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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

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chen läßt. Es streitet minder mit ihrem Wesen, daß
ihr einzelner Fall nicht schlechterdings möglich ist,
daß er nur nach gewissen Voraussetzungen, unter ge-
wissen Bedingungen möglich ist, als daß er nicht
als wirklich vorgestellt werde. In Ansehung dieser
Wirklichkeit folglich, ist die Fabel keiner Verschieden-
heit fähig; wohl aber in Ansehung ihrer Möglich-
keit, welche sie veränderlich zu seyn erlaubt. Nun
ist, wie gesagt, diese Möglichkeit entweder eine un-
bedingte oder bedingte Möglichkeit; der einzelne
Fall der Fabel ist entweder schlechterdings möglich,
oder er ist es nur nach gewissen Voraussetzungen,
unter gewissen Bedingungen. Die Fabeln also, deren
einzelner Fall schlechterdings möglich ist, will ich
(um gleichfalls bey den alten Benennungen zu blei-
ben) vernünftige Fabeln nennen; Fabeln hingegen,
wo er es nur nach gewissen Voraussetzungen ist,
mögen sittliche heissen. Die vernünftigen Fa-
beln leiden keine fernere Unterabtheilung; die sittli-
chen
aber leiden sie. Denn die Voraussetzungen
betreffen entweder die Subjecte der Fabel, oder die
Prädicate dieser Subjecte: der Fall der Fabel ist

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chen läßt. Es ſtreitet minder mit ihrem Weſen, daß
ihr einzelner Fall nicht ſchlechterdings möglich iſt,
daß er nur nach gewiſſen Vorausſetzungen, unter ge-
wiſſen Bedingungen möglich iſt, als daß er nicht
als wirklich vorgeſtellt werde. In Anſehung dieſer
Wirklichkeit folglich, iſt die Fabel keiner Verſchieden-
heit fähig; wohl aber in Anſehung ihrer Möglich-
keit, welche ſie veränderlich zu ſeyn erlaubt. Nun
iſt, wie geſagt, dieſe Möglichkeit entweder eine un-
bedingte oder bedingte Möglichkeit; der einzelne
Fall der Fabel iſt entweder ſchlechterdings möglich,
oder er iſt es nur nach gewiſſen Vorausſetzungen,
unter gewiſſen Bedingungen. Die Fabeln alſo, deren
einzelner Fall ſchlechterdings möglich iſt, will ich
(um gleichfalls bey den alten Benennungen zu blei-
ben) vernünftige Fabeln nennen; Fabeln hingegen,
wo er es nur nach gewiſſen Vorausſetzungen iſt,
mögen ſittliche heiſſen. Die vernünftigen Fa-
beln leiden keine fernere Unterabtheilung; die ſittli-
chen
aber leiden ſie. Denn die Vorausſetzungen
betreffen entweder die Subjecte der Fabel, oder die
Prädicate dieſer Subjecte: der Fall der Fabel iſt

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[201/0221] chen läßt. Es ſtreitet minder mit ihrem Weſen, daß ihr einzelner Fall nicht ſchlechterdings möglich iſt, daß er nur nach gewiſſen Vorausſetzungen, unter ge- wiſſen Bedingungen möglich iſt, als daß er nicht als wirklich vorgeſtellt werde. In Anſehung dieſer Wirklichkeit folglich, iſt die Fabel keiner Verſchieden- heit fähig; wohl aber in Anſehung ihrer Möglich- keit, welche ſie veränderlich zu ſeyn erlaubt. Nun iſt, wie geſagt, dieſe Möglichkeit entweder eine un- bedingte oder bedingte Möglichkeit; der einzelne Fall der Fabel iſt entweder ſchlechterdings möglich, oder er iſt es nur nach gewiſſen Vorausſetzungen, unter gewiſſen Bedingungen. Die Fabeln alſo, deren einzelner Fall ſchlechterdings möglich iſt, will ich (um gleichfalls bey den alten Benennungen zu blei- ben) vernünftige Fabeln nennen; Fabeln hingegen, wo er es nur nach gewiſſen Vorausſetzungen iſt, mögen ſittliche heiſſen. Die vernünftigen Fa- beln leiden keine fernere Unterabtheilung; die ſittli- chen aber leiden ſie. Denn die Vorausſetzungen betreffen entweder die Subjecte der Fabel, oder die Prädicate dieſer Subjecte: der Fall der Fabel iſt ent- N 5

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/221>, abgerufen am 21.11.2024.