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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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nommen, und wie er mehrmals ausgerufen, das wolle verdient sein!

Die Liebe einer Frau durch seine Hingabe an das Vaterland zu bethätigen, lag ganz im Geiste jener Zeit. Schon nach zwei, drei Tagen sprach in unserem Kreise Jedermann offen davon, daß Klemenz um Carolinens willen in den Kampf gegangen sei und es uns verheimlicht habe, weil er gefürchtet, wir würden ihn in meines Mannes Namen davon zurückzuhalten bemüht sein. Man pries seine Gesinnung, man nannte es ein wundersames Geschick, daß Caroline, die einst ihr Herz von der deutschen Sache abgewendet, nun durch eine so heilige Neigung für ewig dem Vaterlande wiedergewonnen werde, und kaum hatte die Freundin meiner Schwester sich für diese Liebe begeistert, als auch die Anderen den lebhaftesten Antheil an derselben zu nehmen anfingen. Caroline wurde von Allen als die Verlobte des Assessors angesprochen, sie nannte sich selber seine Braut, man wünschte mir, der Mutter dazu Glück, und wir befanden uns in der Lage, nicht sagen zu können, daß diese hingebende Liebe, diese Verlobung nur in der Einbildungskraft meiner Schwester ihre Wurzel hätten.

Was soll ich thun? fragte mich eines Tages meine Mutter. -- Laß sie gewähren, es macht sie glücklich, antwortete ich. -- Aber wenn Klemenz wiederkehrt ? -- Ich sah meine Mutter an, sie wendete sich ab. Er

nommen, und wie er mehrmals ausgerufen, das wolle verdient sein!

Die Liebe einer Frau durch seine Hingabe an das Vaterland zu bethätigen, lag ganz im Geiste jener Zeit. Schon nach zwei, drei Tagen sprach in unserem Kreise Jedermann offen davon, daß Klemenz um Carolinens willen in den Kampf gegangen sei und es uns verheimlicht habe, weil er gefürchtet, wir würden ihn in meines Mannes Namen davon zurückzuhalten bemüht sein. Man pries seine Gesinnung, man nannte es ein wundersames Geschick, daß Caroline, die einst ihr Herz von der deutschen Sache abgewendet, nun durch eine so heilige Neigung für ewig dem Vaterlande wiedergewonnen werde, und kaum hatte die Freundin meiner Schwester sich für diese Liebe begeistert, als auch die Anderen den lebhaftesten Antheil an derselben zu nehmen anfingen. Caroline wurde von Allen als die Verlobte des Assessors angesprochen, sie nannte sich selber seine Braut, man wünschte mir, der Mutter dazu Glück, und wir befanden uns in der Lage, nicht sagen zu können, daß diese hingebende Liebe, diese Verlobung nur in der Einbildungskraft meiner Schwester ihre Wurzel hätten.

Was soll ich thun? fragte mich eines Tages meine Mutter. — Laß sie gewähren, es macht sie glücklich, antwortete ich. — Aber wenn Klemenz wiederkehrt ? — Ich sah meine Mutter an, sie wendete sich ab. Er

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[0115] nommen, und wie er mehrmals ausgerufen, das wolle verdient sein! Die Liebe einer Frau durch seine Hingabe an das Vaterland zu bethätigen, lag ganz im Geiste jener Zeit. Schon nach zwei, drei Tagen sprach in unserem Kreise Jedermann offen davon, daß Klemenz um Carolinens willen in den Kampf gegangen sei und es uns verheimlicht habe, weil er gefürchtet, wir würden ihn in meines Mannes Namen davon zurückzuhalten bemüht sein. Man pries seine Gesinnung, man nannte es ein wundersames Geschick, daß Caroline, die einst ihr Herz von der deutschen Sache abgewendet, nun durch eine so heilige Neigung für ewig dem Vaterlande wiedergewonnen werde, und kaum hatte die Freundin meiner Schwester sich für diese Liebe begeistert, als auch die Anderen den lebhaftesten Antheil an derselben zu nehmen anfingen. Caroline wurde von Allen als die Verlobte des Assessors angesprochen, sie nannte sich selber seine Braut, man wünschte mir, der Mutter dazu Glück, und wir befanden uns in der Lage, nicht sagen zu können, daß diese hingebende Liebe, diese Verlobung nur in der Einbildungskraft meiner Schwester ihre Wurzel hätten. Was soll ich thun? fragte mich eines Tages meine Mutter. — Laß sie gewähren, es macht sie glücklich, antwortete ich. — Aber wenn Klemenz wiederkehrt ? — Ich sah meine Mutter an, sie wendete sich ab. Er

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/115>, abgerufen am 12.05.2024.