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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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den ganzen Abend im innigsten, vertraulichsten Geplauder zu.

Ein Paar Monate später, gegen das Frühjahr hin, war sie nach wenig Tagen der Krankheit sanft verschieden. Ihr Tod war klar und freundlich gewesen, Wie ihr ganzes Dasein. Für Jeden hatte sie nach seinen Bedürfnissen mit verständnißvoller Liebe vorgesorgt, Jedem hatte sie noch über ihren Tod hinaus irgend eine Freude, irgend eine Ueberraschung zu bereiten gewußt. Mir hatte sie neben jenem Kästchen noch ihr Jugendbild vermacht, dessen Lieblichkeit mich immer so gefesselt hatte.

An einem schönen Frühlingsabende, als mein Sinn recht still und ruhig war, öffnete ich die grüne Chatoulle und nahm mit tiefer Rührung die kleinen Blätter in die Hand. Der Hinblick auf die mir unbekannte Vergangenheit eines mir nahestehenden befreundeten Menschen hat Etwas, das mich stets mit einer Art von Scheu erfüllt, und diese Scheu steigert sich, je mehr ich an dem Menschen hange. Denn Jeder hat sich durch böse Wege und durch Schatten zum Lichte durchzukämpfen, und der Kampf ist oft so hart, so furchtbar, daß er uns des Freundes Bild entstellt.

Indeß die kleinen Rosablättchen mit dem hellen Goldrand, mit ihrem Rosenölgeruch, die konnten, wie ich sicher wußte, von keinen wilden Leidenschaften sprechen. Der Tante ganzes Wesen, ihr maßvoller Schönheitssinn verbürgten das.

den ganzen Abend im innigsten, vertraulichsten Geplauder zu.

Ein Paar Monate später, gegen das Frühjahr hin, war sie nach wenig Tagen der Krankheit sanft verschieden. Ihr Tod war klar und freundlich gewesen, Wie ihr ganzes Dasein. Für Jeden hatte sie nach seinen Bedürfnissen mit verständnißvoller Liebe vorgesorgt, Jedem hatte sie noch über ihren Tod hinaus irgend eine Freude, irgend eine Ueberraschung zu bereiten gewußt. Mir hatte sie neben jenem Kästchen noch ihr Jugendbild vermacht, dessen Lieblichkeit mich immer so gefesselt hatte.

An einem schönen Frühlingsabende, als mein Sinn recht still und ruhig war, öffnete ich die grüne Chatoulle und nahm mit tiefer Rührung die kleinen Blätter in die Hand. Der Hinblick auf die mir unbekannte Vergangenheit eines mir nahestehenden befreundeten Menschen hat Etwas, das mich stets mit einer Art von Scheu erfüllt, und diese Scheu steigert sich, je mehr ich an dem Menschen hange. Denn Jeder hat sich durch böse Wege und durch Schatten zum Lichte durchzukämpfen, und der Kampf ist oft so hart, so furchtbar, daß er uns des Freundes Bild entstellt.

Indeß die kleinen Rosablättchen mit dem hellen Goldrand, mit ihrem Rosenölgeruch, die konnten, wie ich sicher wußte, von keinen wilden Leidenschaften sprechen. Der Tante ganzes Wesen, ihr maßvoller Schönheitssinn verbürgten das.

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[0018] den ganzen Abend im innigsten, vertraulichsten Geplauder zu. Ein Paar Monate später, gegen das Frühjahr hin, war sie nach wenig Tagen der Krankheit sanft verschieden. Ihr Tod war klar und freundlich gewesen, Wie ihr ganzes Dasein. Für Jeden hatte sie nach seinen Bedürfnissen mit verständnißvoller Liebe vorgesorgt, Jedem hatte sie noch über ihren Tod hinaus irgend eine Freude, irgend eine Ueberraschung zu bereiten gewußt. Mir hatte sie neben jenem Kästchen noch ihr Jugendbild vermacht, dessen Lieblichkeit mich immer so gefesselt hatte. An einem schönen Frühlingsabende, als mein Sinn recht still und ruhig war, öffnete ich die grüne Chatoulle und nahm mit tiefer Rührung die kleinen Blätter in die Hand. Der Hinblick auf die mir unbekannte Vergangenheit eines mir nahestehenden befreundeten Menschen hat Etwas, das mich stets mit einer Art von Scheu erfüllt, und diese Scheu steigert sich, je mehr ich an dem Menschen hange. Denn Jeder hat sich durch böse Wege und durch Schatten zum Lichte durchzukämpfen, und der Kampf ist oft so hart, so furchtbar, daß er uns des Freundes Bild entstellt. Indeß die kleinen Rosablättchen mit dem hellen Goldrand, mit ihrem Rosenölgeruch, die konnten, wie ich sicher wußte, von keinen wilden Leidenschaften sprechen. Der Tante ganzes Wesen, ihr maßvoller Schönheitssinn verbürgten das.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/18>, abgerufen am 21.11.2024.