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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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"Nein", antwortete Jenny.

"Aber Du glaubst auch, daß Gott über
uns lebt, daß er unser Schicksal lenkt, daß
uns nichts begegnen könne, ohne seinen Willen,
daß er allweise und allgütig ist, daß er uns
liebt?"

"Gewiß, das glaube ich."

"Du glaubst, daß wir eine unsterbliche
Seele haben? denn das scheint eine von den
Ueberzeugungen zu sein, die Du am tröstlich-
sten findest."

"Joseph", fiel Jenny rasch ein, "sieh, wenn
ich an die Unsterblichkeit der Seele zu glauben
vermöchte, wenn mir das bewiesen werden könnte,
sodaß ich es einsehen, es begreifen könnte, dann
wäre ich schon glücklich. Es ist so furchtbar,
Dasjenige auf das bloße Wort eines Andern
glauben zu müssen, was uns zur unwandel-
baren, felsenfesten Ueberzeugung werden muß,
wenn wir nicht beständig in Todesangst erzit-

„Nein“, antwortete Jenny.

„Aber Du glaubſt auch, daß Gott über
uns lebt, daß er unſer Schickſal lenkt, daß
uns nichts begegnen könne, ohne ſeinen Willen,
daß er allweiſe und allgütig iſt, daß er uns
liebt?“

„Gewiß, das glaube ich.“

„Du glaubſt, daß wir eine unſterbliche
Seele haben? denn das ſcheint eine von den
Ueberzeugungen zu ſein, die Du am tröſtlich-
ſten findeſt.“

„Joſeph“, fiel Jenny raſch ein, „ſieh, wenn
ich an die Unſterblichkeit der Seele zu glauben
vermöchte, wenn mir das bewieſen werden könnte,
ſodaß ich es einſehen, es begreifen könnte, dann
wäre ich ſchon glücklich. Es iſt ſo furchtbar,
Dasjenige auf das bloße Wort eines Andern
glauben zu müſſen, was uns zur unwandel-
baren, felſenfeſten Ueberzeugung werden muß,
wenn wir nicht beſtändig in Todesangſt erzit-

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[164/0176] „Nein“, antwortete Jenny. „Aber Du glaubſt auch, daß Gott über uns lebt, daß er unſer Schickſal lenkt, daß uns nichts begegnen könne, ohne ſeinen Willen, daß er allweiſe und allgütig iſt, daß er uns liebt?“ „Gewiß, das glaube ich.“ „Du glaubſt, daß wir eine unſterbliche Seele haben? denn das ſcheint eine von den Ueberzeugungen zu ſein, die Du am tröſtlich- ſten findeſt.“ „Joſeph“, fiel Jenny raſch ein, „ſieh, wenn ich an die Unſterblichkeit der Seele zu glauben vermöchte, wenn mir das bewieſen werden könnte, ſodaß ich es einſehen, es begreifen könnte, dann wäre ich ſchon glücklich. Es iſt ſo furchtbar, Dasjenige auf das bloße Wort eines Andern glauben zu müſſen, was uns zur unwandel- baren, felſenfeſten Ueberzeugung werden muß, wenn wir nicht beſtändig in Todesangſt erzit-

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/176>, abgerufen am 21.11.2024.