Hamburgische Dramaturgie. Fünf und neunzigstes Stück.
Den 29sten Merz, 1768.
"Die Geschichte seiner Elektra ist ganz be- "kannt. Der Dichter hatte, in dem "Charakter dieser Prinzeßinn, ein tu- "gendhaftes, aber mit Stolz und Groll erfüll- "tes Frauenzimmer zu schildern, welches durch "die Härte, mit der man sich gegen sie selbst be- "trug, erbittert war, und durch noch weit stär- "kere Bewegungsgründe angetrieben ward, den "Tod eines Vaters zu rächen. Eine solche hef- "tige Gemüthsverfassung, kann der Philosoph "in seinem Winkel wohl schliessen, muß immer "sehr bereit seyn, sich zu äußern. Elektra, "kann er wohl einsehen, muß, bey der gering- "sten schicklichen Gelegenheit, ihren Groll an "den Tag legen, und die Ausführung ihres "Vorhabens beschleunigen zu können wünschen. "Aber zu welcher Höhe dieser Groll steigen "darf? d. i. wie stark Elektra ihre Rachsucht
"aus-
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Hamburgiſche Dramaturgie. Fünf und neunzigſtes Stück.
Den 29ſten Merz, 1768.
„Die Geſchichte ſeiner Elektra iſt ganz be- „kannt. Der Dichter hatte, in dem „Charakter dieſer Prinzeßinn, ein tu- „gendhaftes, aber mit Stolz und Groll erfüll- „tes Frauenzimmer zu ſchildern, welches durch „die Härte, mit der man ſich gegen ſie ſelbſt be- „trug, erbittert war, und durch noch weit ſtär- „kere Bewegungsgründe angetrieben ward, den „Tod eines Vaters zu rächen. Eine ſolche hef- „tige Gemüthsverfaſſung, kann der Philoſoph „in ſeinem Winkel wohl ſchlieſſen, muß immer „ſehr bereit ſeyn, ſich zu äußern. Elektra, „kann er wohl einſehen, muß, bey der gering- „ſten ſchicklichen Gelegenheit, ihren Groll an „den Tag legen, und die Ausführung ihres „Vorhabens beſchleunigen zu können wünſchen. „Aber zu welcher Höhe dieſer Groll ſteigen „darf? d. i. wie ſtark Elektra ihre Rachſucht
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Hamburgiſche
Dramaturgie.
Fünf und neunzigſtes Stück.
Den 29ſten Merz, 1768.
„Die Geſchichte ſeiner Elektra iſt ganz be-
„kannt. Der Dichter hatte, in dem
„Charakter dieſer Prinzeßinn, ein tu-
„gendhaftes, aber mit Stolz und Groll erfüll-
„tes Frauenzimmer zu ſchildern, welches durch
„die Härte, mit der man ſich gegen ſie ſelbſt be-
„trug, erbittert war, und durch noch weit ſtär-
„kere Bewegungsgründe angetrieben ward, den
„Tod eines Vaters zu rächen. Eine ſolche hef-
„tige Gemüthsverfaſſung, kann der Philoſoph
„in ſeinem Winkel wohl ſchlieſſen, muß immer
„ſehr bereit ſeyn, ſich zu äußern. Elektra,
„kann er wohl einſehen, muß, bey der gering-
„ſten ſchicklichen Gelegenheit, ihren Groll an
„den Tag legen, und die Ausführung ihres
„Vorhabens beſchleunigen zu können wünſchen.
„Aber zu welcher Höhe dieſer Groll ſteigen
„darf? d. i. wie ſtark Elektra ihre Rachſucht
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. [337]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/343>, abgerufen am 22.11.2024.
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