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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843.

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Beide als einem Freunde vertrauen, auf den
richtigen Standpunkt führst."

"Nimmermehr!" rief Eduard. "Es ist
schrecklich genug, daß ich sie verliere -- kannst
Du glauben, daß ich, ich selbst sie in die Arme
eines Andern führen werde?"

"Ich erwarte das von Dir, wie ich Dich
kenne!" antwortete Herr Meier.

Eduard konnte sich gegen die Wahrheit in den
Worten seines Vaters nicht verblenden, so gern er
es augenblicklich wollte. Er erkannte die edle
strenge Gerechtigkeit des Greises, aber sein Gefühl
empörte sich noch dagegen, wie gegen eine Sünde
an Clara -- und die Art, in welcher der Vater
ihm, dem Schmerzdurchwühlten, seine Verhältnisse
vorhielt, war jedenfalls eines von den gewagten
Mitteln, die Herr Meier bei starken Menschen
gern anwendete, wenn die Krisis unvermeidlich
geworden. Er glaubte dadurch jenem langwie-
rigen, unbestimmten Hinsiechen der Seele vor-

Beide als einem Freunde vertrauen, auf den
richtigen Standpunkt führſt.“

„Nimmermehr!“ rief Eduard. „Es iſt
ſchrecklich genug, daß ich ſie verliere — kannſt
Du glauben, daß ich, ich ſelbſt ſie in die Arme
eines Andern führen werde?“

„Ich erwarte das von Dir, wie ich Dich
kenne!“ antwortete Herr Meier.

Eduard konnte ſich gegen die Wahrheit in den
Worten ſeines Vaters nicht verblenden, ſo gern er
es augenblicklich wollte. Er erkannte die edle
ſtrenge Gerechtigkeit des Greiſes, aber ſein Gefühl
empörte ſich noch dagegen, wie gegen eine Sünde
an Clara — und die Art, in welcher der Vater
ihm, dem Schmerzdurchwühlten, ſeine Verhältniſſe
vorhielt, war jedenfalls eines von den gewagten
Mitteln, die Herr Meier bei ſtarken Menſchen
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[388/0396] Beide als einem Freunde vertrauen, auf den richtigen Standpunkt führſt.“ „Nimmermehr!“ rief Eduard. „Es iſt ſchrecklich genug, daß ich ſie verliere — kannſt Du glauben, daß ich, ich ſelbſt ſie in die Arme eines Andern führen werde?“ „Ich erwarte das von Dir, wie ich Dich kenne!“ antwortete Herr Meier. Eduard konnte ſich gegen die Wahrheit in den Worten ſeines Vaters nicht verblenden, ſo gern er es augenblicklich wollte. Er erkannte die edle ſtrenge Gerechtigkeit des Greiſes, aber ſein Gefühl empörte ſich noch dagegen, wie gegen eine Sünde an Clara — und die Art, in welcher der Vater ihm, dem Schmerzdurchwühlten, ſeine Verhältniſſe vorhielt, war jedenfalls eines von den gewagten Mitteln, die Herr Meier bei ſtarken Menſchen gern anwendete, wenn die Kriſis unvermeidlich geworden. Er glaubte dadurch jenem langwie- rigen, unbeſtimmten Hinſiechen der Seele vor-

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 1. Leipzig, 1843, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny01_1843/396>, abgerufen am 23.11.2024.