisth wieder los binden, und da er die That, weßwegen Aegisth eingebracht worden, billiget und rühmet, und sie als eine wahre Heldenthat zu belohnen verspricht: so muß wohl Merope in ihren ersten Verdacht wieder zurückfallen. Kann der ihr Sohn seyn, den Polyphontes eben dar- um belohnen will, weil er ihren Sohn umge-
bracht
〟hat mit dieſem Fehler, dieſem Mangel von 〟Kunſt und Genie, einen andern Fehler ver- 〟beſſern wollen, den er in der erſtern Ausgabe 〟ſeines Stuͤckes begangen hatte. Aegisth rief 〟da: Ach, Polydor, mein Vater! Und dieſer 〟Polydor war eben der Mann, dem Merope ih- 〟ren Sohn anvertrauet hatte. Bey dem Na- 〟men Polydor haͤtte die Koͤniginn gar nicht mehr 〟zweifeln muͤſſen, daß Aegisth ihr Sohn ſey; 〟und das Stuͤck waͤre aus geweſen. Nun iſt 〟dieſer Fehler zwar weggeſchaft; aber ſeine 〟Stelle hat ein noch weit groͤberer eingenom- 〟men.〟 Es iſt wahr, in der erſten Ausgabe nennt Aegisth den Polydor ſeinen Vater; aber in den nachherigen Ausgaben iſt von gar keinem Vater mehr die Rede. Die Koͤniginn ſtutzt blos bey dem Namen Polydor, der den Aegisth gewarnet habe, ja keinen Fuß in das Meſſeni- ſche Gebiete zu ſetzen. Sie giebt auch ihr Vor- haben darum nicht auf; ſie fodert blos naͤhere Erklaͤrung; und ehe ſie dieſe erhalten kann, koͤmmt der Koͤnig dazu. Der Koͤnig laͤßt den Aegisth wieder los binden, und da er die That, weßwegen Aegisth eingebracht worden, billiget und ruͤhmet, und ſie als eine wahre Heldenthat zu belohnen verſpricht: ſo muß wohl Merope in ihren erſten Verdacht wieder zuruͤckfallen. Kann der ihr Sohn ſeyn, den Polyphontes eben dar- um belohnen will, weil er ihren Sohn umge-
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〟hat mit dieſem Fehler, dieſem Mangel von
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〟ſeines Stuͤckes begangen hatte. Aegisth rief
〟da: Ach, Polydor, mein Vater! Und dieſer
〟Polydor war eben der Mann, dem Merope ih-
〟ren Sohn anvertrauet hatte. Bey dem Na-
〟men Polydor haͤtte die Koͤniginn gar nicht mehr
〟zweifeln muͤſſen, daß Aegisth ihr Sohn ſey;
〟und das Stuͤck waͤre aus geweſen. Nun iſt
〟dieſer Fehler zwar weggeſchaft; aber ſeine
〟Stelle hat ein noch weit groͤberer eingenom-
〟men.〟 Es iſt wahr, in der erſten Ausgabe
nennt Aegisth den Polydor ſeinen Vater; aber
in den nachherigen Ausgaben iſt von gar keinem
Vater mehr die Rede. Die Koͤniginn ſtutzt
blos bey dem Namen Polydor, der den Aegisth
gewarnet habe, ja keinen Fuß in das Meſſeni-
ſche Gebiete zu ſetzen. Sie giebt auch ihr Vor-
haben darum nicht auf; ſie fodert blos naͤhere
Erklaͤrung; und ehe ſie dieſe erhalten kann,
koͤmmt der Koͤnig dazu. Der Koͤnig laͤßt den
Aegisth wieder los binden, und da er die That,
weßwegen Aegisth eingebracht worden, billiget
und ruͤhmet, und ſie als eine wahre Heldenthat
zu belohnen verſpricht: ſo muß wohl Merope in
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/352>, abgerufen am 22.11.2024.
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