hast und es nicht zu kalt ist, machen wir mor- gen bei den Verwandten ein paar Besuche zu Fuß und einen tüchtigen Spaziergang!"
So geschah es, und alle Parteien waren für den Augenblick zufriedengestellt. Indeß sollte es nicht das letzte Mal sein, daß Jenny's Vermittelung nöthig wurde.
Zu Herrn Meier's Freude, der das Braut- paar in der Stille mit sorglicher Liebe beob- achtete, entwickelte Jenny bei diesen Versuchen, Reinhard's und der Ihrigen Wünsche zu ver- einen, eine ganz neue Seite ihres Charakters. Sich selbst vergessend, war sie unaufhörlich be- müht, sich den Ansichten der Andern zu fügen und Reinhard's leisesten Wünschen zuvorzukom- men. Hatte ein geräuschvoll verlebter Abend ihren Bräutigam unbefriedigt gelassen, so er- langte sie am nächsten Morgen gewiß die Er- laubniß, den ganzen Tag bei der Pfarrerin zuzubringen, um Reinhard zu zeigen, daß ihr
haſt und es nicht zu kalt iſt, machen wir mor- gen bei den Verwandten ein paar Beſuche zu Fuß und einen tüchtigen Spaziergang!“
So geſchah es, und alle Parteien waren für den Augenblick zufriedengeſtellt. Indeß ſollte es nicht das letzte Mal ſein, daß Jenny's Vermittelung nöthig wurde.
Zu Herrn Meier's Freude, der das Braut- paar in der Stille mit ſorglicher Liebe beob- achtete, entwickelte Jenny bei dieſen Verſuchen, Reinhard's und der Ihrigen Wünſche zu ver- einen, eine ganz neue Seite ihres Charakters. Sich ſelbſt vergeſſend, war ſie unaufhörlich be- müht, ſich den Anſichten der Andern zu fügen und Reinhard's leiſeſten Wünſchen zuvorzukom- men. Hatte ein geräuſchvoll verlebter Abend ihren Bräutigam unbefriedigt gelaſſen, ſo er- langte ſie am nächſten Morgen gewiß die Er- laubniß, den ganzen Tag bei der Pfarrerin zuzubringen, um Reinhard zu zeigen, daß ihr
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haſt und es nicht zu kalt iſt, machen wir mor-
gen bei den Verwandten ein paar Beſuche zu
Fuß und einen tüchtigen Spaziergang!“
So geſchah es, und alle Parteien waren
für den Augenblick zufriedengeſtellt. Indeß
ſollte es nicht das letzte Mal ſein, daß Jenny's
Vermittelung nöthig wurde.
Zu Herrn Meier's Freude, der das Braut-
paar in der Stille mit ſorglicher Liebe beob-
achtete, entwickelte Jenny bei dieſen Verſuchen,
Reinhard's und der Ihrigen Wünſche zu ver-
einen, eine ganz neue Seite ihres Charakters.
Sich ſelbſt vergeſſend, war ſie unaufhörlich be-
müht, ſich den Anſichten der Andern zu fügen
und Reinhard's leiſeſten Wünſchen zuvorzukom-
men. Hatte ein geräuſchvoll verlebter Abend
ihren Bräutigam unbefriedigt gelaſſen, ſo er-
langte ſie am nächſten Morgen gewiß die Er-
laubniß, den ganzen Tag bei der Pfarrerin
zuzubringen, um Reinhard zu zeigen, daß ihr
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/288>, abgerufen am 24.11.2024.
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