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Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843.

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"Sie hat Ferdinand vorgespiegelt", erzählte
William, "um seinetwillen und nur aus Liebe
für ihn mit ihrem ersten Verehrer gebrochen
zu haben, der, wie sie behauptet, ihr die Ehe
versprochen hatte, und Ferdinand ist in einer
unglücklichen Stunde so thöricht gewesen, ihr
schriftlich eine eben solche Zusicherung zu geben,
die er später in Gegenwart ihrer und seiner
Bekannten wiederholte und auf deren Erfüllung
sie jetzt dringt, ohne von irgend einem Ver-
gleich oder einer Abfindung hören zu wollen."

William hielt inne, weil die zitternde, eis-
kalte Hand seiner Tante, welche noch immer
angstvoll die seine hielt, ihm deutlich verkündete,
wie entsetzlich diese Nachricht ihr Herz verwunde.

"Nur weiter, weiter!" bat sie, als sie das
Zaudern ihres Neffen bemerkte. "Hältst Du es
für möglich, daß mein Sohn ehrlos genug sein
könnte, wirklich an eine Heirath mit einer Ver-
worfenen zu denken? daß er mir, seiner Mut-

„Sie hat Ferdinand vorgeſpiegelt“, erzählte
William, „um ſeinetwillen und nur aus Liebe
für ihn mit ihrem erſten Verehrer gebrochen
zu haben, der, wie ſie behauptet, ihr die Ehe
verſprochen hatte, und Ferdinand iſt in einer
unglücklichen Stunde ſo thöricht geweſen, ihr
ſchriftlich eine eben ſolche Zuſicherung zu geben,
die er ſpäter in Gegenwart ihrer und ſeiner
Bekannten wiederholte und auf deren Erfüllung
ſie jetzt dringt, ohne von irgend einem Ver-
gleich oder einer Abfindung hören zu wollen.“

William hielt inne, weil die zitternde, eis-
kalte Hand ſeiner Tante, welche noch immer
angſtvoll die ſeine hielt, ihm deutlich verkündete,
wie entſetzlich dieſe Nachricht ihr Herz verwunde.

„Nur weiter, weiter!“ bat ſie, als ſie das
Zaudern ihres Neffen bemerkte. „Hältſt Du es
für möglich, daß mein Sohn ehrlos genug ſein
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[67/0077] „Sie hat Ferdinand vorgeſpiegelt“, erzählte William, „um ſeinetwillen und nur aus Liebe für ihn mit ihrem erſten Verehrer gebrochen zu haben, der, wie ſie behauptet, ihr die Ehe verſprochen hatte, und Ferdinand iſt in einer unglücklichen Stunde ſo thöricht geweſen, ihr ſchriftlich eine eben ſolche Zuſicherung zu geben, die er ſpäter in Gegenwart ihrer und ſeiner Bekannten wiederholte und auf deren Erfüllung ſie jetzt dringt, ohne von irgend einem Ver- gleich oder einer Abfindung hören zu wollen.“ William hielt inne, weil die zitternde, eis- kalte Hand ſeiner Tante, welche noch immer angſtvoll die ſeine hielt, ihm deutlich verkündete, wie entſetzlich dieſe Nachricht ihr Herz verwunde. „Nur weiter, weiter!“ bat ſie, als ſie das Zaudern ihres Neffen bemerkte. „Hältſt Du es für möglich, daß mein Sohn ehrlos genug ſein könnte, wirklich an eine Heirath mit einer Ver- worfenen zu denken? daß er mir, ſeiner Mut-

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Jenny. Bd. 2. Leipzig, 1843, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_jenny02_1843/77>, abgerufen am 21.05.2024.