"den Plan der Fabel nach der Wahrscheinlichkeit "entworfen haben, legen sie den Personen will- "kührliche Namen bey, und setzen sich nicht, "wie die jambischen Dichter, einen besondern "Vorwurf zum Ziele." Was findet man in diesen Uebersetzungen von dem, was Aristoteles hier vornehmlich sagen will? Beide lassen ihn weiter nichts sagen, als daß die komischen Dich- ter es nicht machten wie die Jambischen, (das ist, satyrischen Dichter,) und sich an das Einzelne hielten, sondern auf das Allgemeine mit ihren Personen giengen, denen sie willkührliche Namen, tels noms qu'il leur plait, beyleg- ten. Gesetzt nun auch, daß ta tukhonta ono- mata dergleichen Namen bedeuten könnten: wo haben denn beide Uebersetzer das ou`to gelas- sen? Schien ihnen denn dieses ou`to gar nichts zu sagen? Und doch sagt es hier alles: denn diesem ou`to zu Folge, legten die komischen Dich- ter ihren Personen nicht allein willkührliche Na- men bey, sondern sie legten ihnen diese willkühr- liche Namen so, ou'to, bey. Und wie so? So, daß sie mit diesen Namen selbst auf das Allgemeine zielten: ou' stokhazetai e poiesis onomata epitithemene. Und wie geschah das? Davon finde man mir ein Wort in den Anmer- kungen des Dacier und Curtius!
Ohne weitere Umschweife: es geschah so, wie ich nun sagen will. Die Komödie gab ihren
Per-
„den Plan der Fabel nach der Wahrſcheinlichkeit „entworfen haben, legen ſie den Perſonen will- „kührliche Namen bey, und ſetzen ſich nicht, „wie die jambiſchen Dichter, einen beſondern „Vorwurf zum Ziele.„ Was findet man in dieſen Ueberſetzungen von dem, was Ariſtoteles hier vornehmlich ſagen will? Beide laſſen ihn weiter nichts ſagen, als daß die komiſchen Dich- ter es nicht machten wie die Jambiſchen, (das iſt, ſatyriſchen Dichter,) und ſich an das Einzelne hielten, ſondern auf das Allgemeine mit ihren Perſonen giengen, denen ſie willkührliche Namen, tels noms qu’il leur plait, beyleg- ten. Geſetzt nun auch, daß τα τυχοντα ὀνο- ματα dergleichen Namen bedeuten könnten: wo haben denn beide Ueberſetzer das ου῾τω gelaſ- ſen? Schien ihnen denn dieſes ου῾τω gar nichts zu ſagen? Und doch ſagt es hier alles: denn dieſem ου῾τω zu Folge, legten die komiſchen Dich- ter ihren Perſonen nicht allein willkührliche Na- men bey, ſondern ſie legten ihnen dieſe willkühr- liche Namen ſo, ου᾽τω, bey. Und wie ſo? So, daß ſie mit dieſen Namen ſelbſt auf das Allgemeine zielten: ου᾽ ϛοχαζεται ἠ ποιησις ὁνοματα ἐπιτιϑεμενη. Und wie geſchah das? Davon finde man mir ein Wort in den Anmer- kungen des Dacier und Curtius!
Ohne weitere Umſchweife: es geſchah ſo, wie ich nun ſagen will. Die Komödie gab ihren
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„den Plan der Fabel nach der Wahrſcheinlichkeit
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„wie die jambiſchen Dichter, einen beſondern
„Vorwurf zum Ziele.„ Was findet man in
dieſen Ueberſetzungen von dem, was Ariſtoteles
hier vornehmlich ſagen will? Beide laſſen ihn
weiter nichts ſagen, als daß die komiſchen Dich-
ter es nicht machten wie die Jambiſchen, (das iſt,
ſatyriſchen Dichter,) und ſich an das Einzelne
hielten, ſondern auf das Allgemeine mit ihren
Perſonen giengen, denen ſie willkührliche
Namen, tels noms qu’il leur plait, beyleg-
ten. Geſetzt nun auch, daß τα τυχοντα ὀνο-
ματα dergleichen Namen bedeuten könnten:
wo haben denn beide Ueberſetzer das ου῾τω gelaſ-
ſen? Schien ihnen denn dieſes ου῾τω gar nichts
zu ſagen? Und doch ſagt es hier alles: denn
dieſem ου῾τω zu Folge, legten die komiſchen Dich-
ter ihren Perſonen nicht allein willkührliche Na-
men bey, ſondern ſie legten ihnen dieſe willkühr-
liche Namen ſo, ου᾽τω, bey. Und wie ſo?
So, daß ſie mit dieſen Namen ſelbſt auf das
Allgemeine zielten: ου᾽ ϛοχαζεται ἠ ποιησις
ὁνοματα ἐπιτιϑεμενη. Und wie geſchah das?
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/304>, abgerufen am 22.11.2024.
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