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[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

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(o)
nach die Ehre, Jhnen zu sagen, daß ich, um Jhnen
noch deutlicher zu erkennen zu geben, wie hoch ich Sie
schätze, mir die Freyheit nehmen wollen, meine weni-
gen Gedancken über eine gefrorne fenster-Schei-
be
ihrer Beurtheilung zu unterwerffen.

Sie werden sich vielleicht wundern, mein Herr, daß
ich eine so gemeine und nichtswürdige Sache zu einem
Gegenstand meiner Betrachtungen erwählet. Eine
gefrorne Fenster-Scheibe, werden Sie dencken, ist ei-
ne gefrorne Fenster-Scheibe: Was kan ein solcher
Quarck an sich haben, so das Nachsinnen eines
vernünftigen und gelehrten Mannes verdiene? Aber,
mein Herr, erlauben Sie mir, daß ich Jhnen zu Ge-
müthe führe, wie keine Sache so geringe sey, daß ein
Kluger nicht Gelegenheit finden solte, darüber nützli-
che Betrachtungen zu haben. Eine Lauß ist ein ver-
ächtlich Thier, schimmelicht Brodt fressen auch die
Hunde nicht, und es ist kein Bauer so einfältig, daß er
nicht wissen solte, was ein Stroh-Halm sey. Aber
dennoch haben kluge und geschickte Männer diese ge-
ringscheinende Sachen ihrer Betrachtung nicht un-
würdig geschätzet. Ja sie haben sich nicht begnüget,
dieselben mit blossen Augen anzusehen, sondern so gar
die Vergrösserungs-Gläser zu Hülffe genommen; und,
was noch mehr ist, zu keinem andern Ende die Kunst,
diese Gläser zu verfertigen, durch viele Mühe und lan-
ges Nachsinnen, zu einer so grossen Vollkommenheit
gebracht, als, um dadurch die Betrachtung solcher
Kleinigkeiten zu erleichtern. Sie kennen den berühm-
ten Lewenhoeck; Sie haben von Swammerdam ge-
höret. Was haben diese Männer nicht vor schöne Sa-
chen entdecket? Haben sie aber wohl einen Wurm,

das
D 3

(o)
nach die Ehre, Jhnen zu ſagen, daß ich, um Jhnen
noch deutlicher zu erkennen zu geben, wie hoch ich Sie
ſchaͤtze, mir die Freyheit nehmen wollen, meine weni-
gen Gedancken uͤber eine gefrorne fenſter-Schei-
be
ihrer Beurtheilung zu unterwerffen.

Sie werden ſich vielleicht wundern, mein Herr, daß
ich eine ſo gemeine und nichtswuͤrdige Sache zu einem
Gegenſtand meiner Betrachtungen erwaͤhlet. Eine
gefrorne Fenſter-Scheibe, werden Sie dencken, iſt ei-
ne gefrorne Fenſter-Scheibe: Was kan ein ſolcher
Quarck an ſich haben, ſo das Nachſinnen eines
vernuͤnftigen und gelehrten Mannes verdiene? Aber,
mein Herr, erlauben Sie mir, daß ich Jhnen zu Ge-
muͤthe fuͤhre, wie keine Sache ſo geringe ſey, daß ein
Kluger nicht Gelegenheit finden ſolte, daruͤber nuͤtzli-
che Betrachtungen zu haben. Eine Lauß iſt ein ver-
aͤchtlich Thier, ſchimmelicht Brodt freſſen auch die
Hunde nicht, und es iſt kein Bauer ſo einfaͤltig, daß er
nicht wiſſen ſolte, was ein Stroh-Halm ſey. Aber
dennoch haben kluge und geſchickte Maͤnner dieſe ge-
ringſcheinende Sachen ihrer Betrachtung nicht un-
wuͤrdig geſchaͤtzet. Ja ſie haben ſich nicht begnuͤget,
dieſelben mit bloſſen Augen anzuſehen, ſondern ſo gar
die Vergroͤſſerungs-Glaͤſer zu Huͤlffe genom̃en; und,
was noch mehr iſt, zu keinem andern Ende die Kunſt,
dieſe Glaͤſer zu verfertigen, durch viele Muͤhe und lan-
ges Nachſinnen, zu einer ſo groſſen Vollkommenheit
gebracht, als, um dadurch die Betrachtung ſolcher
Kleinigkeiten zu erleichtern. Sie kennen den beruͤhm-
ten Lewenhoeck; Sie haben von Swammerdam ge-
hoͤret. Was haben dieſe Maͤnner nicht vor ſchoͤne Sa-
chen entdecket? Haben ſie aber wohl einen Wurm,

das
D 3
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[53/0145] (o) nach die Ehre, Jhnen zu ſagen, daß ich, um Jhnen noch deutlicher zu erkennen zu geben, wie hoch ich Sie ſchaͤtze, mir die Freyheit nehmen wollen, meine weni- gen Gedancken uͤber eine gefrorne fenſter-Schei- be ihrer Beurtheilung zu unterwerffen. Sie werden ſich vielleicht wundern, mein Herr, daß ich eine ſo gemeine und nichtswuͤrdige Sache zu einem Gegenſtand meiner Betrachtungen erwaͤhlet. Eine gefrorne Fenſter-Scheibe, werden Sie dencken, iſt ei- ne gefrorne Fenſter-Scheibe: Was kan ein ſolcher Quarck an ſich haben, ſo das Nachſinnen eines vernuͤnftigen und gelehrten Mannes verdiene? Aber, mein Herr, erlauben Sie mir, daß ich Jhnen zu Ge- muͤthe fuͤhre, wie keine Sache ſo geringe ſey, daß ein Kluger nicht Gelegenheit finden ſolte, daruͤber nuͤtzli- che Betrachtungen zu haben. Eine Lauß iſt ein ver- aͤchtlich Thier, ſchimmelicht Brodt freſſen auch die Hunde nicht, und es iſt kein Bauer ſo einfaͤltig, daß er nicht wiſſen ſolte, was ein Stroh-Halm ſey. Aber dennoch haben kluge und geſchickte Maͤnner dieſe ge- ringſcheinende Sachen ihrer Betrachtung nicht un- wuͤrdig geſchaͤtzet. Ja ſie haben ſich nicht begnuͤget, dieſelben mit bloſſen Augen anzuſehen, ſondern ſo gar die Vergroͤſſerungs-Glaͤſer zu Huͤlffe genom̃en; und, was noch mehr iſt, zu keinem andern Ende die Kunſt, dieſe Glaͤſer zu verfertigen, durch viele Muͤhe und lan- ges Nachſinnen, zu einer ſo groſſen Vollkommenheit gebracht, als, um dadurch die Betrachtung ſolcher Kleinigkeiten zu erleichtern. Sie kennen den beruͤhm- ten Lewenhoeck; Sie haben von Swammerdam ge- hoͤret. Was haben dieſe Maͤnner nicht vor ſchoͤne Sa- chen entdecket? Haben ſie aber wohl einen Wurm, das D 3

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Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/145>, abgerufen am 23.11.2024.