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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842.

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Umsetzung der Gebilde.
indem sie die Elemente enthalten, durch deren Gegen-
wart dieses Organ befähigt wird, seinen Functionen vor-
zustehen, lassen sich die stickstoffhaltigen, durch ihre Wir-
kung auf das Gehirn und die Substanz der Bewegungsap-
parate so merkwürdigen Arzneistoffe als Nahrungsstoffe für
die unbekannten Organe betrachten, welche zur Metamor-
phose der Blutbestandtheile in Gehirn- und Nervensubstanz
bestimmt sind, Organe, die in dem Thierkörper nicht fehlen
können, und wenn im Zustande der Krankheit ein abnormaler
Proceß der Bildung oder Umsetzung der Bestandtheile der
Nerven- und Gehirnsubstanz sich eingestellt hat, wenn in den
dazu bestimmten Organen die Fähigkeit vermindert ist, aus den
Blutbestandtheilen Nerven- und Gehirnsubstanz zu erzeugen,
oder einer abnormalen Umsetzung Widerstand zu leisten, so
steht der Ansicht in chemischer Beziehung kein Hinderniß ent-
gegen, daß Materien von einer der Gehirn- und Nerven-
substanz ähnlichen Zusammensetzung, die sich für die Bildung
derselben eignen, statt der aus dem Blute erzeugten zum
Widerstand oder zur Herstellung des normalen Zustandes ver-
wendet werden können. Beide sind Producte des Lebenspro-
cesses; die Blutbestandtheile sowohl, wie die Körper, welche
wir Arzneimittel nennen, stammen von den Pflanzen, nur
in ihrer Form zeigen sie Verschiedenheiten.

96. Einige Physiologen und Chemiker haben die Eigen-
thümlichkeit der Cerebrinsäure, welche ihrem Kohlenstoff- und
Wasserstoffgehalte und ihren physikalischen Eigenschaften nach
einer stickstoffhaltigen fetten Säure gleicht, in Zweifel ge-

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Umſetzung der Gebilde.
indem ſie die Elemente enthalten, durch deren Gegen-
wart dieſes Organ befähigt wird, ſeinen Functionen vor-
zuſtehen, laſſen ſich die ſtickſtoffhaltigen, durch ihre Wir-
kung auf das Gehirn und die Subſtanz der Bewegungsap-
parate ſo merkwürdigen Arzneiſtoffe als Nahrungsſtoffe für
die unbekannten Organe betrachten, welche zur Metamor-
phoſe der Blutbeſtandtheile in Gehirn- und Nervenſubſtanz
beſtimmt ſind, Organe, die in dem Thierkörper nicht fehlen
können, und wenn im Zuſtande der Krankheit ein abnormaler
Proceß der Bildung oder Umſetzung der Beſtandtheile der
Nerven- und Gehirnſubſtanz ſich eingeſtellt hat, wenn in den
dazu beſtimmten Organen die Fähigkeit vermindert iſt, aus den
Blutbeſtandtheilen Nerven- und Gehirnſubſtanz zu erzeugen,
oder einer abnormalen Umſetzung Widerſtand zu leiſten, ſo
ſteht der Anſicht in chemiſcher Beziehung kein Hinderniß ent-
gegen, daß Materien von einer der Gehirn- und Nerven-
ſubſtanz ähnlichen Zuſammenſetzung, die ſich für die Bildung
derſelben eignen, ſtatt der aus dem Blute erzeugten zum
Widerſtand oder zur Herſtellung des normalen Zuſtandes ver-
wendet werden können. Beide ſind Producte des Lebenspro-
ceſſes; die Blutbeſtandtheile ſowohl, wie die Körper, welche
wir Arzneimittel nennen, ſtammen von den Pflanzen, nur
in ihrer Form zeigen ſie Verſchiedenheiten.

96. Einige Phyſiologen und Chemiker haben die Eigen-
thümlichkeit der Cerebrinſäure, welche ihrem Kohlenſtoff- und
Waſſerſtoffgehalte und ihren phyſikaliſchen Eigenſchaften nach
einer ſtickſtoffhaltigen fetten Säure gleicht, in Zweifel ge-

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[193/0217] Umſetzung der Gebilde. indem ſie die Elemente enthalten, durch deren Gegen- wart dieſes Organ befähigt wird, ſeinen Functionen vor- zuſtehen, laſſen ſich die ſtickſtoffhaltigen, durch ihre Wir- kung auf das Gehirn und die Subſtanz der Bewegungsap- parate ſo merkwürdigen Arzneiſtoffe als Nahrungsſtoffe für die unbekannten Organe betrachten, welche zur Metamor- phoſe der Blutbeſtandtheile in Gehirn- und Nervenſubſtanz beſtimmt ſind, Organe, die in dem Thierkörper nicht fehlen können, und wenn im Zuſtande der Krankheit ein abnormaler Proceß der Bildung oder Umſetzung der Beſtandtheile der Nerven- und Gehirnſubſtanz ſich eingeſtellt hat, wenn in den dazu beſtimmten Organen die Fähigkeit vermindert iſt, aus den Blutbeſtandtheilen Nerven- und Gehirnſubſtanz zu erzeugen, oder einer abnormalen Umſetzung Widerſtand zu leiſten, ſo ſteht der Anſicht in chemiſcher Beziehung kein Hinderniß ent- gegen, daß Materien von einer der Gehirn- und Nerven- ſubſtanz ähnlichen Zuſammenſetzung, die ſich für die Bildung derſelben eignen, ſtatt der aus dem Blute erzeugten zum Widerſtand oder zur Herſtellung des normalen Zuſtandes ver- wendet werden können. Beide ſind Producte des Lebenspro- ceſſes; die Blutbeſtandtheile ſowohl, wie die Körper, welche wir Arzneimittel nennen, ſtammen von den Pflanzen, nur in ihrer Form zeigen ſie Verſchiedenheiten. 96. Einige Phyſiologen und Chemiker haben die Eigen- thümlichkeit der Cerebrinſäure, welche ihrem Kohlenſtoff- und Waſſerſtoffgehalte und ihren phyſikaliſchen Eigenſchaften nach einer ſtickſtoffhaltigen fetten Säure gleicht, in Zweifel ge- 13

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie. Braunschweig, 1842, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_physiologie_1842/217>, abgerufen am 21.11.2024.