Personen zu lesen vermocht, die alle von den verschiedensten Gefühlen dabei bewegt waren. Madame Meier zerfloß in Thränen, weil es ihr vorkam, als trete durch die Taufe ein frem- des Element zwischen sie und ihre Tochter. Eduard und Clara, welche sich gegenüber stan- den, waren in schmerzliche Gedanken vertieft, und wenn ihre Blicke sich zufällig trafen, wand- ten sie dieselben schnell von einander ab, als fürchteten sie, die ernste Feier durch die beredte Sprache ihrer Augen zu entweihen. Die Pfar- rerin dankte Gott, daß es endlich so weit ge- diehen sei, und betete inbrünstig, der Herr möge nun auch ferner dies Paar beschützen und alles Störende, das ihnen noch in der nächsten Zukunft drohen könne, gnädig an ihnen vor- überführen. Dieses innere Gebet verhinderte sie, Theresens Unruhe zu bemerken, die keinen Blick von Reinhard und seiner Braut abwen- dete und, fast ebenso bleich als diese, mit Ge-
Perſonen zu leſen vermocht, die alle von den verſchiedenſten Gefühlen dabei bewegt waren. Madame Meier zerfloß in Thränen, weil es ihr vorkam, als trete durch die Taufe ein frem- des Element zwiſchen ſie und ihre Tochter. Eduard und Clara, welche ſich gegenüber ſtan- den, waren in ſchmerzliche Gedanken vertieft, und wenn ihre Blicke ſich zufällig trafen, wand- ten ſie dieſelben ſchnell von einander ab, als fürchteten ſie, die ernſte Feier durch die beredte Sprache ihrer Augen zu entweihen. Die Pfar- rerin dankte Gott, daß es endlich ſo weit ge- diehen ſei, und betete inbrünſtig, der Herr möge nun auch ferner dies Paar beſchützen und alles Störende, das ihnen noch in der nächſten Zukunft drohen könne, gnädig an ihnen vor- überführen. Dieſes innere Gebet verhinderte ſie, Thereſens Unruhe zu bemerken, die keinen Blick von Reinhard und ſeiner Braut abwen- dete und, faſt ebenſo bleich als dieſe, mit Ge-
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Perſonen zu leſen vermocht, die alle von den
verſchiedenſten Gefühlen dabei bewegt waren.
Madame Meier zerfloß in Thränen, weil es
ihr vorkam, als trete durch die Taufe ein frem-
des Element zwiſchen ſie und ihre Tochter.
Eduard und Clara, welche ſich gegenüber ſtan-
den, waren in ſchmerzliche Gedanken vertieft,
und wenn ihre Blicke ſich zufällig trafen, wand-
ten ſie dieſelben ſchnell von einander ab, als
fürchteten ſie, die ernſte Feier durch die beredte
Sprache ihrer Augen zu entweihen. Die Pfar-
rerin dankte Gott, daß es endlich ſo weit ge-
diehen ſei, und betete inbrünſtig, der Herr
möge nun auch ferner dies Paar beſchützen und
alles Störende, das ihnen noch in der nächſten
Zukunft drohen könne, gnädig an ihnen vor-
überführen. Dieſes innere Gebet verhinderte
ſie, Thereſens Unruhe zu bemerken, die keinen
Blick von Reinhard und ſeiner Braut abwen-
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/57>, abgerufen am 21.11.2024.
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