Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ja, ich lebe, mein Gustav!" antwortete
sie auf seine Frage und schlug lächelnd die Au-
gen zu ihm empor. "Ich lebe! Und ob ich
Dich liebe? O! Gott weiß es, wie ich davon
in dieser Stunde Zeugniß gegeben habe. Ich
liebe Dich wie mein Leben, wie meine Seele --
nein, mehr als meine Seele. Ist es so
recht?" fragte sie und lehnte sich wieder an
ihn, nachdem sie sich während des Sprechens
aufgerichtet und die Hände fest ineinander ge-
faltet hatte. "Aber warum fragst Du mich,
Gustav, ob ich Dich liebe?" fuhr sie nach einer
kleinen Pause fort.

"Weil ich den Ton Deiner Stimme hören
wollte, mein süßes Leben. Du sahst so heilig,
so verklärt aus, daß ich fürchtete, Du könntest
die Erde verlassen und aus meinen Armen in
Deine Heimat, in den Himmel, zurückkehren,
von dem Dein Antlitz ein so treues Bild war."

"Ach! hätte ich so hinüberschlummern kön-

3*

„Ja, ich lebe, mein Guſtav!“ antwortete
ſie auf ſeine Frage und ſchlug lächelnd die Au-
gen zu ihm empor. „Ich lebe! Und ob ich
Dich liebe? O! Gott weiß es, wie ich davon
in dieſer Stunde Zeugniß gegeben habe. Ich
liebe Dich wie mein Leben, wie meine Seele —
nein, mehr als meine Seele. Iſt es ſo
recht?“ fragte ſie und lehnte ſich wieder an
ihn, nachdem ſie ſich während des Sprechens
aufgerichtet und die Hände feſt ineinander ge-
faltet hatte. „Aber warum fragſt Du mich,
Guſtav, ob ich Dich liebe?“ fuhr ſie nach einer
kleinen Pauſe fort.

„Weil ich den Ton Deiner Stimme hören
wollte, mein ſüßes Leben. Du ſahſt ſo heilig,
ſo verklärt aus, daß ich fürchtete, Du könnteſt
die Erde verlaſſen und aus meinen Armen in
Deine Heimat, in den Himmel, zurückkehren,
von dem Dein Antlitz ein ſo treues Bild war.“

„Ach! hätte ich ſo hinüberſchlummern kön-

3*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0061" n="51"/><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, ich lebe, mein Gu&#x017F;tav!&#x201C; antwortete<lb/>
&#x017F;ie auf &#x017F;eine Frage und &#x017F;chlug lächelnd die Au-<lb/>
gen zu ihm empor. &#x201E;Ich lebe! Und ob ich<lb/>
Dich liebe? O! Gott weiß es, wie ich davon<lb/>
in die&#x017F;er Stunde Zeugniß gegeben habe. Ich<lb/>
liebe Dich wie mein Leben, wie meine Seele &#x2014;<lb/>
nein, mehr als meine Seele. I&#x017F;t es &#x017F;o<lb/>
recht?&#x201C; fragte &#x017F;ie und lehnte &#x017F;ich wieder an<lb/>
ihn, nachdem &#x017F;ie &#x017F;ich während des Sprechens<lb/>
aufgerichtet und die Hände fe&#x017F;t ineinander ge-<lb/>
faltet hatte. &#x201E;Aber warum frag&#x017F;t Du mich,<lb/>
Gu&#x017F;tav, ob ich Dich liebe?&#x201C; fuhr &#x017F;ie nach einer<lb/>
kleinen Pau&#x017F;e fort.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weil ich den Ton Deiner Stimme hören<lb/>
wollte, mein &#x017F;üßes Leben. Du &#x017F;ah&#x017F;t &#x017F;o heilig,<lb/>
&#x017F;o verklärt aus, daß ich fürchtete, Du könnte&#x017F;t<lb/>
die Erde verla&#x017F;&#x017F;en und aus meinen Armen in<lb/>
Deine Heimat, in den Himmel, zurückkehren,<lb/>
von dem Dein Antlitz ein &#x017F;o treues Bild war.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach! hätte ich &#x017F;o hinüber&#x017F;chlummern kön-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0061] „Ja, ich lebe, mein Guſtav!“ antwortete ſie auf ſeine Frage und ſchlug lächelnd die Au- gen zu ihm empor. „Ich lebe! Und ob ich Dich liebe? O! Gott weiß es, wie ich davon in dieſer Stunde Zeugniß gegeben habe. Ich liebe Dich wie mein Leben, wie meine Seele — nein, mehr als meine Seele. Iſt es ſo recht?“ fragte ſie und lehnte ſich wieder an ihn, nachdem ſie ſich während des Sprechens aufgerichtet und die Hände feſt ineinander ge- faltet hatte. „Aber warum fragſt Du mich, Guſtav, ob ich Dich liebe?“ fuhr ſie nach einer kleinen Pauſe fort. „Weil ich den Ton Deiner Stimme hören wollte, mein ſüßes Leben. Du ſahſt ſo heilig, ſo verklärt aus, daß ich fürchtete, Du könnteſt die Erde verlaſſen und aus meinen Armen in Deine Heimat, in den Himmel, zurückkehren, von dem Dein Antlitz ein ſo treues Bild war.“ „Ach! hätte ich ſo hinüberſchlummern kön- 3*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/61
Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/61>, abgerufen am 24.11.2024.