Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

(o)
am höchsten werden begluckseeliget werden37). Er
ist glücklich. Aber nimmer würden so vortrefliche
Worte aus seinem beredten Munde gegangen seyn,
wenn Er sich erinnert hätte, daß, wie die gemeine
Rede gehet, noch kein Auge gesehen, kein Ohr ge-
höret, und in keines Menschen Hertz kommen ist, was
GOtt bereitet hat denen, die ihn lieben. Paulus, Mei-
ne Herren, ward, wie Sie wissen, biß in den drit-
ten Himmel entzückt, und kam so klug wieder, als
Er hingegangen war. Was, meinen Sie, würde uns
der Herr Prof. Philippi nicht vor schöne Sachen
erzehlen, wenn ihm ein solches Glück begegnen solte,
da Er schon durch das blosse Anschauen seines Landes-
Vaters mehr gelernet hat, als Paulus im Paradiß?
Solte man nicht aus seinen Worten schliessen, daß
Paulus, nur immer zu Hause bleiben, und die wei-
te Reise sparen können?

- - - - - - Quod petis, hic est38)

Da nun der Herr Prof. Philippi die gemeinen
Meynungen der Christen so wenig achtet, wenn sie
seiner heroischen Einbildungs-Kraft entgegen laufen,
was ist es denn Wunder, daß er die thörichten Re-
geln blinder Heyden verlachet? Weil ich weiß,
Meine Herren, daß Sie insgesammt, wie es
rechtschaffenen Gliedern unserer Gesellschafft zuste-
het und gebühret, abgesagte Feinde dieser Regeln
so wohl, als der Regeln der gesunden Vernunft
sind, so kan ich leicht vorher sehen, wie sehr ihre
Hochachtung gegen den Herrn Prof. Philippi wird

ver-
37) S. die sechs deutschen Reden p. 57.
38) Horatius L. I. Ep. 2.

(o)
am hoͤchſten werden begluckſeeliget werden37). Er
iſt gluͤcklich. Aber nimmer wuͤrden ſo vortrefliche
Worte aus ſeinem beredten Munde gegangen ſeyn,
wenn Er ſich erinnert haͤtte, daß, wie die gemeine
Rede gehet, noch kein Auge geſehen, kein Ohr ge-
hoͤret, und in keines Menſchen Hertz kommen iſt, was
GOtt bereitet hat denen, die ihn lieben. Paulus, Mei-
ne Herren, ward, wie Sie wiſſen, biß in den drit-
ten Himmel entzuͤckt, und kam ſo klug wieder, als
Er hingegangen war. Was, meinen Sie, wuͤrde uns
der Herr Prof. Philippi nicht vor ſchoͤne Sachen
erzehlen, wenn ihm ein ſolches Gluͤck begegnen ſolte,
da Er ſchon durch das bloſſe Anſchauen ſeines Landes-
Vaters mehr gelernet hat, als Paulus im Paradiß?
Solte man nicht aus ſeinen Worten ſchlieſſen, daß
Paulus, nur immer zu Hauſe bleiben, und die wei-
te Reiſe ſparen koͤnnen?

‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Quod petis, hic eſt38)

Da nun der Herr Prof. Philippi die gemeinen
Meynungen der Chriſten ſo wenig achtet, wenn ſie
ſeiner heroiſchen Einbildungs-Kraft entgegen laufen,
was iſt es denn Wunder, daß er die thoͤrichten Re-
geln blinder Heyden verlachet? Weil ich weiß,
Meine Herren, daß Sie insgeſammt, wie es
rechtſchaffenen Gliedern unſerer Geſellſchafft zuſte-
het und gebuͤhret, abgeſagte Feinde dieſer Regeln
ſo wohl, als der Regeln der geſunden Vernunft
ſind, ſo kan ich leicht vorher ſehen, wie ſehr ihre
Hochachtung gegen den Herrn Prof. Philippi wird

