Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
nern, Arrianern, Nestorianern, von den tribus
capitulis,
von Theodorus Mopsvestenus, von
Aphtardoceten, Patripaßianern, Monotheliten,
Euthychianern, Priscillianisten, Rosen-Creutzern,
Widertäufern, Qväckern, und mit einem
Wort, von allen alten und neuen Ketzern. Man
stellt sich vor, wie artig es wol gelassen habe, als
Simon der Zauberer den Halß gebrochen, und
eine alte Bad-Stube dem Cerinthus über den
Kopf eingefallen sey, und also die Kirche von die-
sem Buben befreyet habe. Man schilt den Gro-
tius, eyfert wider Thomasius, flucht Gerhard
und Dippeln, und läst keinem Schwärmer vor
einen Heller Ehre. So groß ist die Einsicht,
und der Eyfer dieser andächtigen Personen! Und
das ist kein Wunder: denn der Herr M. Sie-
vers predigt gewaltig.

Die Frau, mit welcher ich redete, versicherte
mich, daß sie öffters, wann sie aus des Hn. M.
Sievers Predigten käme, wider Dippeln inson-
derheit so erbittert wäre, daß sie oft wünsche, den
Buben vor sich zu haben, um ihm die Augen aus-
zukratzen. Sie sagte mir ferner, daß dergleichen
Gemüths-Bewegungen in den Zuhörern des Hn.
Mag. Sievers nichts seltenes wären. Sehen sie
wol, mein Herr, sprach sie, den Mann mit dem
blauen Auge? Und indem sie dieses sagte, wiese sie
mir einen wohlgekleideten Bürger, der unter dem
Hauffen stand. Dieser Mann fuhr sie fort, hat
eine Frau, die des Hr. Mag. Sievers Predigten,
die er zu St. Annen hält, fleißig besuchet, und
aus selbigen einen so grossen Haß gegen die Ketzer,

in-
H 5

(o)
nern, Arrianern, Neſtorianern, von den tribus
capitulis,
von Theodorus Mopsveſtenus, von
Aphtardoceten, Patripaßianern, Monotheliten,
Euthychianern, Priscillianiſten, Roſen-Creutzern,
Widertaͤufern, Qvaͤckern, und mit einem
Wort, von allen alten und neuen Ketzern. Man
ſtellt ſich vor, wie artig es wol gelaſſen habe, als
Simon der Zauberer den Halß gebrochen, und
eine alte Bad-Stube dem Cerinthus uͤber den
Kopf eingefallen ſey, und alſo die Kirche von die-
ſem Buben befreyet habe. Man ſchilt den Gro-
tius, eyfert wider Thomaſius, flucht Gerhard
und Dippeln, und laͤſt keinem Schwaͤrmer vor
einen Heller Ehre. So groß iſt die Einſicht,
und der Eyfer dieſer andaͤchtigen Perſonen! Und
das iſt kein Wunder: denn der Herr M. Sie-
vers predigt gewaltig.

Die Frau, mit welcher ich redete, verſicherte
mich, daß ſie oͤffters, wann ſie aus des Hn. M.
Sievers Predigten kaͤme, wider Dippeln inſon-
derheit ſo erbittert waͤre, daß ſie oft wuͤnſche, den
Buben vor ſich zu haben, um ihm die Augen aus-
zukratzen. Sie ſagte mir ferner, daß dergleichen
Gemuͤths-Bewegungen in den Zuhoͤrern des Hn.
Mag. Sievers nichts ſeltenes waͤren. Sehen ſie
wol, mein Herr, ſprach ſie, den Mann mit dem
blauen Auge? Und indem ſie dieſes ſagte, wieſe ſie
mir einen wohlgekleideten Buͤrger, der unter dem
Hauffen ſtand. Dieſer Mann fuhr ſie fort, hat
eine Frau, die des Hr. Mag. Sievers Predigten,
die er zu St. Annen haͤlt, fleißig beſuchet, und
aus ſelbigen einen ſo groſſen Haß gegen die Ketzer,

