Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite


ihr, ohne daß dadurch William ihr näher rückte,
der sich in liebender Hingebung gleich blieb und
sein Ziel keinen Augenblick aus dem Gesichte
verlor. Er strebte, die Neigung der Geliebten
zu gewinnen, und hatte zugleich die schwere
Pflicht, seine Tante über sein eigenthümliches
Verhältniß zu Clara zu täuschen, was um so
nöthiger war, als die Commerzienräthin noch
immer vergebens auf Antwort von Ferdinand
harrte und deshalb in der gereiztesten Stim-
mung von der Welt war.

Sie hatte ihrem Sohne zu wiederholten
Malen geschrieben, sich endlich an ihren Schwa-
ger gewendet und von ihm erfahren, wie Fer-
dinand gleich nach Empfang ihres Briefes mit
seiner Geliebten verreist sei, ohne irgend eine
Nachricht zu hinterlassen, wohin er gehe oder
wohin man ihm die Briefe von Hause nach-
senden solle. Es scheint, bemerkte ihr Schwa-
ger schließlich, als ob er aufs Neue in den


ihr, ohne daß dadurch William ihr näher rückte,
der ſich in liebender Hingebung gleich blieb und
ſein Ziel keinen Augenblick aus dem Geſichte
verlor. Er ſtrebte, die Neigung der Geliebten
zu gewinnen, und hatte zugleich die ſchwere
Pflicht, ſeine Tante über ſein eigenthümliches
Verhältniß zu Clara zu täuſchen, was um ſo
nöthiger war, als die Commerzienräthin noch
immer vergebens auf Antwort von Ferdinand
harrte und deshalb in der gereizteſten Stim-
mung von der Welt war.

Sie hatte ihrem Sohne zu wiederholten
Malen geſchrieben, ſich endlich an ihren Schwa-
ger gewendet und von ihm erfahren, wie Fer-
dinand gleich nach Empfang ihres Briefes mit
ſeiner Geliebten verreiſt ſei, ohne irgend eine
Nachricht zu hinterlaſſen, wohin er gehe oder
wohin man ihm die Briefe von Hauſe nach-
ſenden ſolle. Es ſcheint, bemerkte ihr Schwa-
ger ſchließlich, als ob er aufs Neue in den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0101" n="91"/><lb/>
ihr, ohne daß dadurch William ihr näher rückte,<lb/>
der &#x017F;ich in liebender Hingebung gleich blieb und<lb/>
&#x017F;ein Ziel keinen Augenblick aus dem Ge&#x017F;ichte<lb/>
verlor. Er &#x017F;trebte, die Neigung der Geliebten<lb/>
zu gewinnen, und hatte zugleich die &#x017F;chwere<lb/>
Pflicht, &#x017F;eine Tante über &#x017F;ein eigenthümliches<lb/>
Verhältniß zu Clara zu täu&#x017F;chen, was um &#x017F;o<lb/>
nöthiger war, als die Commerzienräthin noch<lb/>
immer vergebens auf Antwort von Ferdinand<lb/>
harrte und deshalb in der gereizte&#x017F;ten Stim-<lb/>
mung von der Welt war.</p><lb/>
        <p>Sie hatte ihrem Sohne zu wiederholten<lb/>
Malen ge&#x017F;chrieben, &#x017F;ich endlich an ihren Schwa-<lb/>
ger gewendet und von ihm erfahren, wie Fer-<lb/>
dinand gleich nach Empfang ihres Briefes mit<lb/>
&#x017F;einer Geliebten verrei&#x017F;t &#x017F;ei, ohne irgend eine<lb/>
Nachricht zu hinterla&#x017F;&#x017F;en, wohin er gehe oder<lb/>
wohin man ihm die Briefe von Hau&#x017F;e nach-<lb/>
&#x017F;enden &#x017F;olle. Es &#x017F;cheint, bemerkte ihr Schwa-<lb/>
ger &#x017F;chließlich, als ob er aufs Neue in den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0101] ihr, ohne daß dadurch William ihr näher rückte, der ſich in liebender Hingebung gleich blieb und ſein Ziel keinen Augenblick aus dem Geſichte verlor. Er ſtrebte, die Neigung der Geliebten zu gewinnen, und hatte zugleich die ſchwere Pflicht, ſeine Tante über ſein eigenthümliches Verhältniß zu Clara zu täuſchen, was um ſo nöthiger war, als die Commerzienräthin noch immer vergebens auf Antwort von Ferdinand harrte und deshalb in der gereizteſten Stim- mung von der Welt war. Sie hatte ihrem Sohne zu wiederholten Malen geſchrieben, ſich endlich an ihren Schwa- ger gewendet und von ihm erfahren, wie Fer- dinand gleich nach Empfang ihres Briefes mit ſeiner Geliebten verreiſt ſei, ohne irgend eine Nachricht zu hinterlaſſen, wohin er gehe oder wohin man ihm die Briefe von Hauſe nach- ſenden ſolle. Es ſcheint, bemerkte ihr Schwa- ger ſchließlich, als ob er aufs Neue in den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/101
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/101>, abgerufen am 22.11.2024.