spieler, denen an einem vernünftigen Beyfalle gelegen ist. "Ich bitte Euch, läßt er ihn unter andern zu dem Komödianten sagen, "sprecht die "Rede so, wie ich sie Euch vorsagte; die Zunge "muß nur eben darüber hinlaufen. Aber wenn "ihr mir sie so heraushalset, wie es manche von "unsern Schauspielern thun: seht, so wäre mir "es eben so lieb gewesen, wenn der Stadtschreyer "meine Verse gesagt hätte. Auch durchsägt "mir mit eurer Hand nicht so sehr die Luft, son- "dern macht alles hübsch artig; denn mitten in "dem Strome, mitten in dem Sturme, mitten, "so zu reden, in dem Wirbelwinde der Leiden- "schaften, müßt ihr noch einen Grad von Mäßi- "gung beobachten, der ihnen das Glatte und Ge- "schmeidige giebt.
Man spricht so viel von dem Feuer des Schau- spielers; man zerstreitet sich so sehr, ob ein Schau- spieler zu viel Feuer haben könne. Wenn die, welche es behaupten, zum Beweise anführen, daß ein Schauspieler ja wohl am unrechten Orte heftig, oder wenigstens heftiger seyn könne, als es die Umstände erfodern: so haben die, welche es leugnen, Recht zu sagen, daß in solchem Falle der Schauspieler nicht zu viel Feuer, son- dern zu wenig Verstand zeige. Ueberhaupt kömmt es aber wohl darauf an, was wir unter dem Worte Feuer verstehen. Wenn Geschrey und Kontorsionen Feuer sind, so ist es wohl un-
streitig,
ſpieler, denen an einem vernuͤnftigen Beyfalle gelegen iſt. 〟Ich bitte Euch, laͤßt er ihn unter andern zu dem Komoͤdianten ſagen, 〟ſprecht die 〟Rede ſo, wie ich ſie Euch vorſagte; die Zunge 〟muß nur eben daruͤber hinlaufen. Aber wenn 〟ihr mir ſie ſo heraushalſet, wie es manche von 〟unſern Schauſpielern thun: ſeht, ſo waͤre mir 〟es eben ſo lieb geweſen, wenn der Stadtſchreyer 〟meine Verſe geſagt haͤtte. Auch durchſaͤgt 〟mir mit eurer Hand nicht ſo ſehr die Luft, ſon- 〟dern macht alles huͤbſch artig; denn mitten in 〟dem Strome, mitten in dem Sturme, mitten, 〟ſo zu reden, in dem Wirbelwinde der Leiden- 〟ſchaften, muͤßt ihr noch einen Grad von Maͤßi- 〟gung beobachten, der ihnen das Glatte und Ge- 〟ſchmeidige giebt.
Man ſpricht ſo viel von dem Feuer des Schau- ſpielers; man zerſtreitet ſich ſo ſehr, ob ein Schau- ſpieler zu viel Feuer haben koͤnne. Wenn die, welche es behaupten, zum Beweiſe anfuͤhren, daß ein Schauſpieler ja wohl am unrechten Orte heftig, oder wenigſtens heftiger ſeyn koͤnne, als es die Umſtaͤnde erfodern: ſo haben die, welche es leugnen, Recht zu ſagen, daß in ſolchem Falle der Schauſpieler nicht zu viel Feuer, ſon- dern zu wenig Verſtand zeige. Ueberhaupt koͤmmt es aber wohl darauf an, was wir unter dem Worte Feuer verſtehen. Wenn Geſchrey und Kontorſionen Feuer ſind, ſo iſt es wohl un-
ſtreitig,
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ſpieler, denen an einem vernuͤnftigen Beyfalle
gelegen iſt. 〟Ich bitte Euch, laͤßt er ihn unter
andern zu dem Komoͤdianten ſagen, 〟ſprecht die
〟Rede ſo, wie ich ſie Euch vorſagte; die Zunge
〟muß nur eben daruͤber hinlaufen. Aber wenn
〟ihr mir ſie ſo heraushalſet, wie es manche von
〟unſern Schauſpielern thun: ſeht, ſo waͤre mir
〟es eben ſo lieb geweſen, wenn der Stadtſchreyer
〟meine Verſe geſagt haͤtte. Auch durchſaͤgt
〟mir mit eurer Hand nicht ſo ſehr die Luft, ſon-
〟dern macht alles huͤbſch artig; denn mitten in
〟dem Strome, mitten in dem Sturme, mitten,
〟ſo zu reden, in dem Wirbelwinde der Leiden-
〟ſchaften, muͤßt ihr noch einen Grad von Maͤßi-
〟gung beobachten, der ihnen das Glatte und Ge-
〟ſchmeidige giebt.
Man ſpricht ſo viel von dem Feuer des Schau-
ſpielers; man zerſtreitet ſich ſo ſehr, ob ein Schau-
ſpieler zu viel Feuer haben koͤnne. Wenn die,
welche es behaupten, zum Beweiſe anfuͤhren,
daß ein Schauſpieler ja wohl am unrechten Orte
heftig, oder wenigſtens heftiger ſeyn koͤnne, als
es die Umſtaͤnde erfodern: ſo haben die, welche
es leugnen, Recht zu ſagen, daß in ſolchem
Falle der Schauſpieler nicht zu viel Feuer, ſon-
dern zu wenig Verſtand zeige. Ueberhaupt
koͤmmt es aber wohl darauf an, was wir unter
dem Worte Feuer verſtehen. Wenn Geſchrey
und Kontorſionen Feuer ſind, ſo iſt es wohl un-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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