in-
H 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0213" n="121"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
nern, Arrianern, Ne&#x017F;torianern, von den <hi rendition="#aq">tribus<lb/>
capitulis,</hi> von Theodorus Mopsve&#x017F;tenus, von<lb/>
Aphtardoceten, Patripaßianern, Monotheliten,<lb/>
Euthychianern, Priscilliani&#x017F;ten, Ro&#x017F;en-Creutzern,<lb/>
Widerta&#x0364;ufern, Qva&#x0364;ckern, und mit einem<lb/>
Wort, von allen alten und neuen Ketzern. Man<lb/>
&#x017F;tellt &#x017F;ich vor, wie artig es wol gela&#x017F;&#x017F;en habe, als<lb/>
Simon der Zauberer den Halß gebrochen, und<lb/>
eine alte Bad-Stube dem Cerinthus u&#x0364;ber den<lb/>
Kopf eingefallen &#x017F;ey, und al&#x017F;o die Kirche von die-<lb/>
&#x017F;em Buben befreyet habe. Man &#x017F;chilt den Gro-<lb/>
tius, eyfert wider Thoma&#x017F;ius, flucht Gerhard<lb/>
und Dippeln, und la&#x0364;&#x017F;t keinem Schwa&#x0364;rmer vor<lb/>
einen Heller Ehre. So groß i&#x017F;t die Ein&#x017F;icht,<lb/>
und der Eyfer die&#x017F;er anda&#x0364;chtigen Per&#x017F;onen! Und<lb/>
das i&#x017F;t kein Wunder: denn der Herr M. Sie-<lb/>
vers predigt gewaltig.</p><lb/>
          <p>Die Frau, mit welcher ich redete, ver&#x017F;icherte<lb/>
mich, daß &#x017F;ie o&#x0364;ffters, wann &#x017F;ie aus des Hn. M.<lb/>
Sievers Predigten ka&#x0364;me, wider Dippeln in&#x017F;on-<lb/>
derheit &#x017F;o erbittert wa&#x0364;re, daß &#x017F;ie oft wu&#x0364;n&#x017F;che, den<lb/>
Buben vor &#x017F;ich zu haben, um ihm die Augen aus-<lb/>
zukratzen. Sie &#x017F;agte mir ferner, daß dergleichen<lb/>
Gemu&#x0364;ths-Bewegungen in den Zuho&#x0364;rern des Hn.<lb/>
Mag. Sievers nichts &#x017F;eltenes wa&#x0364;ren. Sehen &#x017F;ie<lb/>
wol, mein Herr, &#x017F;prach &#x017F;ie, den Mann mit dem<lb/>
blauen Auge? Und indem &#x017F;ie die&#x017F;es &#x017F;agte, wie&#x017F;e &#x017F;ie<lb/>
mir einen wohlgekleideten Bu&#x0364;rger, der unter dem<lb/>
Hauffen &#x017F;tand. Die&#x017F;er Mann fuhr &#x017F;ie fort, hat<lb/>
eine Frau, die des Hr. Mag. Sievers Predigten,<lb/>
die er zu St. Annen ha&#x0364;lt, fleißig be&#x017F;uchet, und<lb/>
aus &#x017F;elbigen einen &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;en Haß gegen die Ketzer,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 5</fw><fw place="bottom" type="catch">in-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0213] (o) nern, Arrianern, Neſtorianern, von den tribus capitulis, von Theodorus Mopsveſtenus, von Aphtardoceten, Patripaßianern, Monotheliten, Euthychianern, Priscillianiſten, Roſen-Creutzern, Widertaͤufern, Qvaͤckern, und mit einem Wort, von allen alten und neuen Ketzern. Man ſtellt ſich vor, wie artig es wol gelaſſen habe, als Simon der Zauberer den Halß gebrochen, und eine alte Bad-Stube dem Cerinthus uͤber den Kopf eingefallen ſey, und alſo die Kirche von die- ſem Buben befreyet habe. Man ſchilt den Gro- tius, eyfert wider Thomaſius, flucht Gerhard und Dippeln, und laͤſt keinem Schwaͤrmer vor einen Heller Ehre. So groß iſt die Einſicht, und der Eyfer dieſer andaͤchtigen Perſonen! Und das iſt kein Wunder: denn der Herr M. Sie- vers predigt gewaltig. Die Frau, mit welcher ich redete, verſicherte mich, daß ſie oͤffters, wann ſie aus des Hn. M. Sievers Predigten kaͤme, wider Dippeln inſon- derheit ſo erbittert waͤre, daß ſie oft wuͤnſche, den Buben vor ſich zu haben, um ihm die Augen aus- zukratzen. Sie ſagte mir ferner, daß dergleichen Gemuͤths-Bewegungen in den Zuhoͤrern des Hn. Mag. Sievers nichts ſeltenes waͤren. Sehen ſie wol, mein Herr, ſprach ſie, den Mann mit dem blauen Auge? Und indem ſie dieſes ſagte, wieſe ſie mir einen wohlgekleideten Buͤrger, der unter dem Hauffen ſtand. Dieſer Mann fuhr ſie fort, hat eine Frau, die des Hr. Mag. Sievers Predigten, die er zu St. Annen haͤlt, fleißig beſuchet, und aus ſelbigen einen ſo groſſen Haß gegen die Ketzer, in- H 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/213
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/213>, abgerufen am 23.11.2024.