ist auf die letztere gelehnet, und scheinet tief im Gespräche zu seyn, ohne den Grafen nur ein einzigesmal anzusehen. Nachdem sie ihn eine Weile vor sich knien lassen, verläßt sie auf ein- mal das Zimmer, und gebiethet allen, die es redlich mit ihr meinen, ihr zu folgen, und den Verräther allein zu lassen. Niemand darf es wagen, ihr ungehorsam zu seyn; selbst Sout- hampton gehet mit ihr ab, kömmt aber bald, mit der trostlosen Rutland, wieder, ihren Freund bey seinem Unfalle zu beklagen. Gleich darauf schicket die Königinn den Burleigh und Raleigh zu dem Grafen, ihm den Kommandostab abzu- nehmen; er weigert sich aber, ihn in andere, als in der Königinn eigene Hände, zurück zu liefern, und beiden Ministern wird, sowohl von ihm, als von dem Southampton, sehr verächt- lich begegnet. (Zweyter Akt.)
Die Königinn, der dieses sein Betragen so- gleich hinterbracht wird, ist äußerst gereitzt, aber doch in ihren Gedanken noch immer unei- nig. Sie kann weder die Verunglimpfungen, deren sich die Nottingham gegen ihn erkühnt, noch die Lobsprüche vertragen, die ihm die un- bedachtsame Rutland aus der Fülle ihres Her- zens ertheilet; ja, diese sind ihr noch mehr zu- wider als jene, weil sie daraus entdeckt, daß die Rutland ihn liebet. Zuletzt befiehlt sie, dem ohngeachtet, daß er vor sie gebracht werden
soll.
iſt auf die letztere gelehnet, und ſcheinet tief im Geſpräche zu ſeyn, ohne den Grafen nur ein einzigesmal anzuſehen. Nachdem ſie ihn eine Weile vor ſich knien laſſen, verläßt ſie auf ein- mal das Zimmer, und gebiethet allen, die es redlich mit ihr meinen, ihr zu folgen, und den Verräther allein zu laſſen. Niemand darf es wagen, ihr ungehorſam zu ſeyn; ſelbſt Sout- hampton gehet mit ihr ab, kömmt aber bald, mit der troſtloſen Rutland, wieder, ihren Freund bey ſeinem Unfalle zu beklagen. Gleich darauf ſchicket die Königinn den Burleigh und Raleigh zu dem Grafen, ihm den Kommandoſtab abzu- nehmen; er weigert ſich aber, ihn in andere, als in der Königinn eigene Hände, zurück zu liefern, und beiden Miniſtern wird, ſowohl von ihm, als von dem Southampton, ſehr verächt- lich begegnet. (Zweyter Akt.)
Die Königinn, der dieſes ſein Betragen ſo- gleich hinterbracht wird, iſt äußerſt gereitzt, aber doch in ihren Gedanken noch immer unei- nig. Sie kann weder die Verunglimpfungen, deren ſich die Nottingham gegen ihn erkühnt, noch die Lobſprüche vertragen, die ihm die un- bedachtſame Rutland aus der Fülle ihres Her- zens ertheilet; ja, dieſe ſind ihr noch mehr zu- wider als jene, weil ſie daraus entdeckt, daß die Rutland ihn liebet. Zuletzt befiehlt ſie, dem ohngeachtet, daß er vor ſie gebracht werden
ſoll.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0020"n="14"/>
iſt auf die letztere gelehnet, und ſcheinet tief im<lb/>
Geſpräche zu ſeyn, ohne den Grafen nur ein<lb/>
einzigesmal anzuſehen. Nachdem ſie ihn eine<lb/>
Weile vor ſich knien laſſen, verläßt ſie auf ein-<lb/>
mal das Zimmer, und gebiethet allen, die es<lb/>
redlich mit ihr meinen, ihr zu folgen, und den<lb/>
Verräther allein zu laſſen. Niemand darf es<lb/>
wagen, ihr ungehorſam zu ſeyn; ſelbſt Sout-<lb/>
hampton gehet mit ihr ab, kömmt aber bald, mit<lb/>
der troſtloſen Rutland, wieder, ihren Freund<lb/>
bey ſeinem Unfalle zu beklagen. Gleich darauf<lb/>ſchicket die Königinn den Burleigh und Raleigh<lb/>
zu dem Grafen, ihm den Kommandoſtab abzu-<lb/>
nehmen; er weigert ſich aber, ihn in andere,<lb/>
als in der Königinn eigene Hände, zurück zu<lb/>
liefern, und beiden Miniſtern wird, ſowohl von<lb/>
ihm, als von dem Southampton, ſehr verächt-<lb/>
lich begegnet. (Zweyter Akt.)</p><lb/><p>Die Königinn, der dieſes ſein Betragen ſo-<lb/>
gleich hinterbracht wird, iſt äußerſt gereitzt,<lb/>
aber doch in ihren Gedanken noch immer unei-<lb/>
nig. Sie kann weder die Verunglimpfungen,<lb/>
deren ſich die Nottingham gegen ihn erkühnt,<lb/>
noch die Lobſprüche vertragen, die ihm die un-<lb/>
bedachtſame Rutland aus der Fülle ihres Her-<lb/>
zens ertheilet; ja, dieſe ſind ihr noch mehr zu-<lb/>
wider als jene, weil ſie daraus entdeckt, daß<lb/>
die Rutland ihn liebet. Zuletzt befiehlt ſie, dem<lb/>
ohngeachtet, daß er vor ſie gebracht werden<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſoll.</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[14/0020]
iſt auf die letztere gelehnet, und ſcheinet tief im
Geſpräche zu ſeyn, ohne den Grafen nur ein
einzigesmal anzuſehen. Nachdem ſie ihn eine
Weile vor ſich knien laſſen, verläßt ſie auf ein-
mal das Zimmer, und gebiethet allen, die es
redlich mit ihr meinen, ihr zu folgen, und den
Verräther allein zu laſſen. Niemand darf es
wagen, ihr ungehorſam zu ſeyn; ſelbſt Sout-
hampton gehet mit ihr ab, kömmt aber bald, mit
der troſtloſen Rutland, wieder, ihren Freund
bey ſeinem Unfalle zu beklagen. Gleich darauf
ſchicket die Königinn den Burleigh und Raleigh
zu dem Grafen, ihm den Kommandoſtab abzu-
nehmen; er weigert ſich aber, ihn in andere,
als in der Königinn eigene Hände, zurück zu
liefern, und beiden Miniſtern wird, ſowohl von
ihm, als von dem Southampton, ſehr verächt-
lich begegnet. (Zweyter Akt.)
Die Königinn, der dieſes ſein Betragen ſo-
gleich hinterbracht wird, iſt äußerſt gereitzt,
aber doch in ihren Gedanken noch immer unei-
nig. Sie kann weder die Verunglimpfungen,
deren ſich die Nottingham gegen ihn erkühnt,
noch die Lobſprüche vertragen, die ihm die un-
bedachtſame Rutland aus der Fülle ihres Her-
zens ertheilet; ja, dieſe ſind ihr noch mehr zu-
wider als jene, weil ſie daraus entdeckt, daß
die Rutland ihn liebet. Zuletzt befiehlt ſie, dem
ohngeachtet, daß er vor ſie gebracht werden
ſoll.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/20>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.