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Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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denn die Familien der Kolonie verbanden sich meistens unter einander, und das Familienleben war auf die strengste Abhängigkeit der Frau vom Manne und der Kinder von den Eltern gegründet.

Meine Mutter zählte damals zweiundzwanzig Jahre, ihr Mann war nur ein wenig älter. Er war auch Seidenfabrikant und so sehr in seine Unternehmungen vertieft, daß er trotz seiner Jugend an das Herz seiner jungen Frau keine großen Ansprüche machte. Er war zufrieden, daß sie hübsch war, sich zu präsentiren, ihr Haus auf einem respektablen Fuß zu halten wußte, und da sie nebenher ihm in der ersten Zeit fast alle Paar Jahre ein gesundes Kind gebar und ihm selbst beim Führen seiner Bücher noch zur Hand zu gehen Zeit behielt, so war er ganz zufrieden mit der Wahl, die seine Eltern einst für ihn getroffen hatten, und fühlte sich wirklich glücklich mit seiner Frau. Die Mutter hatte auch niemals über ihn zu klagen, und über Herzensleere oder innere Unbefriedigung zu grübeln, dazu ließen ihre fünf Kinder ihr nicht Muße.

Der Vater brachte es schnell zu bedeutendem Vermögen; er wurde ein geachteter Mann in der Colonie und auch in der ganzen Stadt sehr angesehen. Er kaufte das große Grundstück in der breiten Straße, das noch heute in den Händen meines Bruders ist, und fing an, ein Haus zu machen, wie man es nannte, was freilich von seinen Stammes- und Standesgenossen

denn die Familien der Kolonie verbanden sich meistens unter einander, und das Familienleben war auf die strengste Abhängigkeit der Frau vom Manne und der Kinder von den Eltern gegründet.

Meine Mutter zählte damals zweiundzwanzig Jahre, ihr Mann war nur ein wenig älter. Er war auch Seidenfabrikant und so sehr in seine Unternehmungen vertieft, daß er trotz seiner Jugend an das Herz seiner jungen Frau keine großen Ansprüche machte. Er war zufrieden, daß sie hübsch war, sich zu präsentiren, ihr Haus auf einem respektablen Fuß zu halten wußte, und da sie nebenher ihm in der ersten Zeit fast alle Paar Jahre ein gesundes Kind gebar und ihm selbst beim Führen seiner Bücher noch zur Hand zu gehen Zeit behielt, so war er ganz zufrieden mit der Wahl, die seine Eltern einst für ihn getroffen hatten, und fühlte sich wirklich glücklich mit seiner Frau. Die Mutter hatte auch niemals über ihn zu klagen, und über Herzensleere oder innere Unbefriedigung zu grübeln, dazu ließen ihre fünf Kinder ihr nicht Muße.

Der Vater brachte es schnell zu bedeutendem Vermögen; er wurde ein geachteter Mann in der Colonie und auch in der ganzen Stadt sehr angesehen. Er kaufte das große Grundstück in der breiten Straße, das noch heute in den Händen meines Bruders ist, und fing an, ein Haus zu machen, wie man es nannte, was freilich von seinen Stammes- und Standesgenossen

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[0021] denn die Familien der Kolonie verbanden sich meistens unter einander, und das Familienleben war auf die strengste Abhängigkeit der Frau vom Manne und der Kinder von den Eltern gegründet. Meine Mutter zählte damals zweiundzwanzig Jahre, ihr Mann war nur ein wenig älter. Er war auch Seidenfabrikant und so sehr in seine Unternehmungen vertieft, daß er trotz seiner Jugend an das Herz seiner jungen Frau keine großen Ansprüche machte. Er war zufrieden, daß sie hübsch war, sich zu präsentiren, ihr Haus auf einem respektablen Fuß zu halten wußte, und da sie nebenher ihm in der ersten Zeit fast alle Paar Jahre ein gesundes Kind gebar und ihm selbst beim Führen seiner Bücher noch zur Hand zu gehen Zeit behielt, so war er ganz zufrieden mit der Wahl, die seine Eltern einst für ihn getroffen hatten, und fühlte sich wirklich glücklich mit seiner Frau. Die Mutter hatte auch niemals über ihn zu klagen, und über Herzensleere oder innere Unbefriedigung zu grübeln, dazu ließen ihre fünf Kinder ihr nicht Muße. Der Vater brachte es schnell zu bedeutendem Vermögen; er wurde ein geachteter Mann in der Colonie und auch in der ganzen Stadt sehr angesehen. Er kaufte das große Grundstück in der breiten Straße, das noch heute in den Händen meines Bruders ist, und fing an, ein Haus zu machen, wie man es nannte, was freilich von seinen Stammes- und Standesgenossen

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:16:08Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:16:08Z)

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Die Tante. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 69–193. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_tante_1910/21>, abgerufen am 21.11.2024.