[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].
ist dem ohngeachtet zu tadeln. -- Komm her, meine Liebe; laß mich an deinen Busen mich lehnen. -- O gewiß, man legt mir es zu nahe! Nein, so will ich mich nicht unter ihr Joch bringen lassen. Sie vergessen, daß ich ihre Königinn bin. -- Ah, Lie- be; so ein Freund hat mir längst gefehlt, gegen den ich so meinen Kummer ausschütten kann! -- Rutland. Siehe meine Thränen, Königinn -- Dich so leiden zu sehen, die ich so bewundere! -- O, daß mein guter Engel Gedanken in meine Seele, und Worte auf meine Zunge legen wollte, den Sturm in Deiner Brust zu beschwören, und Balsam in Deine Wunden zu gießen! Die Königinn. O, so wärest du mein gu- ter Engel! mitleidige, beste Rutland! -- Sage, ist es nicht Schade, daß so ein braver Mann ein Verräther seyn soll? daß so ein Held, der wie ein Gott verehret ward, sich so erniedrigen kann, mich um einen kleinen Thron bringen zu wollen? Rutland. Das hätte er gewollt? das könnte er wollen? Nein, Königinn, gewiß nicht, gewiß nicht! Wie oft habe ich ihn von Dir sprechen hören! mit welcher Ergebenheit, mit welcher Bewunde- rung, mit welchem Entzücken habe ich ihn von Dir sprechen hören! Die Königinn. Hast du ihn wirklich von mir sprechen hören? Rutland. Und immer als einen Begeisterten, aus dem nicht kalte Ueberlegung, aus dem ein in- neres F 2
iſt dem ohngeachtet zu tadeln. — Komm her, meine Liebe; laß mich an deinen Buſen mich lehnen. — O gewiß, man legt mir es zu nahe! Nein, ſo will ich mich nicht unter ihr Joch bringen laſſen. Sie vergeſſen, daß ich ihre Königinn bin. — Ah, Lie- be; ſo ein Freund hat mir längſt gefehlt, gegen den ich ſo meinen Kummer ausſchütten kann! — Rutland. Siehe meine Thränen, Königinn — Dich ſo leiden zu ſehen, die ich ſo bewundere! — O, daß mein guter Engel Gedanken in meine Seele, und Worte auf meine Zunge legen wollte, den Sturm in Deiner Bruſt zu beſchwören, und Balſam in Deine Wunden zu gießen! Die Königinn. O, ſo wäreſt du mein gu- ter Engel! mitleidige, beſte Rutland! — Sage, iſt es nicht Schade, daß ſo ein braver Mann ein Verräther ſeyn ſoll? daß ſo ein Held, der wie ein Gott verehret ward, ſich ſo erniedrigen kann, mich um einen kleinen Thron bringen zu wollen? Rutland. Das hätte er gewollt? das könnte er wollen? Nein, Königinn, gewiß nicht, gewiß nicht! Wie oft habe ich ihn von Dir ſprechen hören! mit welcher Ergebenheit, mit welcher Bewunde- rung, mit welchem Entzücken habe ich ihn von Dir ſprechen hören! Die Königinn. Haſt du ihn wirklich von mir ſprechen hören? Rutland. Und immer als einen Begeiſterten, aus dem nicht kalte Ueberlegung, aus dem ein in- neres F 2
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iſt dem ohngeachtet zu tadeln. — Komm her, meine
Liebe; laß mich an deinen Buſen mich lehnen. —
O gewiß, man legt mir es zu nahe! Nein, ſo will
ich mich nicht unter ihr Joch bringen laſſen. Sie
vergeſſen, daß ich ihre Königinn bin. — Ah, Lie-
be; ſo ein Freund hat mir längſt gefehlt, gegen
den ich ſo meinen Kummer ausſchütten kann! —
Rutland. Siehe meine Thränen, Königinn —
Dich ſo leiden zu ſehen, die ich ſo bewundere! —
O, daß mein guter Engel Gedanken in meine
Seele, und Worte auf meine Zunge legen wollte,
den Sturm in Deiner Bruſt zu beſchwören, und
Balſam in Deine Wunden zu gießen!
Die Königinn. O, ſo wäreſt du mein gu-
ter Engel! mitleidige, beſte Rutland! — Sage,
iſt es nicht Schade, daß ſo ein braver Mann ein
Verräther ſeyn ſoll? daß ſo ein Held, der wie ein
Gott verehret ward, ſich ſo erniedrigen kann, mich
um einen kleinen Thron bringen zu wollen?
Rutland. Das hätte er gewollt? das könnte
er wollen? Nein, Königinn, gewiß nicht, gewiß
nicht! Wie oft habe ich ihn von Dir ſprechen hören!
mit welcher Ergebenheit, mit welcher Bewunde-
rung, mit welchem Entzücken habe ich ihn von Dir
ſprechen hören!
Die Königinn. Haſt du ihn wirklich von
mir ſprechen hören?
Rutland. Und immer als einen Begeiſterten,
aus dem nicht kalte Ueberlegung, aus dem ein in-
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