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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

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Er war wirklich vor ihr niedergesunken und
hielt sie mit seinen Armen umfaßt, während
seine Augen an den ihren hingen. Jenny glaubte
vor Wonne zu vergehen und gab sich ganz dem
Glück der Gegenwart hin, bis drohend der
Zweifel vor ihr aufstieg, ob Reinhard sie mit
dieser Innigkeit lieben, ob seine Neigung nicht
wanken würde, wenn er einst erfahren sollte,
wie sie ihn getäuscht, um sich seine Liebe zu
bewahren, um die Seine zu werden.

"Gustav", sagte sie, "vergiß diese Stunde
nie, wie ich dies Glück nie vergessen werde,
und wenn einst ein Tag käme, an dem Du
irre an mir würdest, an dem ich Deiner Liebe
weniger werth schiene -- dann Gustav, aus
Barmherzigkeit, dann denke an diese Stunde,
dann laß mich Dich daran erinnern und eine
Stütze in dieser Erinnerung bei Dir finden!"

"Was bedeutet das?" fragte Reinhard ver-
wundert, "wie kannst Du glauben, jemals eines

Er war wirklich vor ihr niedergeſunken und
hielt ſie mit ſeinen Armen umfaßt, während
ſeine Augen an den ihren hingen. Jenny glaubte
vor Wonne zu vergehen und gab ſich ganz dem
Glück der Gegenwart hin, bis drohend der
Zweifel vor ihr aufſtieg, ob Reinhard ſie mit
dieſer Innigkeit lieben, ob ſeine Neigung nicht
wanken würde, wenn er einſt erfahren ſollte,
wie ſie ihn getäuſcht, um ſich ſeine Liebe zu
bewahren, um die Seine zu werden.

„Guſtav“, ſagte ſie, „vergiß dieſe Stunde
nie, wie ich dies Glück nie vergeſſen werde,
und wenn einſt ein Tag käme, an dem Du
irre an mir würdeſt, an dem ich Deiner Liebe
weniger werth ſchiene — dann Guſtav, aus
Barmherzigkeit, dann denke an dieſe Stunde,
dann laß mich Dich daran erinnern und eine
Stütze in dieſer Erinnerung bei Dir finden!“

„Was bedeutet das?“ fragte Reinhard ver-
wundert, „wie kannſt Du glauben, jemals eines

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[53/0063] Er war wirklich vor ihr niedergeſunken und hielt ſie mit ſeinen Armen umfaßt, während ſeine Augen an den ihren hingen. Jenny glaubte vor Wonne zu vergehen und gab ſich ganz dem Glück der Gegenwart hin, bis drohend der Zweifel vor ihr aufſtieg, ob Reinhard ſie mit dieſer Innigkeit lieben, ob ſeine Neigung nicht wanken würde, wenn er einſt erfahren ſollte, wie ſie ihn getäuſcht, um ſich ſeine Liebe zu bewahren, um die Seine zu werden. „Guſtav“, ſagte ſie, „vergiß dieſe Stunde nie, wie ich dies Glück nie vergeſſen werde, und wenn einſt ein Tag käme, an dem Du irre an mir würdeſt, an dem ich Deiner Liebe weniger werth ſchiene — dann Guſtav, aus Barmherzigkeit, dann denke an dieſe Stunde, dann laß mich Dich daran erinnern und eine Stütze in dieſer Erinnerung bei Dir finden!“ „Was bedeutet das?“ fragte Reinhard ver- wundert, „wie kannſt Du glauben, jemals eines

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/63>, abgerufen am 21.11.2024.