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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

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von dem, was ich selbst nicht zu machen vermag,
doch urtheilen, ob es sich machen läßt. Jch
verlange auch nur eine Stimme unter uns, wo
so mancher sich eine anmaßt, der, wenn er nicht
dem oder jenem Ausländer nachplaudern gelernt
hätte, stummer seyn würde, als ein Fisch.

Aber man kann studieren, und sich tief in den
Jrrthum hinein studieren. Was mich also ver-
sichert, daß mir dergleichen nicht begegnet sey,
daß ich das Wesen der dramatischen Dichtkunst
nicht verkenne, ist dieses, daß ich es vollkom-
men so erkenne, wie es Aristoteles aus den un-
zähligen Meisterstücken der griechischen Bühne
abstrahiret hat. Jch habe von dem Entstehen,
von der Grundlage der Dichtkunst dieses Philo-
sophen, meine eigene Gedanken, die ich hier
ohne Weitläuftigkeit nicht äußern könnte. Jn-
deß steh ich nicht an, zu bekennen, (und sollte
ich in diesen erleuchteten Zeiten auch darüber
ausgelacht werden!) daß ich sie für ein eben so
unfehlbares Werk halte, als die Elemente des
Euklides nur immer sind. Jhre Grundsätze
sind eben so wahr und gewiß, nur freylich nicht
so faßlich, und daher mehr der Chicane ausge-
setzt, als alles, was diese enthalten. Beson-
ders getraue ich mir von der Tragödie, als über
die uns die Zeit so ziemlich alles daraus gönnen
wollen, unwidersprechlich zu beweisen, daß sie
sich von der Richtschnur des Aristoteles keinen

Schritt

von dem, was ich ſelbſt nicht zu machen vermag,
doch urtheilen, ob es ſich machen läßt. Jch
verlange auch nur eine Stimme unter uns, wo
ſo mancher ſich eine anmaßt, der, wenn er nicht
dem oder jenem Ausländer nachplaudern gelernt
hätte, ſtummer ſeyn würde, als ein Fiſch.

Aber man kann ſtudieren, und ſich tief in den
Jrrthum hinein ſtudieren. Was mich alſo ver-
ſichert, daß mir dergleichen nicht begegnet ſey,
daß ich das Weſen der dramatiſchen Dichtkunſt
nicht verkenne, iſt dieſes, daß ich es vollkom-
men ſo erkenne, wie es Ariſtoteles aus den un-
zähligen Meiſterſtücken der griechiſchen Bühne
abſtrahiret hat. Jch habe von dem Entſtehen,
von der Grundlage der Dichtkunſt dieſes Philo-
ſophen, meine eigene Gedanken, die ich hier
ohne Weitläuftigkeit nicht äußern könnte. Jn-
deß ſteh ich nicht an, zu bekennen, (und ſollte
ich in dieſen erleuchteten Zeiten auch darüber
ausgelacht werden!) daß ich ſie für ein eben ſo
unfehlbares Werk halte, als die Elemente des
Euklides nur immer ſind. Jhre Grundſätze
ſind eben ſo wahr und gewiß, nur freylich nicht
ſo faßlich, und daher mehr der Chicane ausge-
ſetzt, als alles, was dieſe enthalten. Beſon-
ders getraue ich mir von der Tragödie, als über
die uns die Zeit ſo ziemlich alles daraus gönnen
wollen, unwiderſprechlich zu beweiſen, daß ſie
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Schritt
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[396/0402] von dem, was ich ſelbſt nicht zu machen vermag, doch urtheilen, ob es ſich machen läßt. Jch verlange auch nur eine Stimme unter uns, wo ſo mancher ſich eine anmaßt, der, wenn er nicht dem oder jenem Ausländer nachplaudern gelernt hätte, ſtummer ſeyn würde, als ein Fiſch. Aber man kann ſtudieren, und ſich tief in den Jrrthum hinein ſtudieren. Was mich alſo ver- ſichert, daß mir dergleichen nicht begegnet ſey, daß ich das Weſen der dramatiſchen Dichtkunſt nicht verkenne, iſt dieſes, daß ich es vollkom- men ſo erkenne, wie es Ariſtoteles aus den un- zähligen Meiſterſtücken der griechiſchen Bühne abſtrahiret hat. Jch habe von dem Entſtehen, von der Grundlage der Dichtkunſt dieſes Philo- ſophen, meine eigene Gedanken, die ich hier ohne Weitläuftigkeit nicht äußern könnte. Jn- deß ſteh ich nicht an, zu bekennen, (und ſollte ich in dieſen erleuchteten Zeiten auch darüber ausgelacht werden!) daß ich ſie für ein eben ſo unfehlbares Werk halte, als die Elemente des Euklides nur immer ſind. Jhre Grundſätze ſind eben ſo wahr und gewiß, nur freylich nicht ſo faßlich, und daher mehr der Chicane ausge- ſetzt, als alles, was dieſe enthalten. Beſon- ders getraue ich mir von der Tragödie, als über die uns die Zeit ſo ziemlich alles daraus gönnen wollen, unwiderſprechlich zu beweiſen, daß ſie ſich von der Richtſchnur des Ariſtoteles keinen Schritt

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/402>, abgerufen am 18.12.2024.