brechen, theils um sich wirklich über ihr leiden- des Aussehen zu beruhigen, fragte er freundlich: "Warst Du krank, mein Clärchen? Ich finde die schöne Röthe Deiner Wangen ganz ver- blichen. Und freut es Dich nicht, daß wir bei- sammen sind?"
"O gewiß", lieber Cousin!" antwortete sie, "es freut mich von Herzen, daß Dein Vater hergestellt ist und Du zu uns zurückkehren konntest."
"Lieber Cousin?" rief William scherzend. "Nein, mein Clärchen, das klingt doch gar zu cousinenmäßig für eine Braut, und selbst eine Cousine hätte mir längst ihren Mund statt der Hand zum Willkomm reichen müssen." Bei diesen Worten schloß er sie in seine Arme und drückte sie, trotz ihres Widerstrebens sie herzlich küssend, an seine Brust. "Ah, nun lebe ich erst!" sagte er dann, "nun weiß ich erst recht, daß ich meine Braut wiedersehe und daß ich
brechen, theils um ſich wirklich über ihr leiden- des Ausſehen zu beruhigen, fragte er freundlich: „Warſt Du krank, mein Clärchen? Ich finde die ſchöne Röthe Deiner Wangen ganz ver- blichen. Und freut es Dich nicht, daß wir bei- ſammen ſind?“
„O gewiß“, lieber Couſin!“ antwortete ſie, „es freut mich von Herzen, daß Dein Vater hergeſtellt iſt und Du zu uns zurückkehren konnteſt.“
„Lieber Couſin?“ rief William ſcherzend. „Nein, mein Clärchen, das klingt doch gar zu couſinenmäßig für eine Braut, und ſelbſt eine Couſine hätte mir längſt ihren Mund ſtatt der Hand zum Willkomm reichen müſſen.“ Bei dieſen Worten ſchloß er ſie in ſeine Arme und drückte ſie, trotz ihres Widerſtrebens ſie herzlich küſſend, an ſeine Bruſt. „Ah, nun lebe ich erſt!“ ſagte er dann, „nun weiß ich erſt recht, daß ich meine Braut wiederſehe und daß ich
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brechen, theils um ſich wirklich über ihr leiden-
des Ausſehen zu beruhigen, fragte er freundlich:
„Warſt Du krank, mein Clärchen? Ich finde
die ſchöne Röthe Deiner Wangen ganz ver-
blichen. Und freut es Dich nicht, daß wir bei-
ſammen ſind?“
„O gewiß“, lieber Couſin!“ antwortete ſie,
„es freut mich von Herzen, daß Dein Vater
hergeſtellt iſt und Du zu uns zurückkehren
konnteſt.“
„Lieber Couſin?“ rief William ſcherzend.
„Nein, mein Clärchen, das klingt doch gar zu
couſinenmäßig für eine Braut, und ſelbſt eine
Couſine hätte mir längſt ihren Mund ſtatt der
Hand zum Willkomm reichen müſſen.“ Bei
dieſen Worten ſchloß er ſie in ſeine Arme und
drückte ſie, trotz ihres Widerſtrebens ſie herzlich
küſſend, an ſeine Bruſt. „Ah, nun lebe ich
erſt!“ ſagte er dann, „nun weiß ich erſt recht,
daß ich meine Braut wiederſehe und daß ich
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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/72>, abgerufen am 24.11.2024.
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