ver-
37) S. die ſechs deutſchen Reden p. 57.
38) Horatius L. I. Ep. 2.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0270" n="178"/><fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
am ho&#x0364;ch&#x017F;ten werden begluck&#x017F;eeliget werden<note place="foot" n="37)">S. die &#x017F;echs deut&#x017F;chen Reden <hi rendition="#aq">p.</hi> 57.</note>. Er<lb/>
i&#x017F;t glu&#x0364;cklich. Aber nimmer wu&#x0364;rden &#x017F;o vortrefliche<lb/>
Worte aus &#x017F;einem beredten Munde gegangen &#x017F;eyn,<lb/>
wenn Er &#x017F;ich erinnert ha&#x0364;tte, daß, wie die gemeine<lb/>
Rede gehet, noch kein Auge ge&#x017F;ehen, kein Ohr ge-<lb/>
ho&#x0364;ret, und in keines Men&#x017F;chen Hertz kommen i&#x017F;t, was<lb/>
GOtt bereitet hat denen, die ihn lieben. Paulus, Mei-<lb/>
ne Herren, ward, wie Sie wi&#x017F;&#x017F;en, biß in den drit-<lb/>
ten Himmel entzu&#x0364;ckt, und kam &#x017F;o klug wieder, als<lb/>
Er hingegangen war. Was, meinen Sie, wu&#x0364;rde uns<lb/>
der Herr Prof. Philippi nicht vor &#x017F;cho&#x0364;ne Sachen<lb/>
erzehlen, wenn ihm ein &#x017F;olches Glu&#x0364;ck begegnen &#x017F;olte,<lb/>
da Er &#x017F;chon durch das blo&#x017F;&#x017F;e An&#x017F;chauen &#x017F;eines Landes-<lb/>
Vaters mehr gelernet hat, als Paulus im Paradiß?<lb/>
Solte man nicht aus &#x017F;einen Worten &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
Paulus, nur immer zu Hau&#x017F;e bleiben, und die wei-<lb/>
te Rei&#x017F;e &#x017F;paren ko&#x0364;nnen?</p><lb/>
            <cit>
              <quote> <hi rendition="#aq">&#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; Quod petis, hic e&#x017F;t</hi> <note place="foot" n="38)"><hi rendition="#aq">Horatius L. I. Ep.</hi> 2.</note>
              </quote>
            </cit><lb/>
            <p>Da nun der Herr Prof. Philippi die gemeinen<lb/>
Meynungen der Chri&#x017F;ten &#x017F;o wenig achtet, wenn &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;einer heroi&#x017F;chen Einbildungs-Kraft entgegen laufen,<lb/>
was i&#x017F;t es denn Wunder, daß er die tho&#x0364;richten Re-<lb/>
geln blinder Heyden verlachet? Weil ich weiß,<lb/>
Meine Herren, daß Sie insge&#x017F;ammt, wie es<lb/>
recht&#x017F;chaffenen Gliedern un&#x017F;erer Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft zu&#x017F;te-<lb/>
het und gebu&#x0364;hret, abge&#x017F;agte Feinde die&#x017F;er Regeln<lb/>
&#x017F;o wohl, als der Regeln der ge&#x017F;unden Vernunft<lb/>
&#x017F;ind, &#x017F;o kan ich leicht vorher &#x017F;ehen, wie &#x017F;ehr ihre<lb/>
Hochachtung gegen den Herrn Prof. Philippi wird<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[178/0270] (o) am hoͤchſten werden begluckſeeliget werden 37). Er iſt gluͤcklich. Aber nimmer wuͤrden ſo vortrefliche Worte aus ſeinem beredten Munde gegangen ſeyn, wenn Er ſich erinnert haͤtte, daß, wie die gemeine Rede gehet, noch kein Auge geſehen, kein Ohr ge- hoͤret, und in keines Menſchen Hertz kommen iſt, was GOtt bereitet hat denen, die ihn lieben. Paulus, Mei- ne Herren, ward, wie Sie wiſſen, biß in den drit- ten Himmel entzuͤckt, und kam ſo klug wieder, als Er hingegangen war. Was, meinen Sie, wuͤrde uns der Herr Prof. Philippi nicht vor ſchoͤne Sachen erzehlen, wenn ihm ein ſolches Gluͤck begegnen ſolte, da Er ſchon durch das bloſſe Anſchauen ſeines Landes- Vaters mehr gelernet hat, als Paulus im Paradiß? Solte man nicht aus ſeinen Worten ſchlieſſen, daß Paulus, nur immer zu Hauſe bleiben, und die wei- te Reiſe ſparen koͤnnen? ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Quod petis, hic eſt 38) Da nun der Herr Prof. Philippi die gemeinen Meynungen der Chriſten ſo wenig achtet, wenn ſie ſeiner heroiſchen Einbildungs-Kraft entgegen laufen, was iſt es denn Wunder, daß er die thoͤrichten Re- geln blinder Heyden verlachet? Weil ich weiß, Meine Herren, daß Sie insgeſammt, wie es rechtſchaffenen Gliedern unſerer Geſellſchafft zuſte- het und gebuͤhret, abgeſagte Feinde dieſer Regeln ſo wohl, als der Regeln der geſunden Vernunft ſind, ſo kan ich leicht vorher ſehen, wie ſehr ihre Hochachtung gegen den Herrn Prof. Philippi wird ver- 37) S. die ſechs deutſchen Reden p. 57. 38) Horatius L. I. Ep. 2.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/270
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/270>, abgerufen am 18.12.2024.