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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

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IV.
Von dem Vortrage der Fabeln.

Wie soll die Fabel vorgetragen werden? Ist hier-
inn Aesopus, oder ist Phädrus, oder ist la Fon-
taine
das wahre Muster?

Es ist nicht ausgemacht, ob Aesopus seine Fa-
beln selbst aufgeschrieben, und in ein Buch zusam-
men getragen hat. Aber das ist so gut als aus-
gemacht, daß, wenn er es auch gethan hat, doch
keine einzige davon durchaus mit seinen eigenen Wor-
ten auf uns gekommen ist. Ich verstehe also hier
die allerschönsten Fabeln in den verschiedenen grie-
chischen Sammlungen, welchen man seinen Namen
vorgesetzt hat. Nach diesen zu urtheilen, war sein
Vortrag von der äussersten Präcision; er hielt sich
nirgends bey Beschreibungen auf; er kam sogleich
zur Sache und eilte mit jedem Worte näher zum
Ende; er kannte kein Mittel zwischen dem Noth-

wendigen


IV.
Von dem Vortrage der Fabeln.

Wie ſoll die Fabel vorgetragen werden? Iſt hier-
inn Aeſopus, oder iſt Phädrus, oder iſt la Fon-
taine
das wahre Muſter?

Es iſt nicht ausgemacht, ob Aeſopus ſeine Fa-
beln ſelbſt aufgeſchrieben, und in ein Buch zuſam-
men getragen hat. Aber das iſt ſo gut als aus-
gemacht, daß, wenn er es auch gethan hat, doch
keine einzige davon durchaus mit ſeinen eigenen Wor-
ten auf uns gekommen iſt. Ich verſtehe alſo hier
die allerſchönſten Fabeln in den verſchiedenen grie-
chiſchen Sammlungen, welchen man ſeinen Namen
vorgeſetzt hat. Nach dieſen zu urtheilen, war ſein
Vortrag von der äuſſerſten Präciſion; er hielt ſich
nirgends bey Beſchreibungen auf; er kam ſogleich
zur Sache und eilte mit jedem Worte näher zum
Ende; er kannte kein Mittel zwiſchen dem Noth-

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[[216]/0236] IV. Von dem Vortrage der Fabeln. Wie ſoll die Fabel vorgetragen werden? Iſt hier- inn Aeſopus, oder iſt Phädrus, oder iſt la Fon- taine das wahre Muſter? Es iſt nicht ausgemacht, ob Aeſopus ſeine Fa- beln ſelbſt aufgeſchrieben, und in ein Buch zuſam- men getragen hat. Aber das iſt ſo gut als aus- gemacht, daß, wenn er es auch gethan hat, doch keine einzige davon durchaus mit ſeinen eigenen Wor- ten auf uns gekommen iſt. Ich verſtehe alſo hier die allerſchönſten Fabeln in den verſchiedenen grie- chiſchen Sammlungen, welchen man ſeinen Namen vorgeſetzt hat. Nach dieſen zu urtheilen, war ſein Vortrag von der äuſſerſten Präciſion; er hielt ſich nirgends bey Beſchreibungen auf; er kam ſogleich zur Sache und eilte mit jedem Worte näher zum Ende; er kannte kein Mittel zwiſchen dem Noth- wendigen

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. [216]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/236>, abgerufen am 21.11.2024.