Toast nehme ich nicht an." -- Dieser ruhige ernste Ton schien Erlau plötzlich abzukühlen, während er den Engländer in lebhafte Bewegung versetzte. Er ging rasch auf Meier zu, und rief: "Geben Sie mir die Hand, Doctor! Sie müssen mein Freund werden! Wir Engländer haben sonst nicht das Herz auf der Zunge -- aber Ihr Deutschen seid unsere Stammverwandten. Ihr wißt es, was sweet home und a blushing maid dem Herzen sein können -- Sie wissen es vor Vielen gut, darum schlagen Sie ein, Doctor! unbesorgt, ich bin ein Ehrenmann!"
Meier that, wie Jener es verlangte, und that es gerne, denn es lag wirklich so viel Ehren- haftes, Zutrauliches in der Art und den Zügen des Fremden, daß es augenblicklich für ihn ein- nahm. Auch Reinhard schüttelte ihm die Hand und man trank auf die Dauer und das Ge- deihen des neuen Bundes. Dadurch blieb Erlau allein stehen; er goß zwei Gläser voll, nahm
Toaſt nehme ich nicht an.“ — Dieſer ruhige ernſte Ton ſchien Erlau plötzlich abzukühlen, während er den Engländer in lebhafte Bewegung verſetzte. Er ging raſch auf Meier zu, und rief: „Geben Sie mir die Hand, Doctor! Sie müſſen mein Freund werden! Wir Engländer haben ſonſt nicht das Herz auf der Zunge — aber Ihr Deutſchen ſeid unſere Stammverwandten. Ihr wißt es, was sweet home und a blushing maid dem Herzen ſein können — Sie wiſſen es vor Vielen gut, darum ſchlagen Sie ein, Doctor! unbeſorgt, ich bin ein Ehrenmann!“
Meier that, wie Jener es verlangte, und that es gerne, denn es lag wirklich ſo viel Ehren- haftes, Zutrauliches in der Art und den Zügen des Fremden, daß es augenblicklich für ihn ein- nahm. Auch Reinhard ſchüttelte ihm die Hand und man trank auf die Dauer und das Ge- deihen des neuen Bundes. Dadurch blieb Erlau allein ſtehen; er goß zwei Gläſer voll, nahm
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0027"n="15"/>
Toaſt nehme ich nicht an.“— Dieſer ruhige<lb/>
ernſte Ton ſchien Erlau plötzlich abzukühlen,<lb/>
während er den Engländer in lebhafte Bewegung<lb/>
verſetzte. Er ging raſch auf Meier zu, und rief:<lb/>„Geben Sie mir die Hand, Doctor! Sie müſſen<lb/>
mein Freund werden! Wir Engländer haben<lb/>ſonſt nicht das Herz auf der Zunge — aber<lb/>
Ihr Deutſchen ſeid unſere Stammverwandten.<lb/>
Ihr wißt es, was <hirendition="#aq"><hirendition="#b">sweet home</hi></hi> und <hirendition="#aq"><hirendition="#b">a blushing<lb/>
maid</hi></hi> dem Herzen ſein können — Sie wiſſen es<lb/>
vor Vielen gut, darum ſchlagen Sie ein, Doctor!<lb/>
unbeſorgt, ich bin ein Ehrenmann!“</p><lb/><p>Meier that, wie Jener es verlangte, und that<lb/>
es gerne, denn es lag wirklich ſo viel Ehren-<lb/>
haftes, Zutrauliches in der Art und den Zügen<lb/>
des Fremden, daß es augenblicklich für ihn ein-<lb/>
nahm. Auch Reinhard ſchüttelte ihm die Hand<lb/>
und man trank auf die Dauer und das Ge-<lb/>
deihen des neuen Bundes. Dadurch blieb Erlau<lb/>
allein ſtehen; er goß zwei Gläſer voll, nahm<lb/></p></div></body></text></TEI>
[15/0027]
Toaſt nehme ich nicht an.“ — Dieſer ruhige
ernſte Ton ſchien Erlau plötzlich abzukühlen,
während er den Engländer in lebhafte Bewegung
verſetzte. Er ging raſch auf Meier zu, und rief:
„Geben Sie mir die Hand, Doctor! Sie müſſen
mein Freund werden! Wir Engländer haben
ſonſt nicht das Herz auf der Zunge — aber
Ihr Deutſchen ſeid unſere Stammverwandten.
Ihr wißt es, was sweet home und a blushing
maid dem Herzen ſein können — Sie wiſſen es
vor Vielen gut, darum ſchlagen Sie ein, Doctor!
unbeſorgt, ich bin ein Ehrenmann!“
Meier that, wie Jener es verlangte, und that
es gerne, denn es lag wirklich ſo viel Ehren-
haftes, Zutrauliches in der Art und den Zügen
des Fremden, daß es augenblicklich für ihn ein-
nahm. Auch Reinhard ſchüttelte ihm die Hand
und man trank auf die Dauer und das Ge-
deihen des neuen Bundes. Dadurch blieb Erlau
allein ſtehen; er goß zwei Gläſer voll, nahm
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/27>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.